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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Verona.
amalung einer Anbetung der Hirten ist eine unscheinbare und doch
herrliche Schöpfung; der Geist Lionardo's berührt die Schule des
Mantegna; -- ebenda eine andere Anbetung des Kindes, eine thro-
nende Madonna mit Heiligen auf Wolken, u. A. m. Weit das Wich-
btigste in S. Eufemia. -- Von Cavazzola enthält die Pinacoteca das
grosse Hauptwerk (1517) einer Passion in drei Bildern; wiederum
ein wunderbarer Übergang aus dem Realismus des XV. Jahrh. in die
edle, freie Charakteristik des XVI., nicht in leere Idealität; -- ausser-
dem frühe kleinere Passionsbilder, grandiose Halbfiguren von Aposteln
und Heiligen; Christus und Thomas; endlich eine herrliche grosse Ma-
donna mit Heiligen (1522), welche in der ganzen Behandlung, auch
in der trefflichen Landschaft, an die Ferraresen erinnert. (Von ihm
cund Brusasorci sind auch die kleinen Landschaften in S. M. in organo,
S. 272, a, mit hohen und schönen Horizonten, im Ton eher kalt als
venezianisch oder flandrisch, mit biblischen Scenen staffirt.) Einige
dschöne Bilder in der Sacristei von S. Anastasia (Paulus mit andern
Heiligen und Andächtigen; die von Engeln emporgetragene Magdalena)
eund in einer Nebencapelle links an SS. Nazaro e Celso (grosse Taufe
Christi). -- Giolfino's Sachen in der Pinacoteca sind minder be-
fdeutend als der 4. Alt. l. in S. Anastasia, wenigstens dessen Neben-
gmalereien. Fresken in S. M. in organo. -- Die zum Theil ganz be-
sonders schönen Fassadenmalereien dieser Meister sind verzeichnet
S. 297 u. 298.


Mitten im höchsten allgemeinen Aufblühen erhebt sich ein Maler,
welcher die Grundlagen und Ziele seiner Kunst ganz anders auffasst,
als alle Übrigen: Antonio Allegri da Coreggio (1494--1534),
Schüler des Francesco Mantegna und des Bianchi Ferrari (S. 820).
Es giebt Gemüther, welche er absolut zurückstösst und welche das
Recht haben, ihn zu hassen. Immerhin möge man die Stätte seiner
Wirksamkeit, Parma, besuchen, wo möglich bei hellem Wetter, wäre
es auch nur um der sonstigen Kunstschätze und um der freund-

Malerei des XVI. Jahrhunderts. Verona.
amalung einer Anbetung der Hirten ist eine unscheinbare und doch
herrliche Schöpfung; der Geist Lionardo’s berührt die Schule des
Mantegna; — ebenda eine andere Anbetung des Kindes, eine thro-
nende Madonna mit Heiligen auf Wolken, u. A. m. Weit das Wich-
btigste in S. Eufemia. — Von Cavazzola enthält die Pinacoteca das
grosse Hauptwerk (1517) einer Passion in drei Bildern; wiederum
ein wunderbarer Übergang aus dem Realismus des XV. Jahrh. in die
edle, freie Charakteristik des XVI., nicht in leere Idealität; — ausser-
dem frühe kleinere Passionsbilder, grandiose Halbfiguren von Aposteln
und Heiligen; Christus und Thomas; endlich eine herrliche grosse Ma-
donna mit Heiligen (1522), welche in der ganzen Behandlung, auch
in der trefflichen Landschaft, an die Ferraresen erinnert. (Von ihm
cund Brusasorci sind auch die kleinen Landschaften in S. M. in organo,
S. 272, a, mit hohen und schönen Horizonten, im Ton eher kalt als
venezianisch oder flandrisch, mit biblischen Scenen staffirt.) Einige
dschöne Bilder in der Sacristei von S. Anastasia (Paulus mit andern
Heiligen und Andächtigen; die von Engeln emporgetragene Magdalena)
eund in einer Nebencapelle links an SS. Nazaro e Celso (grosse Taufe
Christi). — Giolfino’s Sachen in der Pinacoteca sind minder be-
fdeutend als der 4. Alt. l. in S. Anastasia, wenigstens dessen Neben-
gmalereien. Fresken in S. M. in organo. — Die zum Theil ganz be-
sonders schönen Fassadenmalereien dieser Meister sind verzeichnet
S. 297 u. 298.


Mitten im höchsten allgemeinen Aufblühen erhebt sich ein Maler,
welcher die Grundlagen und Ziele seiner Kunst ganz anders auffasst,
als alle Übrigen: Antonio Allegri da Coreggio (1494—1534),
Schüler des Francesco Mantegna und des Bianchi Ferrari (S. 820).
Es giebt Gemüther, welche er absolut zurückstösst und welche das
Recht haben, ihn zu hassen. Immerhin möge man die Stätte seiner
Wirksamkeit, Parma, besuchen, wo möglich bei hellem Wetter, wäre
es auch nur um der sonstigen Kunstschätze und um der freund-

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[950/0972] Malerei des XVI. Jahrhunderts. Verona. malung einer Anbetung der Hirten ist eine unscheinbare und doch herrliche Schöpfung; der Geist Lionardo’s berührt die Schule des Mantegna; — ebenda eine andere Anbetung des Kindes, eine thro- nende Madonna mit Heiligen auf Wolken, u. A. m. Weit das Wich- tigste in S. Eufemia. — Von Cavazzola enthält die Pinacoteca das grosse Hauptwerk (1517) einer Passion in drei Bildern; wiederum ein wunderbarer Übergang aus dem Realismus des XV. Jahrh. in die edle, freie Charakteristik des XVI., nicht in leere Idealität; — ausser- dem frühe kleinere Passionsbilder, grandiose Halbfiguren von Aposteln und Heiligen; Christus und Thomas; endlich eine herrliche grosse Ma- donna mit Heiligen (1522), welche in der ganzen Behandlung, auch in der trefflichen Landschaft, an die Ferraresen erinnert. (Von ihm und Brusasorci sind auch die kleinen Landschaften in S. M. in organo, S. 272, a, mit hohen und schönen Horizonten, im Ton eher kalt als venezianisch oder flandrisch, mit biblischen Scenen staffirt.) Einige schöne Bilder in der Sacristei von S. Anastasia (Paulus mit andern Heiligen und Andächtigen; die von Engeln emporgetragene Magdalena) und in einer Nebencapelle links an SS. Nazaro e Celso (grosse Taufe Christi). — Giolfino’s Sachen in der Pinacoteca sind minder be- deutend als der 4. Alt. l. in S. Anastasia, wenigstens dessen Neben- malereien. Fresken in S. M. in organo. — Die zum Theil ganz be- sonders schönen Fassadenmalereien dieser Meister sind verzeichnet S. 297 u. 298. a b c d e f g Mitten im höchsten allgemeinen Aufblühen erhebt sich ein Maler, welcher die Grundlagen und Ziele seiner Kunst ganz anders auffasst, als alle Übrigen: Antonio Allegri da Coreggio (1494—1534), Schüler des Francesco Mantegna und des Bianchi Ferrari (S. 820). Es giebt Gemüther, welche er absolut zurückstösst und welche das Recht haben, ihn zu hassen. Immerhin möge man die Stätte seiner Wirksamkeit, Parma, besuchen, wo möglich bei hellem Wetter, wäre es auch nur um der sonstigen Kunstschätze und um der freund-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 950. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/972>, abgerufen am 18.07.2024.