nur für Augenblicke tief unter; immer von Neuem schmiegt er sich dann der Schönheit an.
Lorenzo Costa (1460--1535), dessen Hauptwerke sich sämmt- lich in Bologna befinden, gerieth hier in einen merkwürdigen Aus- tausch mit Francesco Francia, dessen Schüler er sich schlechtweg, aber doch nur mit halbem Rechte nennt. Er brachte in dieses Ver- hältniss einen ganz wohlgefesteten Realismus und eine viel grössere Kenntniss mit als Francia damals besass; er beugte sich vor dem Schönheitssinn und dem Seelenausdruck des letztern, behielt aber ge- hörigen Orts eine gesundere Empfindungsweise vor diesem voraus. -- aIn S. Petronio ist das Altarbild der 7. Cap. 1., thronende Madonna mit vier Heiligen und einer herrlichen Lunette von musicirenden En- geln, jedem Francia gleichzustellen. Ebenda, 5. Cap. 1., die 12 Apo- stel, Gestalten ohne Grossartigkeit, mit gewaltigen, aber gut gezeich- neten Händen und Füssen, dabei sehr ernst ergriffen. -- Hinten im bChor von S. Giovanni in monte: Mariä Krönung mit sechs Heiligen, welche hier, wie in der Schule von Bologna-Ferrara überhaupt, grup- pirt und nicht bloss wie bei den Peruginern in einer Reihe aufgestellt sind. -- Ebenda, 7. Cap. r., noch ein Hauptbild, thronende Madonna mit köstlich naiven Musikengeln und Heiligen. Das Bild im Chor ist zugleich eins der ausgezeichnetsten Specimina für die Behandlung der Landschaft, in welcher Costa zuerst eine Ahnung von gesetzmässigen, mit den Figuren in Harmonie stehenden Linien und eine bedeutende Meisterschaft der Töne entwickelt. Es sind meist schöne Thaleinsen- kungen mit reicher Vegetation und Aussichten in eine sanfte, nicht cphantastische Ferne. -- An den Fresken, welche ihm in S. Cecilia angehören (s. unten, das 4. Bild 1. und d. 4. r.) ist vielleicht die Land- dschaft gradezu das Beste. -- Die Fresken in der Cap. Bentivoglio zu S. Giacomo maggiore erscheinen theils völlig übermalt, theils befangen durch das Sujet, welches über Costa's Kräfte ging (die beiden uner- gründlich allegorischen Trionfi), theils ungern gemalt (die Madonna mit der hässlichen, barock costumirten Familie Bentivoglio). -- Die eHimmelfahrt Mariä in S. Martino (5. Alt. 1.) mag zwischen Costa und irgend einem Peruginer streitig bleiben. -- In Ferrara soll sich (ausser feinem nicht bedeutenden Bild im Ateneo) ein berühmtes Werk in der Kirche alle Esposte befinden. -- Von seinem Schüler Ercole Grandi
Malerei des XV. Jahrhunderts. Ferraresen.
nur für Augenblicke tief unter; immer von Neuem schmiegt er sich dann der Schönheit an.
Lorenzo Costa (1460—1535), dessen Hauptwerke sich sämmt- lich in Bologna befinden, gerieth hier in einen merkwürdigen Aus- tausch mit Francesco Francia, dessen Schüler er sich schlechtweg, aber doch nur mit halbem Rechte nennt. Er brachte in dieses Ver- hältniss einen ganz wohlgefesteten Realismus und eine viel grössere Kenntniss mit als Francia damals besass; er beugte sich vor dem Schönheitssinn und dem Seelenausdruck des letztern, behielt aber ge- hörigen Orts eine gesundere Empfindungsweise vor diesem voraus. — aIn S. Petronio ist das Altarbild der 7. Cap. 1., thronende Madonna mit vier Heiligen und einer herrlichen Lunette von musicirenden En- geln, jedem Francia gleichzustellen. Ebenda, 5. Cap. 1., die 12 Apo- stel, Gestalten ohne Grossartigkeit, mit gewaltigen, aber gut gezeich- neten Händen und Füssen, dabei sehr ernst ergriffen. — Hinten im bChor von S. Giovanni in monte: Mariä Krönung mit sechs Heiligen, welche hier, wie in der Schule von Bologna-Ferrara überhaupt, grup- pirt und nicht bloss wie bei den Peruginern in einer Reihe aufgestellt sind. — Ebenda, 7. Cap. r., noch ein Hauptbild, thronende Madonna mit köstlich naiven Musikengeln und Heiligen. Das Bild im Chor ist zugleich eins der