Im Dom von Siena ist das Glasgemälde des grossen vordern Rundfensters -- ein Abendmahl -- von Pastorino Miccheli 1549 nach einer etwas manierirten und wiederum für diese Gattung wenig passenden Composition des Perin del Vaga ausgeführt.
Im Grunde passte die ganze Gattung von jeher sehr wenig zu dem überwiegenden Interesse, welches in Italien der kirchlichen Fresco- und Tafelmalerei zugewandt war; sie hat auch in der Regel den Cha- rakter einer Luxuszuthat. -- In den oben (S. 289) erwähnten Fenstern die dem Giovanni da Udine zugeschrieben werden, handelt es sich endlich nur um Arabesken, welche den decorativen Eindruck eines Raumes zu vervollständigen bestimmt sind.
[Abbildung]
Nicht auf Anregung irgend eines äussern Vorbildes, z. B. nicht auf genauere Nachahmung des Alterthums hin, sondern aus eigenen Kräf- ten erstieg die Kunst seit dem Ende des XV. Jahrh. die höchste Stufe, die zu erreichen ihr beschieden war. Mitten aus dem Studium des Lebens und des Charakters, welches die Aufgabe dieses Jahrhunderts gewesen war, erhebt sich neugeboren die vollendete Schönheit. Nicht mehr als blosse Andeutung und Absicht, sondern als Erfüllung tritt sie uns entgegen; erst als die Malerei des XV. Jahrh. jeder Lebens- äusserung gewachsen war, da schuf sie, vereinfacht und unendlich bereichert zugleich, auch dieses höchste Leben.
Da und dort taucht es auf, unerwartet, strahlenweise, nicht als blosse Frucht eines consequenten Strebens, sondern als Gabe des Him- mels. Die Zeit war gekommen. Aus den tausend als darstellbar er- wiesenen Elementen, aus der Breite des Lebens, welche von Masaccio bis auf Signorelli das Gebiet der Kunst ausgemacht hatte, aus Zeit und Natur sammeln die grossen Meister das Ewige zu unvergänglichen Kunstwerken, Jeder in seiner Art, so dass das eine Schöne das an- dere nicht ausschliesst, sondern Alles zusammen eine vielgestaltige Offenbarung des Höchsten bildet. Es ist wohl nur eine kurze Zeit der vollen Blüthe, und auch während derselben dauert die Thätigkeit der Zurückgebliebenen fort, unter welchen wir tüchtige und selbst
Malerei des XVI. Jahrhunderts.
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Im Dom von Siena ist das Glasgemälde des grossen vordern Rundfensters — ein Abendmahl — von Pastorino Miccheli 1549 nach einer etwas manierirten und wiederum für diese Gattung wenig passenden Composition des Perin del Vaga ausgeführt.
Im Grunde passte die ganze Gattung von jeher sehr wenig zu dem überwiegenden Interesse, welches in Italien der kirchlichen Fresco- und Tafelmalerei zugewandt war; sie hat auch in der Regel den Cha- rakter einer Luxuszuthat. — In den oben (S. 289) erwähnten Fenstern die dem Giovanni da Udine zugeschrieben werden, handelt es sich endlich nur um Arabesken, welche den decorativen Eindruck eines Raumes zu vervollständigen bestimmt sind.
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Nicht auf Anregung irgend eines äussern Vorbildes, z. B. nicht auf genauere Nachahmung des Alterthums hin, sondern aus eigenen Kräf- ten erstieg die Kunst seit dem Ende des XV. Jahrh. die höchste Stufe, die zu erreichen ihr beschieden war. Mitten aus dem Studium des Lebens und des Charakters, welches die Aufgabe dieses Jahrhunderts gewesen war, erhebt sich neugeboren die vollendete Schönheit. Nicht mehr als blosse Andeutung und Absicht, sondern als Erfüllung tritt sie uns entgegen; erst als die Malerei des XV. Jahrh. jeder Lebens- äusserung gewachsen war, da schuf sie, vereinfacht und unendlich bereichert zugleich, auch dieses höchste Leben.
Da und dort taucht es auf, unerwartet, strahlenweise, nicht als blosse Frucht eines consequenten Strebens, sondern als Gabe des Him- mels. Die Zeit war gekommen. Aus den tausend als darstellbar er- wiesenen Elementen, aus der Breite des Lebens, welche von Masaccio bis auf Signorelli das Gebiet der Kunst ausgemacht hatte, aus Zeit und Natur sammeln die grossen Meister das Ewige zu unvergänglichen Kunstwerken, Jeder in seiner Art, so dass das eine Schöne das an- dere nicht ausschliesst, sondern Alles zusammen eine vielgestaltige Offenbarung des Höchsten bildet. Es ist wohl nur eine kurze Zeit der vollen Blüthe, und auch während derselben dauert die Thätigkeit der Zurückgebliebenen fort, unter welchen wir tüchtige und selbst
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Malerei des XVI. Jahrhunderts.
Im Dom von Siena ist das Glasgemälde des grossen vordern
Rundfensters — ein Abendmahl — von Pastorino Miccheli 1549
nach einer etwas manierirten und wiederum für diese Gattung wenig
passenden Composition des Perin del Vaga ausgeführt.
Im Grunde passte die ganze Gattung von jeher sehr wenig zu
dem überwiegenden Interesse, welches in Italien der kirchlichen Fresco-
und Tafelmalerei zugewandt war; sie hat auch in der Regel den Cha-
rakter einer Luxuszuthat. — In den oben (S. 289) erwähnten Fenstern
die dem Giovanni da Udine zugeschrieben werden, handelt es
sich endlich nur um Arabesken, welche den decorativen Eindruck
eines Raumes zu vervollständigen bestimmt sind.
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Nicht auf Anregung irgend eines äussern Vorbildes, z. B. nicht auf
genauere Nachahmung des Alterthums hin, sondern aus eigenen Kräf-
ten erstieg die Kunst seit dem Ende des XV. Jahrh. die höchste Stufe,
die zu erreichen ihr beschieden war. Mitten aus dem Studium des
Lebens und des Charakters, welches die Aufgabe dieses Jahrhunderts
gewesen war, erhebt sich neugeboren die vollendete Schönheit. Nicht
mehr als blosse Andeutung und Absicht, sondern als Erfüllung tritt
sie uns entgegen; erst als die Malerei des XV. Jahrh. jeder Lebens-
äusserung gewachsen war, da schuf sie, vereinfacht und unendlich
bereichert zugleich, auch dieses höchste Leben.
Da und dort taucht es auf, unerwartet, strahlenweise, nicht als
blosse Frucht eines consequenten Strebens, sondern als Gabe des Him-
mels. Die Zeit war gekommen. Aus den tausend als darstellbar er-
wiesenen Elementen, aus der Breite des Lebens, welche von Masaccio
bis auf Signorelli das Gebiet der Kunst ausgemacht hatte, aus Zeit und
Natur sammeln die grossen Meister das Ewige zu unvergänglichen
Kunstwerken, Jeder in seiner Art, so dass das eine Schöne das an-
dere nicht ausschliesst, sondern Alles zusammen eine vielgestaltige
Offenbarung des Höchsten bildet. Es ist wohl nur eine kurze Zeit
der vollen Blüthe, und auch während derselben dauert die Thätigkeit
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 858. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/880>, abgerufen am 18.12.2024.
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