mittelbar an denselben bildeten. So Simone Papa d. ä., dessen aGemälde vom Erzengel Michael (Museum von Neapel) wenigstens be- weist, wie gerne er die van Eyck hätte erreichen mögen.
In diese Zeit fällt das Auftreten desjenigen Künstlers, welchen die Neapolitaner als den Vater ihrer Malerei zu feiern pflegen: des Zingaro (eigentlich Antonio Solario). Wenn er aber wirklich 1382 geboren und 1445 gestorben ist, so gehört ihm wohl keines der nach bihm benannten Werke: die grosse Madonna mit Heiligen (im Museum), cdie Kreuztragung (in S. Domenico magg., 6. Cap. r. oder del croce- dfisso, neben dem Altar), S. Franciscus der den Mönchen die Ordens- regel giebt (soll sich in S. Lorenzo befinden), -- und die 20 Fresken eeines der Klosterhöfe bei S. Severino (S. 196, b. Bestes Licht: Vormittags). Letztere, welche vielleicht mit keinem der eben genann- ten -- immer doch nur mittelguten -- Kirchenbilder den Autor gemein haben, sind ein vorzügliches Werk vom Ende des XV. Jahrh., welches sogar eine Bekanntschaft mit damaligen florentinischen und umbrischen Arbeiten voraussetzt. (Auch die Trachten passen erst in diese Zeit.) Das Leben des heil. Benedict ist wohl nie trefflicher dargestellt wor- den, wenn nicht etwa Signorelli's Fresken in Monteoliveto (Toscana) in Abrechnung zu bringen sind. Der Typus des hier abgebildeten Menschengeschlechtes steht zwar unter dem florentinischen, und hat in Nase, Blick und Lippen etwas Stumpfes, selbst Zweideutiges. Aber eine Fülle von lebendig und bedeutend dargestellten Bildniss- figuren hebt diess auf; schön und würdig bewegen sich die Gestalten auf einem mittlern Plan, hinter welchem der bauliche oder landschaft- liche Grund leicht und wohlthuend emporsteigt. Der Meister kannte z. B. so gut wie Giorgione die reizende Wirkung schlanker, dünn- belaubter Stämme, welche sich vor und neben steilen Felsmassen u. dgl. hinaufziehen; überhaupt ist hier die Landschaft mit vollem Bewusstsein als Stätte bedeutender Ereignisse behandelt, ohne die flandrische Phantasterei und Überfüllung. Nirgends bemerkt man ein Versinken in das Barocke oder ins Flaue; ein gleichmässiger edler Styl belebt Alles1). -- Der stille Hof, mit der noch in ihren Trüm-
1) Ein anderes Leben des S. Benedict im obern Stockwerk jener ionischen *Doppelhalle (S. 179, h) bei der Badia in Florenz, ist mir immer wie eine Vorübung desselben Malers vorgekommon.
Malerei des XV. Jahrhunderts. Neapel.
mittelbar an denselben bildeten. So Simone Papa d. ä., dessen aGemälde vom Erzengel Michael (Museum von Neapel) wenigstens be- weist, wie gerne er die van Eyck hätte erreichen mögen.