ausgezeichnetsten Specimina für die Behandlung der Landschaft, in welcher Costa zuerst eine Ahnung von gesetzmässigen, mit den Figuren in Harmonie stehenden Linien und eine bedeutende Meisterschaft der Töne entwickelt. Es sind meist schöne Thaleinsen- kungen mit reicher Vegetation und Aussichten in eine sanfte, nicht cphantastische Ferne. — An den Fresken, welche ihm in S. Cecilia angehören (s. unten, das 4. Bild 1. und d. 4. r.) ist vielleicht die Land- dschaft gradezu das Beste. — Die Fresken in der Cap. Bentivoglio zu S. Giacomo maggiore erscheinen theils völlig übermalt, theils befangen durch das Sujet, welches über Costa’s Kräfte ging (die beiden uner- gründlich allegorischen Trionfi), theils ungern gemalt (die Madonna mit der hässlichen, barock costumirten Familie Bentivoglio). — Die eHimmelfahrt Mariä in S. Martino (5. Alt. 1.) mag zwischen Costa und irgend einem Peruginer streitig bleiben. — In Ferrara soll sich (ausser feinem nicht bedeutenden Bild im Ateneo) ein berühmtes Werk in der Kirche alle Esposte befinden. — Von seinem Schüler Ercole Grandi
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[814/0836]
Malerei des XV. Jahrhunderts. Ferraresen.
nur für Augenblicke tief unter; immer von Neuem schmiegt er sich
dann der Schönheit an.
Lorenzo Costa (1460—1535), dessen Hauptwerke sich sämmt-
lich in Bologna befinden, gerieth hier in einen merkwürdigen Aus-
tausch mit Francesco Francia, dessen Schüler er sich schlechtweg,
aber doch nur mit halbem Rechte nennt. Er brachte in dieses Ver-
hältniss einen ganz wohlgefesteten Realismus und eine viel grössere
Kenntniss mit als Francia damals besass; er beugte sich vor dem
Schönheitssinn und dem Seelenausdruck des letztern, behielt aber ge-
hörigen Orts eine gesundere Empfindungsweise vor diesem voraus. —
In S. Petronio ist das Altarbild der 7. Cap. 1., thronende Madonna
mit vier Heiligen und einer herrlichen Lunette von musicirenden En-
geln, jedem Francia gleichzustellen. Ebenda, 5. Cap. 1., die 12 Apo-
stel, Gestalten ohne Grossartigkeit, mit gewaltigen, aber gut gezeich-
neten Händen und Füssen, dabei sehr ernst ergriffen. — Hinten im
Chor von S. Giovanni in monte: Mariä Krönung mit sechs Heiligen,
welche hier, wie in der Schule von Bologna-Ferrara überhaupt, grup-
pirt und nicht bloss wie bei den Peruginern in einer Reihe aufgestellt
sind. — Ebenda, 7. Cap. r., noch ein Hauptbild, thronende Madonna
mit köstlich naiven Musikengeln und Heiligen. Das Bild im Chor ist
zugleich eins der ausgezeichnetsten Specimina für die Behandlung der
Landschaft, in welcher Costa zuerst eine Ahnung von gesetzmässigen,
mit den Figuren in Harmonie stehenden Linien und eine bedeutende
Meisterschaft der Töne entwickelt. Es sind meist schöne Thaleinsen-
kungen mit reicher Vegetation und Aussichten in eine sanfte, nicht
phantastische Ferne. — An den Fresken, welche ihm in S. Cecilia
angehören (s. unten, das 4. Bild 1. und d. 4. r.) ist vielleicht die Land-
schaft gradezu das Beste. — Die Fresken in der Cap. Bentivoglio zu
S. Giacomo maggiore erscheinen theils völlig übermalt, theils befangen
durch das Sujet, welches über Costa’s Kräfte ging (die beiden uner-
gründlich allegorischen Trionfi), theils ungern gemalt (die Madonna
mit der hässlichen, barock costumirten Familie Bentivoglio). — Die
Himmelfahrt Mariä in S. Martino (5. Alt. 1.) mag zwischen Costa und
irgend einem Peruginer streitig bleiben. — In Ferrara soll sich (ausser
einem nicht bedeutenden Bild im Ateneo) ein berühmtes Werk in der
Kirche alle Esposte befinden. — Von seinem Schüler Ercole Grandi
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 814. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/836>, abgerufen am 18.12.2024.
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