lange Anstrengung eines grossen Geistes gar nicht erreicht worden wäre. Aber auch nach einem absoluten Massstab gemessen behalten diese Gemälde einen hohen Werth. Die Formen, ohne alle Idealität, aber auch ohne abstracte Leere, entsprechen -- namentlich in den Bildern wo die Phantasterei der Jugend überwunden ist -- im voll- kommensten Grade Dem, was Er damit ausdrücken wollte; sie sind das angemessenste Gewand für seine Art von Idealismus. Alles selbst erworben! ein Mensch und ein Styl, die jeden Augenblick identisch sind! Wie viele im XVI. Jahrh. können sich dessen rüh- men? Wie haben sie einander, ganze Schulen entlang, die Empfindungs- und Ausdrucksweise nachgebetet?
Von Dürers Schülern ist Hans Schäuffelin in den Uffiziena durch 8 Bilder mit der Legende des Petrus und Paulus vertreten, welche zu seinen besten Arbeiten gehören. Die Schüler warfen sich wieder in das Phantastische, dessen sich Dürer mit grosser Anstren- gung allmälig entledigt hatte. Bei Albrecht Altdorfer, welchem zwei artige Bilder der Academie von Siena angehören könnten, ge-b winnt dasselbe sogar eine ganz angenehm-abenteuerliche Gestalt, zu- mal in Betreff der Landschaft. -- Dem Georg Pens wird in derc Malersammlung der Uffizien ein vortreffliches jugendliches Porträt, angeblich sein eigenes, zugeschrieben. (Sollte etwa der sog. Cesared Borgia in der Galerie Borghese zu Rom, angeblich von Rafael, sein Werk sein?)
Von Lucas Kranach findet man ein frühes und vorzügliches Bildchen (1504) im Pal. Sciarra zu Rom: die heil. Familie mit vielene singenden und springenden Engelkindern in einer phantastischen Land- schaft nach Art der fränkischen Schule. Sonst ist von ihm in Italien nur Mittelwaare: Adam und Eva in der Tribuna der Uffizien, säch-f sische Herzöge u. s. w. in einem andern Saal. Ein kleiner Ritter S. Georg in bunter Landschaft wiegt diess Alles auf.
Von ungenannten Oberdeutschen: ein vorzügliches, leider sehrg verwaschenes [C]ardinalsporträt im Museum von Neapel, fein und geist- voll aufgefasst wie irgend ein deutsches Porträt der Zeit; -- mehrere Porträts aus dem Hause Habsburg (Erzherzog Philipp, Carl V, Fer- dinand I) theils oberdeutsch, theils niederländisch, in demselben Saalh des Museums von Neapel, im Pal. Borghese zu Rom, u. a. a. O.
A. Dürer und Schule. L. Kranach d. ä.
lange Anstrengung eines grossen Geistes gar nicht erreicht worden wäre. Aber auch nach einem absoluten Massstab gemessen behalten diese Gemälde einen hohen Werth. Die Formen, ohne alle Idealität, aber auch ohne abstracte Leere, entsprechen — namentlich in den Bildern wo die Phantasterei der Jugend überwunden ist — im voll- kommensten Grade Dem, was Er damit ausdrücken wollte; sie sind das angemessenste Gewand für seine Art von Idealismus. Alles selbst erworben! ein Mensch und ein Styl, die jeden Augenblick identisch sind! Wie viele im XVI. Jahrh. können sich dessen rüh- men? Wie haben sie einander, ganze Schulen entlang, die Empfindungs- und Ausdrucksweise nachgebetet?
Von Dürers Schülern ist Hans Schäuffelin in den Uffiziena durch 8 Bilder mit der Legende des Petrus und Paulus vertreten, welche zu seinen besten Arbeiten gehören. Die Schüler warfen sich wieder in das Phantastische, dessen sich Dürer mit grosser Anstren- gung allmälig entledigt hatte. Bei Albrecht Altdorfer, welchem zwei artige Bilder der Academie von Siena angehören könnten, ge-b winnt dasselbe sogar eine ganz angenehm-abenteuerliche Gestalt, zu- mal in Betreff der Landschaft. — Dem Georg Pens wird in derc Malersammlung der Uffizien ein vortreffliches jugendliches Porträt, angeblich sein eigenes, zugeschrieben. (Sollte etwa der sog. Cesared Borgia in der Galerie Borghese zu Rom, angeblich von Rafael, sein Werk sein?)
