spielenden Engel, vom Jahre 1490 (Pinacoteca von Bologna) das ama meisten perugineske von allen seinen Werken; herrlich gemalt und von derjenigen Innigkeit des zum Theil ekstatischen Ausdruckes, welche dem Pietro selber nur in seiner besten mittlern Zeit eigen ist. Auch eine Verkündigung mit zwei Heiligen (ebenda) gehört wohl in diese Epoche. (Die thronende Madonna zwischen zwei Hallen mit vier Heiligen, sowie die Anbetung des Kindes mit Heiligen und Donatoren, ebenda, sind wohl spätere Bilder.) Auch später noch scheint er be- ständig auf Perugino hingeblickt zu haben.
Durch seine Verbindung mit Lorenzo Costa aber (S. 814) kam ein merkwürdig gemischter Styl zum Vorschein, welchen sich auch seine Schüler, darunter Giulio, sein Vetter und Giacomo, sein Sohn, sowie Amico Aspertini, aneigneten. Der gesunde, biswei- len selbst derbe Realismus, welchen hauptsächlich Costa vertrat und welcher auch in Francia selber von Hause aus vorhanden war, steht in einem beständigen Conflict mit der umbrischen Sentimentalität. Diese, auf kräftige, herbere Bildungen übergetragen, nimmt jenen wun- derlichen Ausdruck des "Gekränktseins" an. Hauptsächlich die weib- lichen Heiligen und die Madonnen scheinen nunmehr dem Beschauer einen Vorwurf darüber zu machen, dass er die Unbescheidenheit hat, sie anzusehen. Doch geht Francia nicht bis in das verhimmelte Schmachten hinauf. Überhaupt bleibt in ihm viel mehr Frisches, selbst Ritterliches als in dem spätern Perugino; er zeichnete sorgsamer und stellte nicht bloss seine Figuren freier und weniger conventionell, son- dern wusste sie auch lebendig zu gruppiren, obwohl sein Liniengefühl ziemlich unentwickelt blieb. Die Gewandung ist vollends bei ihm fast immer lebendig und für jede Gestalt neu empfunden. Als alter Ostlombarde hat er Freude nicht an dem bloss ornamentalen Reich- thum, sondern an der reellen Erscheinung und Modellirung der Trach- ten, Rüstungen, Ornate etc. Er konnte und wollte in diesen Din- gen nicht mehr hinter Mantegna zurückgehen. Freilich ist die Er- zählung, das Geschehen überhaupt, nicht seine starke Seite.
Sein allerschönstes Werk in Bologna ist wohl das Altarblatt inb der Cap. Bentivoglio zu S. Giacomo maggiore. Von den Engeln, welche die Madonna umgeben, sind die ihr nächsten höchst liebens- würdig, unter den Heiligen aber ist der S. Sebastian eine der voll-
Bologna. Franc. Francia und Schule.
spielenden Engel, vom Jahre 1490 (Pinacoteca von Bologna) das ama meisten perugineske von allen seinen Werken; herrlich gemalt und von derjenigen Innigkeit des zum Theil ekstatischen Ausdruckes, welche dem Pietro selber nur in seiner besten mittlern Zeit eigen ist. Auch eine Verkündigung mit zwei Heiligen (ebenda) gehört wohl in diese Epoche. (Die thronende Madonna zwischen zwei Hallen mit vier Heiligen, sowie die Anbetung des Kindes mit Heiligen und Donatoren, ebenda, sind wohl spätere Bilder.) Auch später noch scheint er be- ständig auf Perugino hingeblickt zu haben.
