pie im Pal. Spada zu Rom. Unfähig, den Sieg von Argumenten über Argumente darzustellen, gab die Malerei hier den Sieg himmlischer Reinheit und Schönheit über das Befangene und Gemeine. Beschrän- kung des Letztern auf wenige Halbfiguren, mit welchen die bedeut- sam vortretende Hauptgestalt sich kaum beschäftigt. (Sonst nur all- zuoft ein Kind in einer grossen Tempelhalle, verloren unter einer Schaar von Menschen, die doch am Ende ihre Majorität auf rohe Art beweisen könnten.)
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Ein kleiner segnender Christus, vielleicht am ehesten von Salaino ausgeführt, in der Gal. Borghese, scheint ein unmittelbarer Gedanke des Meisters zu sein.
Von dem berühmten Bilde der heil. Anna, auf deren Kniee die sich zu den Kindern abwärts neigende Maria sitzt, ist selbst das Ge- mälde im Louvre nur eine Ausführung von Schülerhand. Eine klei- bnere, von Salaino, in den Uffizien, erscheint im Ausdruck so holdselig als irgend ein Bild des Meisters, auch mit grosser Liebe ausgeführt, offenbart aber nur um so klarer, wie tief die Schüler in der Zeich- nung und Modellirung unter ihrem Vorbilde standen.
Ein Originalwerk L.'s ist endlich die braune Untermalung einer cAnbetung der Könige, in den Uffizien; überfüllt, theilweise nur erster Entwurf, aber hochbedeutend durch den Contrast der rituellen Andacht in den vorn Knieenden mit der leidenschaftlichen in den Nachdrängenden. Fülle des Lebens auf strenger und grossartiger Grundlage.
Von demjenigen Werke, durch welches Lionardo am stärksten auf seine Zeitgenossen wirkte, von dem 1503 und 4 gezeichneten Carton der Schlacht bei Anghiari (für den grosssen Saal im Pal. vec- chio zu Florenz), ist nur die Erinnerung an eine einzige Gruppe im Kupferstich gerettet.
Endlich hatte er schon vor 1499 zu Mailand das weltberühmte dAbendmahl im Refectorium des Klosters von S. Maria delle grazie vollendet. (Bestes Licht: um Mittag?) Der ruinöse Zustand, der schon früh im XVI. Jahrhundert begann, hat seine einzige Haupt- ursache darin, dass L. das Werk in Öl auf die Mauer gemalt hatte. (Das gegenüberstehende Fresco eines mittelmässigen alten Mailänders, Montorfano, ist ganz gut erhalten.) Schmähliche Übermalungen, zu-
Malerei des XVI. Jahrhunderts. Lionardo.
pie im Pal. Spada zu Rom. Unfähig, den Sieg von Argumenten über Argumente darzustellen, gab die Malerei hier den Sieg himmlischer Reinheit und Schönheit über das Befangene und Gemeine. Beschrän- kung des Letztern auf wenige Halbfiguren, mit welchen die bedeut- sam vortretende Hauptgestalt sich kaum beschäftigt. (Sonst nur all- zuoft ein Kind in einer grossen Tempelhalle, verloren unter einer Schaar von Menschen, die doch am Ende ihre Majorität auf rohe Art beweisen könnten.)
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Ein kleiner segnender Christus, vielleicht am ehesten von Salaino ausgeführt, in der Gal. Borghese, scheint ein unmittelbarer Gedanke des Meisters zu sein.
Von dem berühmten Bilde der heil. Anna, auf deren Kniee die sich zu den Kindern abwärts neigende Maria sitzt, ist selbst das Ge- mälde im Louvre nur eine Ausführung von Schülerhand. Eine klei- bnere, von Salaino, in den Uffizien, erscheint im Ausdruck so holdselig als irgend ein Bild des Meisters, auch mit grosser Liebe ausgeführt, offenbart aber nur um so klarer, wie tief die Schüler in der Zeich- nung und Modellirung unter ihrem Vorbilde standen.
