noch oft und mit immer neuem Genuss betrachten, diese Gruppen von Gefässen, Vögeln, Schilden, Meerwundern, Tempelchen, Masken, Scha- len, Fächern und Ombrellen mit Schnurwerk, Dreifüssen, Treppchen mit Opfergeräthen, Hermen u. s. w., um zu schweigen von den zahllosen menschlichen Figürchen.
Unläugbar ist in diesem ganzen pompejanischen Schmuckwesen wie in der Architektur schon Vieles, was der Ausartung, dem Barocken angehört. Nur muss man sich hüten, gleich Alles dahin zu rechnen, was nicht dem Kanon der griechischen Säulenordnungen entspricht, denn auch das scheinbar Willkürliche hat hier sein eigenes Gesetz, welches man zu errathen suchen muss.
Die spätern Schicksale dieses Styles werden allerdings bald trau- rig. Er scheint schon im II. Jahrhundert, jedenfalls im III. erstarrt zu sein. Die Mosaiken des runden Umganges von S. Costanza beia Rom zeigen, dass man zu Anfang des IV. Jahrhunderts gar nicht mehr wusste, um was es sich handelte; in dem Rankenwerk herrscht öder Wirrwarr, in den regelmässigen Feldern eine öde und steife Ein- förmigkeit. Einige gute Ornamente retten sich wohl bis tief ins Mit- telalter hinein und gewinnen stellenweise (s. unten) ein neues Leben; die Hauptbedingung dieser ganzen Productionsweise aber war unwider- bringlich dahin: nämlich die Lust des Improvisirens.
Wo diese nicht vorhanden gewesen war, da hatte auch der Pom- pejaner einst nur Kümmerliches geleistet. Man sehe nur seine meisten Mosaikornamente, bei deren Anfertigung natürlich diese Lust wegfiel. (Säulen und Brunnen im Museum, erster Saal unten links; anderes inb verschiedenen Häusern zu Pompeji selbst, u. a. in der "Casa dellac Medusa".) Ganz auffallend sticht die kindische Leblosigkeit dieser Prunksachen neben den freien Arabesken der Wände ab. Auf ähn- liche Weise hat später das Mosaik, als es vorherrschende Geltung er- langte, das Leben der Historienmalerei getödtet. Diess hindert nicht, dass aus früherer Zeit einzelne ganz ausgezeichnete Mosaiksachen vor- handen sind und dass ausser einer Alexanderschlacht auch ein Fries von Laubwerk, Draperie und Masken (in dem letztgenannten Raumed des Museums) existirt, der zum Allertrefflichsten dieser ganzen Gat- tung gehört.
B. Cicerone. 5
Pompejanische Scenographie. Mosaiken.
noch oft und mit immer neuem Genuss betrachten, diese Gruppen von Gefässen, Vögeln, Schilden, Meerwundern, Tempelchen, Masken, Scha- len, Fächern und Ombrellen mit Schnurwerk, Dreifüssen, Treppchen mit Opfergeräthen, Hermen u. s. w., um zu schweigen von den zahllosen menschlichen Figürchen.
Unläugbar ist in diesem ganzen pompejanischen Schmuckwesen wie in der Architektur schon Vieles, was der Ausartung, dem Barocken angehört. Nur muss man sich hüten, gleich Alles dahin zu rechnen, was nicht dem Kanon der griechischen Säulenordnungen entspricht, denn auch das scheinbar Willkürliche hat hier sein eigenes Gesetz, welches man zu errathen suchen muss.
Die spätern Schicksale dieses Styles werden allerdings bald trau- rig. Er scheint schon im II. Jahrhundert, jedenfalls im III. erstarrt zu sein. Die Mosaiken des runden Umganges von S. Costanza beia Rom zeigen, dass man zu Anfang des IV. Jahrhunderts gar nicht mehr wusste, um was es sich handelte; in dem Rankenwerk herrscht öder Wirrwarr, in den regelmässigen Feldern eine öde und steife Ein- förmigkeit. Einige gute Ornamente retten sich wohl bis tief ins Mit- telalter hinein und gewinnen stellenweise (s. unten) ein neues Leben; die Hauptbedingung dieser ganzen Productionsweise aber war unwider- bringlich dahin: nämlich die Lust des Improvisirens.
