Schule, doch auf verschiedene Weise von ihr abhängig: Marco Ba- saiti, Vittore Carpaccio, Giov. Mansueti, Lazzaro Sebastiani, Boccacino von Cremona, Marco Marziale u. a.
Die Grösse dieser Schule ist sammt ihrer Einseitigkeit in allen Ein- zelnen so gleichartig (wenn auch mit grossen Verschiedenheiten) aus- geprägt, dass auch die Besprechung eine gemeinsame sein darf. Noch einmal in diesem Jahrhundert der sonst entfesselten Subjectivität ord- net sich hier der Einzelne den allgültigen Typen unter. Offenbar sind es die Besteller, welche die Schule im Grossen bestimmen.
Vor Allem gab sich die Schule mit der erzählenden Malerei fast gar nicht ab und wo sie es that, steht sie mit aller Farbengluth und Einzelwahrheit doch im Gedanken neben den Florentinern unendlich zurück. Selbst in der grossen "Predigt des heil. Marcus in Alexan-a drien" des Gentile Bellini (Mailand, Brera) handelt es sich um gleichgültig zusammengestellte Figuren von einer gewissen puppen- haften Nettigkeit; ebenso in seinem "Mirakel des heil. Kreuzes" undb in der "Procession" mit dieser Reliquie (Acad. von Venedig). An der Fortsetzung dieser Reliquiengeschichte hat dann auch Carpaccio (nebst seinen Schülern Mansueti und Sebastiani) gearbeitet, welcher über- haupt hier der fast alleinige Erzähler ist; in derselben Sammlung sindc von ihm auch acht grosse, figurenreiche Historien der heil. Ursula; in der Scuola di S. Giorgio degli Schiavoni zwei Reihen kleinerer Ge-d schichten der HH. Georg und Hieronymus. Wenn naive Einzelzüge, malerisch bequeme Vertheilung im (baulich und landschaftlich schönen) Raum, lebendige und selbst jugendlich reizende Köpfe, endlich eine oft erstaunliche Leuchtkraft der Farbe zusammen schon ein Historien- bild ausmachten, so hätte C. sein Ziel erreicht. Das Interessanteste an jenen Reliquienbildern bleibt die bunte Schilderung des mittelalter- lichen Venedig. -- In den Uffizien: Mansueti's Christus unter dene Schriftgelehrten. -- Viele historische Bilder gingen freilich bei den Bränden des Dogenpalastes unter 1). Fresken oder gar Freskencyclen kommen nicht vor.
1) Der in Venedig gebildete, dann besonders in Padua thätige Bergamaske Gi- rolamo da Santa Croce mag hier nur beiläufig genannt werden. Am bekanntesten durch seine frühern Bilder mit kleinen Figuren (Marter des* h. Laurentius im Museum von Neapel), hat er später sich die Freiheit der
Die Vivarini. Die Bellini. Historienmalerei.
Schule, doch auf verschiedene Weise von ihr abhängig: Marco Ba- saiti, Vittore Carpaccio, Giov. Mansueti, Lazzaro Sebastiani, Boccacino von Cremona, Marco Marziale u. a.
Die Grösse dieser Schule ist sammt ihrer Einseitigkeit in allen Ein- zelnen so gleichartig (wenn auch mit grossen Verschiedenheiten) aus- geprägt, dass auch die Besprechung eine gemeinsame sein darf. Noch einmal in diesem Jahrhundert der sonst entfesselten Subjectivität ord- net sich hier der Einzelne den allgültigen Typen unter. Offenbar sind es die Besteller, welche die Schule im Grossen bestimmen.