Von Lucas Kranach findet man ein frühes und vorzügliches Bildchen (1504) im Pal. Sciarra zu Rom: die heil. Familie mit vielene singenden und springenden Engelkindern in einer phantastischen Land- schaft nach Art der fränkischen Schule. Sonst ist von ihm in Italien nur Mittelwaare: Adam und Eva in der Tribuna der Uffizien, säch-f sische Herzöge u. s. w. in einem andern Saal. Ein kleiner Ritter S. Georg in bunter Landschaft wiegt diess Alles auf.
Von ungenannten Oberdeutschen: ein vorzügliches, leider sehrg verwaschenes [C]ardinalsporträt im Museum von Neapel, fein und geist- voll aufgefasst wie irgend ein deutsches Porträt der Zeit; — mehrere Porträts aus dem Hause Habsburg (Erzherzog Philipp, Carl V, Fer- dinand I) theils oberdeutsch, theils niederländisch, in demselben Saalh des Museums von Neapel, im Pal. Borghese zu Rom, u. a. a. O.
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A. Dürer und Schule. L. Kranach d. ä.
lange Anstrengung eines grossen Geistes gar nicht erreicht worden
wäre. Aber auch nach einem absoluten Massstab gemessen behalten
diese Gemälde einen hohen Werth. Die Formen, ohne alle Idealität,
aber auch ohne abstracte Leere, entsprechen — namentlich in den
Bildern wo die Phantasterei der Jugend überwunden ist — im voll-
kommensten Grade Dem, was Er damit ausdrücken wollte; sie sind
das angemessenste Gewand für seine Art von Idealismus. Alles
selbst erworben! ein Mensch und ein Styl, die jeden Augenblick
identisch sind! Wie viele im XVI. Jahrh. können sich dessen rüh-
men? Wie haben sie einander, ganze Schulen entlang, die Empfindungs-
und Ausdrucksweise nachgebetet?
Von Dürers Schülern ist Hans Schäuffelin in den Uffizien
durch 8 Bilder mit der Legende des Petrus und Paulus vertreten,
welche zu seinen besten Arbeiten gehören. Die Schüler warfen sich
wieder in das Phantastische, dessen sich Dürer mit grosser Anstren-
gung allmälig entledigt hatte. Bei Albrecht Altdorfer, welchem
zwei artige Bilder der Academie von Siena angehören könnten, ge-
winnt dasselbe sogar eine ganz angenehm-abenteuerliche Gestalt, zu-
mal in Betreff der Landschaft. — Dem Georg Pens wird in der
Malersammlung der Uffizien ein vortreffliches jugendliches Porträt,
angeblich sein eigenes, zugeschrieben. (Sollte etwa der sog. Cesare
Borgia in der Galerie Borghese zu Rom, angeblich von Rafael, sein
Werk sein?)
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Von Lucas Kranach findet man ein frühes und vorzügliches
Bildchen (1504) im Pal. Sciarra zu Rom: die heil. Familie mit vielen
singenden und springenden Engelkindern in einer phantastischen Land-
schaft nach Art der fränkischen Schule. Sonst ist von ihm in Italien
nur Mittelwaare: Adam und Eva in der Tribuna der Uffizien, säch-
sische Herzöge u. s. w. in einem andern Saal. Ein kleiner Ritter
S. Georg in bunter Landschaft wiegt diess Alles auf.
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Von ungenannten Oberdeutschen: ein vorzügliches, leider sehr
verwaschenes Cardinalsporträt im Museum von Neapel, fein und geist-
voll aufgefasst wie irgend ein deutsches Porträt der Zeit; — mehrere
Porträts aus dem Hause Habsburg (Erzherzog Philipp, Carl V, Fer-
dinand I) theils oberdeutsch, theils niederländisch, in demselben Saal
des Museums von Neapel, im Pal. Borghese zu Rom, u. a. a. O.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 853. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/875>, abgerufen am 18.12.2024.
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