Durch seine Verbindung mit Lorenzo Costa aber (S. 814) kam ein merkwürdig gemischter Styl zum Vorschein, welchen sich auch seine Schüler, darunter Giulio, sein Vetter und Giacomo, sein Sohn, sowie Amico Aspertini, aneigneten. Der gesunde, biswei- len selbst derbe Realismus, welchen hauptsächlich Costa vertrat und welcher auch in Francia selber von Hause aus vorhanden war, steht in einem beständigen Conflict mit der umbrischen Sentimentalität. Diese, auf kräftige, herbere Bildungen übergetragen, nimmt jenen wun- derlichen Ausdruck des „Gekränktseins“ an. Hauptsächlich die weib- lichen Heiligen und die Madonnen scheinen nunmehr dem Beschauer einen Vorwurf darüber zu machen, dass er die Unbescheidenheit hat, sie anzusehen. Doch geht Francia nicht bis in das verhimmelte Schmachten hinauf. Überhaupt bleibt in ihm viel mehr Frisches, selbst Ritterliches als in dem spätern Perugino; er zeichnete sorgsamer und stellte nicht bloss seine Figuren freier und weniger conventionell, son- dern wusste sie auch lebendig zu gruppiren, obwohl sein Liniengefühl ziemlich unentwickelt blieb. Die Gewandung ist vollends bei ihm fast immer lebendig und für jede Gestalt neu empfunden. Als alter Ostlombarde hat er Freude nicht an dem bloss ornamentalen Reich- thum, sondern an der reellen Erscheinung und Modellirung der Trach- ten, Rüstungen, Ornate etc. Er konnte und wollte in diesen Din- gen nicht mehr hinter Mantegna zurückgehen. Freilich ist die Er- zählung, das Geschehen überhaupt, nicht seine starke Seite.
Sein allerschönstes Werk in Bologna ist wohl das Altarblatt inb der Cap. Bentivoglio zu S. Giacomo maggiore. Von den Engeln, welche die Madonna umgeben, sind die ihr nächsten höchst liebens- würdig, unter den Heiligen aber ist der S. Sebastian eine der voll-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0863"n="841"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Bologna. Franc. Francia und Schule.</hi></fw><lb/>
spielenden Engel, vom Jahre 1490 (Pinacoteca von Bologna) das am<noteplace="right">a</note><lb/>
meisten perugineske von allen seinen Werken; herrlich gemalt und<lb/>
von derjenigen Innigkeit des zum Theil ekstatischen Ausdruckes,<lb/>
welche dem Pietro selber nur in seiner besten mittlern Zeit eigen ist.<lb/>
Auch eine Verkündigung mit zwei Heiligen (ebenda) gehört wohl in<lb/>
diese Epoche. (Die thronende Madonna zwischen zwei Hallen mit vier<lb/>
Heiligen, sowie die Anbetung des Kindes mit Heiligen und Donatoren,<lb/>
ebenda, sind wohl spätere Bilder.) Auch später noch scheint er be-<lb/>
ständig auf Perugino hingeblickt zu haben.</p><lb/><p>Durch seine Verbindung mit <hirendition="#g">Lorenzo Costa</hi> aber (S. 814)<lb/>
kam ein merkwürdig gemischter Styl zum Vorschein, welchen sich<lb/>
auch seine Schüler, darunter <hirendition="#g">Giulio</hi>, sein Vetter und <hirendition="#g">Giacomo</hi>, sein<lb/>
Sohn, sowie <hirendition="#g">Amico Aspertini</hi>, aneigneten. Der gesunde, biswei-<lb/>
len selbst derbe Realismus, welchen hauptsächlich Costa vertrat und<lb/>
welcher auch in Francia selber von Hause aus vorhanden war, steht<lb/>
in einem beständigen Conflict mit der umbrischen Sentimentalität.<lb/>
Diese, auf kräftige, herbere Bildungen übergetragen, nimmt jenen wun-<lb/>
derlichen Ausdruck des „Gekränktseins“ an. Hauptsächlich die weib-<lb/>
lichen Heiligen und die Madonnen scheinen nunmehr dem Beschauer<lb/>
einen Vorwurf darüber zu machen, dass er die Unbescheidenheit hat,<lb/>
sie anzusehen. Doch geht Francia nicht bis in das verhimmelte<lb/>
Schmachten hinauf. Überhaupt bleibt in ihm viel mehr Frisches, selbst<lb/>
Ritterliches als in dem spätern Perugino; er zeichnete sorgsamer und<lb/>
stellte nicht bloss seine Figuren freier und weniger conventionell, son-<lb/>
dern wusste sie auch lebendig zu gruppiren, obwohl sein Liniengefühl<lb/>
ziemlich unentwickelt blieb. Die Gewandung ist vollends bei ihm<lb/>
fast immer lebendig und für jede Gestalt neu empfunden. Als alter<lb/>
Ostlombarde hat er Freude nicht an dem bloss ornamentalen Reich-<lb/>
thum, sondern an der reellen Erscheinung und Modellirung der Trach-<lb/>
ten, Rüstungen, Ornate etc. Er konnte und wollte in diesen Din-<lb/>
gen nicht mehr hinter Mantegna zurückgehen. Freilich ist die Er-<lb/>
zählung, das Geschehen überhaupt, nicht seine starke Seite.</p><lb/><p>Sein allerschönstes Werk in Bologna ist wohl das Altarblatt in<noteplace="right">b</note><lb/>
der <hirendition="#g">Cap. Bentivoglio</hi> zu S. Giacomo maggiore. Von den Engeln,<lb/>
welche die Madonna umgeben, sind die ihr nächsten höchst liebens-<lb/>
würdig, unter den Heiligen aber ist der S. Sebastian eine der voll-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[841/0863]
Bologna. Franc. Francia und Schule.