Ein Originalwerk L.’s ist endlich die braune Untermalung einer cAnbetung der Könige, in den Uffizien; überfüllt, theilweise nur erster Entwurf, aber hochbedeutend durch den Contrast der rituellen Andacht in den vorn Knieenden mit der leidenschaftlichen in den Nachdrängenden. Fülle des Lebens auf strenger und grossartiger Grundlage.
Von demjenigen Werke, durch welches Lionardo am stärksten auf seine Zeitgenossen wirkte, von dem 1503 und 4 gezeichneten Carton der Schlacht bei Anghiari (für den grosssen Saal im Pal. vec- chio zu Florenz), ist nur die Erinnerung an eine einzige Gruppe im Kupferstich gerettet.
Endlich hatte er schon vor 1499 zu Mailand das weltberühmte dAbendmahl im Refectorium des Klosters von S. Maria delle grazie vollendet. (Bestes Licht: um Mittag?) Der ruinöse Zustand, der schon früh im XVI. Jahrhundert begann, hat seine einzige Haupt- ursache darin, dass L. das Werk in Öl auf die Mauer gemalt hatte. (Das gegenüberstehende Fresco eines mittelmässigen alten Mailänders, Montorfano, ist ganz gut erhalten.) Schmähliche Übermalungen, zu-
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Malerei des XVI. Jahrhunderts. Lionardo.
pie im Pal. Spada zu Rom. Unfähig, den Sieg von Argumenten über
Argumente darzustellen, gab die Malerei hier den Sieg himmlischer
Reinheit und Schönheit über das Befangene und Gemeine. Beschrän-
kung des Letztern auf wenige Halbfiguren, mit welchen die bedeut-
sam vortretende Hauptgestalt sich kaum beschäftigt. (Sonst nur all-
zuoft ein Kind in einer grossen Tempelhalle, verloren unter einer
Schaar von Menschen, die doch am Ende ihre Majorität auf rohe Art
beweisen könnten.)
Ein kleiner segnender Christus, vielleicht am ehesten von Salaino
ausgeführt, in der Gal. Borghese, scheint ein unmittelbarer Gedanke
des Meisters zu sein.
Von dem berühmten Bilde der heil. Anna, auf deren Kniee die
sich zu den Kindern abwärts neigende Maria sitzt, ist selbst das Ge-
mälde im Louvre nur eine Ausführung von Schülerhand. Eine klei-
nere, von Salaino, in den Uffizien, erscheint im Ausdruck so holdselig
als irgend ein Bild des Meisters, auch mit grosser Liebe ausgeführt,
offenbart aber nur um so klarer, wie tief die Schüler in der Zeich-
nung und Modellirung unter ihrem Vorbilde standen.
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Ein Originalwerk L.’s ist endlich die braune Untermalung einer
Anbetung der Könige, in den Uffizien; überfüllt, theilweise nur
erster Entwurf, aber hochbedeutend durch den Contrast der rituellen
Andacht in den vorn Knieenden mit der leidenschaftlichen in den
Nachdrängenden. Fülle des Lebens auf strenger und grossartiger
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Von demjenigen Werke, durch welches Lionardo am stärksten
auf seine Zeitgenossen wirkte, von dem 1503 und 4 gezeichneten
Carton der Schlacht bei Anghiari (für den grosssen Saal im Pal. vec-
chio zu Florenz), ist nur die Erinnerung an eine einzige Gruppe im
Kupferstich gerettet.
Endlich hatte er schon vor 1499 zu Mailand das weltberühmte
Abendmahl im Refectorium des Klosters von S. Maria delle grazie
vollendet. (Bestes Licht: um Mittag?) Der ruinöse Zustand, der
schon früh im XVI. Jahrhundert begann, hat seine einzige Haupt-
ursache darin, dass L. das Werk in Öl auf die Mauer gemalt hatte.
(Das gegenüberstehende Fresco eines mittelmässigen alten Mailänders,
Montorfano, ist ganz gut erhalten.) Schmähliche Übermalungen, zu-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 864. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/886>, abgerufen am 18.12.2024.
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