besucht, ein Werk voll naiver Schönheit, ist allerdings noch aus frü- her Zeit; die Kreuzabnahme in der Academie dagegen, wozu Peruginoa die untere Gruppe gemalt hat, -- sowie die Madonna mit Heiligen inb S. Domenico zu Bologna (kleine Cap. zunächst rechts vom Chor), da- tirt 1501, gehören zu den spätern Werken, in welchen man bei vie- lem Schönen doch den gleichmässigen Schwung vermisst. -- Ein paar Breitbilder mit vielen kleinen Figuren, wie dasjenige mit der todten Lucretia (Pal. Pitti) und die mit der Geschichte der Esther (Pal. To-c rigiani in Florenz) sind Belege für die Art mehrerer damaliger Flo-d rentiner, die profane Historie als figurenreiche Theaterscene zu styli- siren. -- Das prächtige Bild in S. Spirito (vom Langhaus kommend dere fünfte Altar des rechten Querschiffes) wird auch F.'s Schüler Raffaellin del Garbo zugeschrieben; es ist eine Madonna mit Heiligen und Dona- toren unter einer Halle mit köstlicher Aussicht auf eine Stadt; die Köpfe zum Theil wehmüthig holdselig wie in den schönsten Bildern des Lorenzo di Credi.
Von F.'s Fresken sind die wahrscheinlich frühsten, im Carmine zuf Florenz (S. 798, b) die vorzüglichsten, eine würdige und stylgemässe Fortsetzung der Arbeit Masaccio's. Die Gruppe des vom Tode erweckten Königssohnes, Petrus und Paulus vor dem Proconsul, Petri Befreiung. Aber auch in den Wunderthaten der Apostel Johannes und Philippus, womit er die Capella Strozzi in S. M. novella (die erste vomg Chore rechts) ausschmückte, kann ich nichts weniger als ein Sinken seines künstlerischen Vermögens erkennen; er erzählt hier nur mehr in seiner Weise, als einer der grössten Dramatiker des XV. Jahrh., aller- dings mit sehr merklichen Unarten z. B. schwerbauschigen, weitflat- ternden Gewändern, conventionellen Köpfen, die aber durch anderes Einzelnes von grösster Schönheit aufgewogen werden. Entschieden geringer sind die Fresken in der Minerva zu Rom (Cap. Carafa), woh er freilich eine Aufgabe lösen musste, die nicht mehr ins XV. Jahr- hundert gehörte: die Glorie des heil. Thomas, als allegorisches Ce- remonienbild.
Parallel mit Sandro und Pilippino geht Cosimo Rosselli, des- sen einziges zu Florenz vorhandenes Fresco (1456) in S. Ambrogio
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Sandro. Filippino Lippi.
besucht, ein Werk voll naiver Schönheit, ist allerdings noch aus frü- her Zeit; die Kreuzabnahme in der Academie dagegen, wozu Peruginoa die untere Gruppe gemalt hat, — sowie die Madonna mit Heiligen inb S. Domenico zu Bologna (kleine Cap. zunächst rechts vom Chor), da- tirt 1501, gehören zu den spätern Werken, in welchen man bei vie- lem Schönen doch den gleichmässigen Schwung vermisst. — Ein paar Breitbilder mit vielen kleinen Figuren, wie dasjenige mit der todten Lucretia (Pal. Pitti) und die mit der Geschichte der Esther (Pal. To-c rigiani in Florenz) sind Belege für die Art mehrerer damaliger Flo-d rentiner, die profane Historie als figurenreiche Theaterscene zu styli- siren. — Das prächtige Bild in S. Spirito (vom Langhaus kommend dere fünfte Altar des rechten Querschiffes) wird auch F.’s Schüler Raffaellin del Garbo zugeschrieben; es ist eine Madonna mit Heiligen und Dona- toren unter einer Halle mit köstlicher Aussicht auf eine Stadt; die Köpfe zum Theil wehmüthig holdselig wie in den schönsten Bildern des Lorenzo di Credi.
