beginnt darin dasjenige höhere Liniengefühl, diejenige Vereinfachung, welche in Rafael ihre Vollendung findet. Von dem florentinisch Häusli- chen früherer Madonnen z. B. ist darin nur noch ein Nachklang. -- Die bedeutendsten Werke sind wiederum im Ausland, und von den in Italien befindlichen blieben die der mailändischen Privatgalerien dem Verfasser unbekannt. (Madonna des Hauses Araciel in Mailand; einea Mater dolorosa; wahrscheinlich auch Wiederholungen der Vierge au bas- relief; Porträts etc.) Von den in Italien vorhandenen Werken aber sind nur noch sehr wenige als Originale anerkannt; weit die meisten gelten entweder als Arbeiten der Schüler nach Entwürfen und Gedanken Lionardo's oder geradezu als Copien derselben nach vollendeten Wer- ken seiner Hand.
Diese Schüler, deren eigene Werke mit den Formen und Motiven L.'s noch ganz erfüllt sind, hatten sich ihm in Mailand angeschlossen; hier kommen vorerst Bernardino Luini und Andrea Salaino am meisten in Betracht.
Ein Originalwerk Lionardo's ist zunächst das Fresco der Ma-b donna mit einem Donator auf Goldgrund, in einem obern Gang des Klosters S. Onofrio zu Rom (1482?); noch am meisten florentinisch, sodass sich der Mitschüler des L. di Credi zu erkennen giebt.
Eine Madonna, die sich in der Gal. Borghese befinden soll (? --c neben ihr eine Wasserflasche mit Blumen) gilt ebenfalls noch als frühes Werk.
In der Brera zu Mailand gilt nur eine unvollendete Madonna alsd eigenhändiges Werk.
"Eitelkeit und Bescheidenheit", im Pal. Sciarra zu Rom, verra-e then durch die verschwimmende Modellirung die Hand des Luini, nach den nicht sehr schön, in Parallelen und rechten Winkeln geordneten Händen zu urtheilen ist auch das Arrangement wenigstens dieser Theile schwerlich von Lionardo angegeben. Die Charaktere sind unerschöpf- lich schön.
Von der Halbfigur Johannis d. T. (Louvre), mit dem hochschwär- merischen Ausdruck, giebt keine der in Italien vorhandenen Copien einen würdigen Begriff, selbst die mailändischen nicht.
"Christus unter den Schriftgelehrten", ein Halbfigurenbild; das inf England befindliche Original nur von Luini ausgeführt; eine gute Co-
Bildnisse. Madonnen. Halbfigurenbilder.
beginnt darin dasjenige höhere Liniengefühl, diejenige Vereinfachung, welche in Rafael ihre Vollendung findet. Von dem florentinisch Häusli- chen früherer Madonnen z. B. ist darin nur noch ein Nachklang. — Die bedeutendsten Werke sind wiederum im Ausland, und von den in Italien befindlichen blieben die der mailändischen Privatgalerien dem Verfasser unbekannt. (Madonna des Hauses Araciel in Mailand; einea Mater dolorosa; wahrscheinlich auch Wiederholungen der Vierge au bas- relief; Porträts etc.) Von den in Italien vorhandenen Werken aber sind nur noch sehr wenige als Originale anerkannt; weit die meisten gelten entweder als Arbeiten der Schüler nach Entwürfen und Gedanken Lionardo’s oder geradezu als Copien derselben nach vollendeten Wer- ken seiner Hand.
Diese Schüler, deren eigene Werke mit den Formen und Motiven L.’s noch ganz erfüllt sind, hatten sich ihm in Mailand angeschlossen; hier kommen vorerst Bernardino Luini und Andrea Salaino am meisten in Betracht.
Ein Originalwerk Lionardo’s ist zunächst das Fresco der Ma-b donna mit einem Donator auf Goldgrund, in einem obern Gang des Klosters S. Onofrio zu Rom (1482?); noch am meisten florentinisch, sodass sich der Mitschüler des L. di Credi zu erkennen giebt.
Eine Madonna, die sich in der Gal. Borghese befinden soll (? —c neben ihr eine Wasserflasche mit Blumen) gilt ebenfalls noch als frühes Werk.
In der Brera zu Mailand gilt nur eine unvollendete Madonna alsd eigenhändiges Werk.
„Eitelkeit und Bescheidenheit“, im Pal. Sciarra zu Rom, verra-e then durch die verschwimmende Modellirung die Hand des Luini, nach den nicht sehr schön, in Parallelen und rechten Winkeln geordneten Händen zu urtheilen ist auch das Arrangement wenigstens dieser Theile schwerlich von Lionardo angegeben. Die Charaktere sind unerschöpf- lich schön.
Von der Halbfigur Johannis d. T. (Louvre), mit dem hochschwär- merischen Ausdruck, giebt keine der in Italien vorhandenen Copien einen würdigen Begriff, selbst die mailändischen nicht.
„Christus unter den Schriftgelehrten“, ein Halbfigurenbild; das inf England befindliche Original nur von Luini ausgeführt; eine gute Co-
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Bildnisse. Madonnen. Halbfigurenbilder.
beginnt darin dasjenige höhere Liniengefühl, diejenige Vereinfachung,
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chen früherer Madonnen z. B. ist darin nur noch ein Nachklang. —
Die bedeutendsten Werke sind wiederum im Ausland, und von den in
Italien befindlichen blieben die der mailändischen Privatgalerien dem
Verfasser unbekannt. (Madonna des Hauses Araciel in Mailand; eine
Mater dolorosa; wahrscheinlich auch Wiederholungen der Vierge au bas-
relief; Porträts etc.) Von den in Italien vorhandenen Werken aber sind
nur noch sehr wenige als Originale anerkannt; weit die meisten gelten
entweder als Arbeiten der Schüler nach Entwürfen und Gedanken
Lionardo’s oder geradezu als Copien derselben nach vollendeten Wer-
ken seiner Hand.
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Diese Schüler, deren eigene Werke mit den Formen und Motiven
L.’s noch ganz erfüllt sind, hatten sich ihm in Mailand angeschlossen;
hier kommen vorerst Bernardino Luini und Andrea Salaino
am meisten in Betracht.
Ein Originalwerk Lionardo’s ist zunächst das Fresco der Ma-
donna mit einem Donator auf Goldgrund, in einem obern Gang des
Klosters S. Onofrio zu Rom (1482?); noch am meisten florentinisch,
sodass sich der Mitschüler des L. di Credi zu erkennen giebt.
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Eine Madonna, die sich in der Gal. Borghese befinden soll (? —
neben ihr eine Wasserflasche mit Blumen) gilt ebenfalls noch als frühes
Werk.
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In der Brera zu Mailand gilt nur eine unvollendete Madonna als
eigenhändiges Werk.
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„Eitelkeit und Bescheidenheit“, im Pal. Sciarra zu Rom, verra-
then durch die verschwimmende Modellirung die Hand des Luini, nach
den nicht sehr schön, in Parallelen und rechten Winkeln geordneten
Händen zu urtheilen ist auch das Arrangement wenigstens dieser Theile
schwerlich von Lionardo angegeben. Die Charaktere sind unerschöpf-
lich schön.
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Von der Halbfigur Johannis d. T. (Louvre), mit dem hochschwär-
merischen Ausdruck, giebt keine der in Italien vorhandenen Copien
einen würdigen Begriff, selbst die mailändischen nicht.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 863. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/885>, abgerufen am 18.12.2024.
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