spielenden Engel, vom Jahre 1490 (Pinacoteca von Bologna) das am
meisten perugineske von allen seinen Werken; herrlich gemalt und
von derjenigen Innigkeit des zum Theil ekstatischen Ausdruckes,
welche dem Pietro selber nur in seiner besten mittlern Zeit eigen ist.
Auch eine Verkündigung mit zwei Heiligen (ebenda) gehört wohl in
diese Epoche. (Die thronende Madonna zwischen zwei Hallen mit vier
Heiligen, sowie die Anbetung des Kindes mit Heiligen und Donatoren,
ebenda, sind wohl spätere Bilder.) Auch später noch scheint er be-
ständig auf Perugino hingeblickt zu haben.
a
Durch seine Verbindung mit Lorenzo Costa aber (S. 814)
kam ein merkwürdig gemischter Styl zum Vorschein, welchen sich
auch seine Schüler, darunter Giulio, sein Vetter und Giacomo, sein
Sohn, sowie Amico Aspertini, aneigneten. Der gesunde, biswei-
len selbst derbe Realismus, welchen hauptsächlich Costa vertrat und
welcher auch in Francia selber von Hause aus vorhanden war, steht
in einem beständigen Conflict mit der umbrischen Sentimentalität.
Diese, auf kräftige, herbere Bildungen übergetragen, nimmt jenen wun-
derlichen Ausdruck des „Gekränktseins“ an. Hauptsächlich die weib-
lichen Heiligen und die Madonnen scheinen nunmehr dem Beschauer
einen Vorwurf darüber zu machen, dass er die Unbescheidenheit hat,
sie anzusehen. Doch geht Francia nicht bis in das verhimmelte
Schmachten hinauf. Überhaupt bleibt in ihm viel mehr Frisches, selbst
Ritterliches als in dem spätern Perugino; er zeichnete sorgsamer und
stellte nicht bloss seine Figuren freier und weniger conventionell, son-
dern wusste sie auch lebendig zu gruppiren, obwohl sein Liniengefühl
ziemlich unentwickelt blieb. Die Gewandung ist vollends bei ihm
fast immer lebendig und für jede Gestalt neu empfunden. Als alter
Ostlombarde hat er Freude nicht an dem bloss ornamentalen Reich-
thum, sondern an der reellen Erscheinung und Modellirung der Trach-
ten, Rüstungen, Ornate etc. Er konnte und wollte in diesen Din-
gen nicht mehr hinter Mantegna zurückgehen. Freilich ist die Er-
zählung, das Geschehen überhaupt, nicht seine starke Seite.
Sein allerschönstes Werk in Bologna ist wohl das Altarblatt in
der Cap. Bentivoglio zu S. Giacomo maggiore. Von den Engeln,
welche die Madonna umgeben, sind die ihr nächsten höchst liebens-
würdig, unter den Heiligen aber ist der S. Sebastian eine der voll-
b
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 841. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/863>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.