Auf die Architektur und bauliche Decoration der Alten folgt zunächst eine Classe von Denkmälern, in welchen das architekto- nische Gefühl, seiner ernsten Aufgaben entledigt, in freiern Formen ausblühen darf. Wir meinen die marmornen Prachtgeräthe der Tempel und Paläste: Candelaber, Throne, Tische, Kelchvasen, Becken, Dreifüsse und Untersätze derselben. Der Stoff und meist auch die Be- stimmung geboten eine feierliche Würde, einen Reichthum ohne eigent- liche Spielerei. Es sind die Zierformen der Architektur, nur so wei- ter entwickelt, wie sie sich, abgelöst von ihren sonstigen mechanischen Functionen, entwickeln konnten. Man sehe z. B. den prachtvollen avaticanischen Candelaber (Galeria delle Statue, nahe bei der Kleopatra); in solchen reichgeschwungenen Blättern muss der Akan- thus sich auswachsen, wenn er nicht als korinthisches Capitäl ein Ge- bälk zu tragen hat! Man vergleiche die Stützen mancher Becken und Kandelaber mit den Tempelsäulen, und man wird dort der stark aus- gebauchten, unten wieder eingezogenen Form und den schräg ringsum laufenden Cannelirungen ihr Recht zugestehen müssen, indem die Stütze der freien Zierlichkeit des Gestützten entsprechen musste.
Andere Bestandtheile dieser Werke sind natürlich rein decorati- ver Art, doch herrscht immer ein architektonisches Grundgefühl vor und hütet den Reichthum vor dem Schwulst und der Zerstreuung. Schon die Reliefdarstellungen an vielen dieser Geräthe verlangten, wenn sie wirken sollten, eine weise Beschränkung des bloss Decorativen.
Die Füsse, wo sie erhalten sind, stellen bekanntlich Löwenfüsse vor, stark und elastisch, nicht als lahme Tatzen gebildet. An Thronen und Tischen setzt sich der Löwenfuss als Profilverzierung in schönem Schwung bis über das Kniegelenk fort; dort löst sich die Löwenhaut etwa in Gestalt von Akanthusblättern ab und der Oberleib einer Sphinx oder ein Löwenhaupt oder das eines bärtigen Greifes tritt als Stütze oder Bekrönung darüber hervor; die Flügel an der Sphinx oder am Löwenleib dienen dann als Verzierung der betreffenden Seitenwand. Die horizontalen Gesimse sind durchgängig sehr zart, als blosser archi- tektonischer Anklang gebildet; ihre Bekrönungen dagegen mit Recht reicher, etwa als Palmettenkranz. Eine gottesdienstliche Beziehung, direct auf Opfer gehend, liegt in den oft sehr schön stylisirten Wid- derköpfen auf den Ecken. -- In den Formen der Vasen herrschen unten
Antike Decoration. Marmorne Prachtgeräthe.
Auf die Architektur und bauliche Decoration der Alten folgt zunächst eine Classe von Denkmälern, in welchen das architekto- nische Gefühl, seiner ernsten Aufgaben entledigt, in freiern Formen ausblühen darf. Wir meinen die marmornen Prachtgeräthe der Tempel und Paläste: Candelaber, Throne, Tische, Kelchvasen, Becken, Dreifüsse und Untersätze derselben. Der Stoff und meist auch die Be- stimmung geboten eine feierliche Würde, einen Reichthum ohne eigent- liche Spielerei. Es sind die Zierformen der Architektur, nur so wei- ter entwickelt, wie sie sich, abgelöst von ihren sonstigen mechanischen Functionen, entwickeln konnten. Man sehe z. B. den prachtvollen avaticanischen Candelaber (Galeria delle Statue, nahe bei der Kleopatra); in solchen reichgeschwungenen Blättern muss der Akan- thus sich auswachsen, wenn er nicht als korinthisches Capitäl ein Ge- bälk zu tragen hat! Man vergleiche die Stützen mancher Becken und Kandelaber mit den Tempelsäulen, und man wird dort der stark aus- gebauchten, unten wieder eingezogenen Form und den schräg ringsum laufenden Cannelirungen ihr Recht zugestehen müssen, indem die Stütze der freien Zierlichkeit des Gestützten entsprechen musste.