Wo diese nicht vorhanden gewesen war, da hatte auch der Pom- pejaner einst nur Kümmerliches geleistet. Man sehe nur seine meisten Mosaikornamente, bei deren Anfertigung natürlich diese Lust wegfiel. (Säulen und Brunnen im Museum, erster Saal unten links; anderes inb verschiedenen Häusern zu Pompeji selbst, u. a. in der „Casa dellac Medusa“.) Ganz auffallend sticht die kindische Leblosigkeit dieser Prunksachen neben den freien Arabesken der Wände ab. Auf ähn- liche Weise hat später das Mosaik, als es vorherrschende Geltung er- langte, das Leben der Historienmalerei getödtet. Diess hindert nicht, dass aus früherer Zeit einzelne ganz ausgezeichnete Mosaiksachen vor- handen sind und dass ausser einer Alexanderschlacht auch ein Fries von Laubwerk, Draperie und Masken (in dem letztgenannten Raumed des Museums) existirt, der zum Allertrefflichsten dieser ganzen Gat- tung gehört.
B. Cicerone. 5
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[65/0087]
Pompejanische Scenographie. Mosaiken.
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Gefässen, Vögeln, Schilden, Meerwundern, Tempelchen, Masken, Scha-
len, Fächern und Ombrellen mit Schnurwerk, Dreifüssen, Treppchen mit
Opfergeräthen, Hermen u. s. w., um zu schweigen von den zahllosen
menschlichen Figürchen.
Unläugbar ist in diesem ganzen pompejanischen Schmuckwesen
wie in der Architektur schon Vieles, was der Ausartung, dem Barocken
angehört. Nur muss man sich hüten, gleich Alles dahin zu rechnen,
was nicht dem Kanon der griechischen Säulenordnungen entspricht,
denn auch das scheinbar Willkürliche hat hier sein eigenes Gesetz,
welches man zu errathen suchen muss.
Die spätern Schicksale dieses Styles werden allerdings bald trau-
rig. Er scheint schon im II. Jahrhundert, jedenfalls im III. erstarrt
zu sein. Die Mosaiken des runden Umganges von S. Costanza bei
Rom zeigen, dass man zu Anfang des IV. Jahrhunderts gar nicht
mehr wusste, um was es sich handelte; in dem Rankenwerk herrscht
öder Wirrwarr, in den regelmässigen Feldern eine öde und steife Ein-
förmigkeit. Einige gute Ornamente retten sich wohl bis tief ins Mit-
telalter hinein und gewinnen stellenweise (s. unten) ein neues Leben;
die Hauptbedingung dieser ganzen Productionsweise aber war unwider-
bringlich dahin: nämlich die Lust des Improvisirens.
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Wo diese nicht vorhanden gewesen war, da hatte auch der Pom-
pejaner einst nur Kümmerliches geleistet. Man sehe nur seine meisten
Mosaikornamente, bei deren Anfertigung natürlich diese Lust wegfiel.
(Säulen und Brunnen im Museum, erster Saal unten links; anderes in
verschiedenen Häusern zu Pompeji selbst, u. a. in der „Casa della
Medusa“.) Ganz auffallend sticht die kindische Leblosigkeit dieser
Prunksachen neben den freien Arabesken der Wände ab. Auf ähn-
liche Weise hat später das Mosaik, als es vorherrschende Geltung er-
langte, das Leben der Historienmalerei getödtet. Diess hindert nicht,
dass aus früherer Zeit einzelne ganz ausgezeichnete Mosaiksachen vor-
handen sind und dass ausser einer Alexanderschlacht auch ein Fries
von Laubwerk, Draperie und Masken (in dem letztgenannten Raume
des Museums) existirt, der zum Allertrefflichsten dieser ganzen Gat-
tung gehört.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/87>, abgerufen am 05.12.2024.
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