In diese Zeit fällt das Auftreten desjenigen Künstlers, welchen die Neapolitaner als den Vater ihrer Malerei zu feiern pflegen: des Zingaro (eigentlich Antonio Solario). Wenn er aber wirklich 1382 geboren und 1445 gestorben ist, so gehört ihm wohl keines der nach bihm benannten Werke: die grosse Madonna mit Heiligen (im Museum), cdie Kreuztragung (in S. Domenico magg., 6. Cap. r. oder del croce- dfisso, neben dem Altar), S. Franciscus der den Mönchen die Ordens- regel giebt (soll sich in S. Lorenzo befinden), — und die 20 Fresken eeines der Klosterhöfe bei S. Severino (S. 196, b. Bestes Licht: Vormittags). Letztere, welche vielleicht mit keinem der eben genann- ten — immer doch nur mittelguten — Kirchenbilder den Autor gemein haben, sind ein vorzügliches Werk vom Ende des XV. Jahrh., welches sogar eine Bekanntschaft mit damaligen florentinischen und umbrischen Arbeiten voraussetzt. (Auch die Trachten passen erst in diese Zeit.) Das Leben des heil. Benedict ist wohl nie trefflicher dargestellt wor- den, wenn nicht etwa Signorelli’s Fresken in Monteoliveto (Toscana) in Abrechnung zu bringen sind. Der Typus des hier abgebildeten Menschengeschlechtes steht zwar unter dem florentinischen, und hat in Nase, Blick und Lippen etwas Stumpfes, selbst Zweideutiges. Aber eine Fülle von lebendig und bedeutend dargestellten Bildniss- figuren hebt diess auf; schön und würdig bewegen sich die Gestalten auf einem mittlern Plan, hinter welchem der bauliche oder landschaft- liche Grund leicht und wohlthuend emporsteigt. Der Meister kannte z. B. so gut wie Giorgione die reizende Wirkung schlanker, dünn- belaubter Stämme, welche sich vor und neben steilen Felsmassen u. dgl. hinaufziehen; überhaupt ist hier die Landschaft mit vollem Bewusstsein als Stätte bedeutender Ereignisse behandelt, ohne die flandrische Phantasterei und Überfüllung. Nirgends bemerkt man ein Versinken in das Barocke oder ins Flaue; ein gleichmässiger edler Styl belebt Alles1). — Der stille Hof, mit der noch in ihren Trüm-
1) Ein anderes Leben des S. Benedict im obern Stockwerk jener ionischen *Doppelhalle (S. 179, h) bei der Badia in Florenz, ist mir immer wie eine Vorübung desselben Malers vorgekommon.
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Malerei des XV. Jahrhunderts. Neapel.
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Gemälde vom Erzengel Michael (Museum von Neapel) wenigstens be-
weist, wie gerne er die van Eyck hätte erreichen mögen.
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In diese Zeit fällt das Auftreten desjenigen Künstlers, welchen
die Neapolitaner als den Vater ihrer Malerei zu feiern pflegen: des
Zingaro (eigentlich Antonio Solario). Wenn er aber wirklich 1382
geboren und 1445 gestorben ist, so gehört ihm wohl keines der nach
ihm benannten Werke: die grosse Madonna mit Heiligen (im Museum),
die Kreuztragung (in S. Domenico magg., 6. Cap. r. oder del croce-
fisso, neben dem Altar), S. Franciscus der den Mönchen die Ordens-
regel giebt (soll sich in S. Lorenzo befinden), — und die 20 Fresken
eines der Klosterhöfe bei S. Severino (S. 196, b. Bestes Licht:
Vormittags). Letztere, welche vielleicht mit keinem der eben genann-
ten — immer doch nur mittelguten — Kirchenbilder den Autor gemein
haben, sind ein vorzügliches Werk vom Ende des XV. Jahrh., welches
sogar eine Bekanntschaft mit damaligen florentinischen und umbrischen
Arbeiten voraussetzt. (Auch die Trachten passen erst in diese Zeit.)
Das Leben des heil. Benedict ist wohl nie trefflicher dargestellt wor-
den, wenn nicht etwa Signorelli’s Fresken in Monteoliveto (Toscana)
in Abrechnung zu bringen sind. Der Typus des hier abgebildeten
Menschengeschlechtes steht zwar unter dem florentinischen, und hat
in Nase, Blick und Lippen etwas Stumpfes, selbst Zweideutiges.
Aber eine Fülle von lebendig und bedeutend dargestellten Bildniss-
figuren hebt diess auf; schön und würdig bewegen sich die Gestalten
auf einem mittlern Plan, hinter welchem der bauliche oder landschaft-
liche Grund leicht und wohlthuend emporsteigt. Der Meister kannte
z. B. so gut wie Giorgione die reizende Wirkung schlanker, dünn-
belaubter Stämme, welche sich vor und neben steilen Felsmassen
u. dgl. hinaufziehen; überhaupt ist hier die Landschaft mit vollem
Bewusstsein als Stätte bedeutender Ereignisse behandelt, ohne die
flandrische Phantasterei und Überfüllung. Nirgends bemerkt man ein
Versinken in das Barocke oder ins Flaue; ein gleichmässiger edler
Styl belebt Alles 1). — Der stille Hof, mit der noch in ihren Trüm-
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1) Ein anderes Leben des S. Benedict im obern Stockwerk jener ionischen
Doppelhalle (S. 179, h) bei der Badia in Florenz, ist mir immer wie eine
Vorübung desselben Malers vorgekommon.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/866>, abgerufen am 18.12.2024.
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