Andere Bestandtheile dieser Werke sind natürlich rein decorati- ver Art, doch herrscht immer ein architektonisches Grundgefühl vor und hütet den Reichthum vor dem Schwulst und der Zerstreuung. Schon die Reliefdarstellungen an vielen dieser Geräthe verlangten, wenn sie wirken sollten, eine weise Beschränkung des bloss Decorativen.
Die Füsse, wo sie erhalten sind, stellen bekanntlich Löwenfüsse vor, stark und elastisch, nicht als lahme Tatzen gebildet. An Thronen und Tischen setzt sich der Löwenfuss als Profilverzierung in schönem Schwung bis über das Kniegelenk fort; dort löst sich die Löwenhaut etwa in Gestalt von Akanthusblättern ab und der Oberleib einer Sphinx oder ein Löwenhaupt oder das eines bärtigen Greifes tritt als Stütze oder Bekrönung darüber hervor; die Flügel an der Sphinx oder am Löwenleib dienen dann als Verzierung der betreffenden Seitenwand. Die horizontalen Gesimse sind durchgängig sehr zart, als blosser archi- tektonischer Anklang gebildet; ihre Bekrönungen dagegen mit Recht reicher, etwa als Palmettenkranz. Eine gottesdienstliche Beziehung, direct auf Opfer gehend, liegt in den oft sehr schön stylisirten Wid- derköpfen auf den Ecken. — In den Formen der Vasen herrschen unten
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Antike Decoration. Marmorne Prachtgeräthe.
Auf die Architektur und bauliche Decoration der Alten folgt
zunächst eine Classe von Denkmälern, in welchen das architekto-
nische Gefühl, seiner ernsten Aufgaben entledigt, in freiern Formen
ausblühen darf. Wir meinen die marmornen Prachtgeräthe der
Tempel und Paläste: Candelaber, Throne, Tische, Kelchvasen, Becken,
Dreifüsse und Untersätze derselben. Der Stoff und meist auch die Be-
stimmung geboten eine feierliche Würde, einen Reichthum ohne eigent-
liche Spielerei. Es sind die Zierformen der Architektur, nur so wei-
ter entwickelt, wie sie sich, abgelöst von ihren sonstigen mechanischen
Functionen, entwickeln konnten. Man sehe z. B. den prachtvollen
vaticanischen Candelaber (Galeria delle Statue, nahe bei der
Kleopatra); in solchen reichgeschwungenen Blättern muss der Akan-
thus sich auswachsen, wenn er nicht als korinthisches Capitäl ein Ge-
bälk zu tragen hat! Man vergleiche die Stützen mancher Becken und
Kandelaber mit den Tempelsäulen, und man wird dort der stark aus-
gebauchten, unten wieder eingezogenen Form und den schräg ringsum
laufenden Cannelirungen ihr Recht zugestehen müssen, indem die Stütze
der freien Zierlichkeit des Gestützten entsprechen musste.
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Andere Bestandtheile dieser Werke sind natürlich rein decorati-
ver Art, doch herrscht immer ein architektonisches Grundgefühl vor
und hütet den Reichthum vor dem Schwulst und der Zerstreuung.
Schon die Reliefdarstellungen an vielen dieser Geräthe verlangten, wenn
sie wirken sollten, eine weise Beschränkung des bloss Decorativen.
Die Füsse, wo sie erhalten sind, stellen bekanntlich Löwenfüsse
vor, stark und elastisch, nicht als lahme Tatzen gebildet. An Thronen
und Tischen setzt sich der Löwenfuss als Profilverzierung in schönem
Schwung bis über das Kniegelenk fort; dort löst sich die Löwenhaut
etwa in Gestalt von Akanthusblättern ab und der Oberleib einer Sphinx
oder ein Löwenhaupt oder das eines bärtigen Greifes tritt als Stütze
oder Bekrönung darüber hervor; die Flügel an der Sphinx oder am
Löwenleib dienen dann als Verzierung der betreffenden Seitenwand.
Die horizontalen Gesimse sind durchgängig sehr zart, als blosser archi-
tektonischer Anklang gebildet; ihre Bekrönungen dagegen mit Recht
reicher, etwa als Palmettenkranz. Eine gottesdienstliche Beziehung,
direct auf Opfer gehend, liegt in den oft sehr schön stylisirten Wid-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/88>, abgerufen am 05.12.2024.
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