Von F.’s Fresken sind die wahrscheinlich frühsten, im Carmine zuf Florenz (S. 798, b) die vorzüglichsten, eine würdige und stylgemässe Fortsetzung der Arbeit Masaccio’s. Die Gruppe des vom Tode erweckten Königssohnes, Petrus und Paulus vor dem Proconsul, Petri Befreiung. Aber auch in den Wunderthaten der Apostel Johannes und Philippus, womit er die Capella Strozzi in S. M. novella (die erste vomg Chore rechts) ausschmückte, kann ich nichts weniger als ein Sinken seines künstlerischen Vermögens erkennen; er erzählt hier nur mehr in seiner Weise, als einer der grössten Dramatiker des XV. Jahrh., aller- dings mit sehr merklichen Unarten z. B. schwerbauschigen, weitflat- ternden Gewändern, conventionellen Köpfen, die aber durch anderes Einzelnes von grösster Schönheit aufgewogen werden. Entschieden geringer sind die Fresken in der Minerva zu Rom (Cap. Carafa), woh er freilich eine Aufgabe lösen musste, die nicht mehr ins XV. Jahr- hundert gehörte: die Glorie des heil. Thomas, als allegorisches Ce- remonienbild.
Parallel mit Sandro und Pilippino geht Cosimo Rosselli, des- sen einziges zu Florenz vorhandenes Fresco (1456) in S. Ambrogio
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Sandro. Filippino Lippi.
besucht, ein Werk voll naiver Schönheit, ist allerdings noch aus frü-
her Zeit; die Kreuzabnahme in der Academie dagegen, wozu Perugino
die untere Gruppe gemalt hat, — sowie die Madonna mit Heiligen in
S. Domenico zu Bologna (kleine Cap. zunächst rechts vom Chor), da-
tirt 1501, gehören zu den spätern Werken, in welchen man bei vie-
lem Schönen doch den gleichmässigen Schwung vermisst. — Ein paar
Breitbilder mit vielen kleinen Figuren, wie dasjenige mit der todten
Lucretia (Pal. Pitti) und die mit der Geschichte der Esther (Pal. To-
rigiani in Florenz) sind Belege für die Art mehrerer damaliger Flo-
rentiner, die profane Historie als figurenreiche Theaterscene zu styli-
siren. — Das prächtige Bild in S. Spirito (vom Langhaus kommend der
fünfte Altar des rechten Querschiffes) wird auch F.’s Schüler Raffaellin
del Garbo zugeschrieben; es ist eine Madonna mit Heiligen und Dona-
toren unter einer Halle mit köstlicher Aussicht auf eine Stadt; die
Köpfe zum Theil wehmüthig holdselig wie in den schönsten Bildern
des Lorenzo di Credi.
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Von F.’s Fresken sind die wahrscheinlich frühsten, im Carmine zu
Florenz (S. 798, b) die vorzüglichsten, eine würdige und stylgemässe
Fortsetzung der Arbeit Masaccio’s. Die Gruppe des vom Tode erweckten
Königssohnes, Petrus und Paulus vor dem Proconsul, Petri Befreiung.
Aber auch in den Wunderthaten der Apostel Johannes und Philippus,
womit er die Capella Strozzi in S. M. novella (die erste vom
Chore rechts) ausschmückte, kann ich nichts weniger als ein Sinken
seines künstlerischen Vermögens erkennen; er erzählt hier nur mehr in
seiner Weise, als einer der grössten Dramatiker des XV. Jahrh., aller-
dings mit sehr merklichen Unarten z. B. schwerbauschigen, weitflat-
ternden Gewändern, conventionellen Köpfen, die aber durch anderes
Einzelnes von grösster Schönheit aufgewogen werden. Entschieden
geringer sind die Fresken in der Minerva zu Rom (Cap. Carafa), wo
er freilich eine Aufgabe lösen musste, die nicht mehr ins XV. Jahr-
hundert gehörte: die Glorie des heil. Thomas, als allegorisches Ce-
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sen einziges zu Florenz vorhandenes Fresco (1456) in S. Ambrogio
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/825>, abgerufen am 18.12.2024.
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