Vor Allem gab sich die Schule mit der erzählenden Malerei fast gar nicht ab und wo sie es that, steht sie mit aller Farbengluth und Einzelwahrheit doch im Gedanken neben den Florentinern unendlich zurück. Selbst in der grossen „Predigt des heil. Marcus in Alexan-a drien“ des Gentile Bellini (Mailand, Brera) handelt es sich um gleichgültig zusammengestellte Figuren von einer gewissen puppen- haften Nettigkeit; ebenso in seinem „Mirakel des heil. Kreuzes“ undb in der „Procession“ mit dieser Reliquie (Acad. von Venedig). An der Fortsetzung dieser Reliquiengeschichte hat dann auch Carpaccio (nebst seinen Schülern Mansueti und Sebastiani) gearbeitet, welcher über- haupt hier der fast alleinige Erzähler ist; in derselben Sammlung sindc von ihm auch acht grosse, figurenreiche Historien der heil. Ursula; in der Scuola di S. Giorgio degli Schiavoni zwei Reihen kleinerer Ge-d schichten der HH. Georg und Hieronymus. Wenn naive Einzelzüge, malerisch bequeme Vertheilung im (baulich und landschaftlich schönen) Raum, lebendige und selbst jugendlich reizende Köpfe, endlich eine oft erstaunliche Leuchtkraft der Farbe zusammen schon ein Historien- bild ausmachten, so hätte C. sein Ziel erreicht. Das Interessanteste an jenen Reliquienbildern bleibt die bunte Schilderung des mittelalter- lichen Venedig. — In den Uffizien: Mansueti’s Christus unter dene Schriftgelehrten. — Viele historische Bilder gingen freilich bei den Bränden des Dogenpalastes unter 1). Fresken oder gar Freskencyclen kommen nicht vor.
1) Der in Venedig gebildete, dann besonders in Padua thätige Bergamaske Gi- rolamo da Santa Croce mag hier nur beiläufig genannt werden. Am bekanntesten durch seine frühern Bilder mit kleinen Figuren (Marter des* h. Laurentius im Museum von Neapel), hat er später sich die Freiheit der
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Boccacino von Cremona, Marco Marziale u. a.
Die Grösse dieser Schule ist sammt ihrer Einseitigkeit in allen Ein-
zelnen so gleichartig (wenn auch mit grossen Verschiedenheiten) aus-
geprägt, dass auch die Besprechung eine gemeinsame sein darf. Noch
einmal in diesem Jahrhundert der sonst entfesselten Subjectivität ord-
net sich hier der Einzelne den allgültigen Typen unter. Offenbar sind
es die Besteller, welche die Schule im Grossen bestimmen.
Vor Allem gab sich die Schule mit der erzählenden Malerei fast
gar nicht ab und wo sie es that, steht sie mit aller Farbengluth und
Einzelwahrheit doch im Gedanken neben den Florentinern unendlich
zurück. Selbst in der grossen „Predigt des heil. Marcus in Alexan-
drien“ des Gentile Bellini (Mailand, Brera) handelt es sich um
gleichgültig zusammengestellte Figuren von einer gewissen puppen-
haften Nettigkeit; ebenso in seinem „Mirakel des heil. Kreuzes“ und
in der „Procession“ mit dieser Reliquie (Acad. von Venedig). An der
Fortsetzung dieser Reliquiengeschichte hat dann auch Carpaccio (nebst
seinen Schülern Mansueti und Sebastiani) gearbeitet, welcher über-
haupt hier der fast alleinige Erzähler ist; in derselben Sammlung sind
von ihm auch acht grosse, figurenreiche Historien der heil. Ursula;
in der Scuola di S. Giorgio degli Schiavoni zwei Reihen kleinerer Ge-
schichten der HH. Georg und Hieronymus. Wenn naive Einzelzüge,
malerisch bequeme Vertheilung im (baulich und landschaftlich schönen)
Raum, lebendige und selbst jugendlich reizende Köpfe, endlich eine
oft erstaunliche Leuchtkraft der Farbe zusammen schon ein Historien-
bild ausmachten, so hätte C. sein Ziel erreicht. Das Interessanteste
an jenen Reliquienbildern bleibt die bunte Schilderung des mittelalter-
lichen Venedig. — In den Uffizien: Mansueti’s Christus unter den
Schriftgelehrten. — Viele historische Bilder gingen freilich bei den
Bränden des Dogenpalastes unter 1). Fresken oder gar Freskencyclen
kommen nicht vor.
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rolamo da Santa Croce mag hier nur beiläufig genannt werden. Am
bekanntesten durch seine frühern Bilder mit kleinen Figuren (Marter des
h. Laurentius im Museum von Neapel), hat er später sich die Freiheit der
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 823. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/845>, abgerufen am 18.12.2024.
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