das Christuskind durchgängig sehr schön gebildet. In Prato: im Refecto-a rium von S. Domenico: eine Geburt Christi mit S. Michael und S. Tho- mas Aq.; -- im Pal. del Commune: Madonna della Cintola und eineb Predella, in einem dunkeln Raum aufgestellt. -- Zu Florenz, in der Academie: herrliche Madonna mit vier Heiligen, alle unter einer Ar-c chitektur, für die Gewandung sein schönstes Tafelbild; -- ebenda: die grosse Krönung Mariä, spät, wie sein eigenes Greisenbildniss und die gedämpfte, aber ganz klare Farbe beweist; als überfüllt wirkend, weil der Gegenstand -- eine Glorie -- in einen irdisch greifbaren Raum übertragen ist; dabei reich an wesentlich neuem Leben; -- dazu die schöne Predella. -- Uffizien: zwei Engel heben der Madonna das nachd ihr verlangende Kind entgegen; sie zögert betend. -- Pal. Pitti: grossese Rundbild der sitzenden Madonna (Kniestück); hinten die Wochenstube der Elisabeth und die Visitation; ein Thema, das recht dazu einlud, die früher durch Goldstäbe zu Einzelscenen getrennten Vorgänge zu Einem Bilde zu verschmelzen, den Hausaltar zum häuslichen Gemälde um- zubilden. -- Pal. Corsini: Mehreres. -- Im linken Querschiff vonf S. Spirito, vierter Alt., eine Trinität mit S. Catharina und S. Magdalenag (angeblich peruginische Schule); -- in S. Lucia de' magnoli, ersterh Alt. links, eine Verkündigung; -- im linken Querschiff von S. Lorenzo,i Cap. links, eine Verkündigung; -- in S. Micchele zu Lucca, rechts,k Madonna mit vier Heiligen; -- in der Academie zu Pisa: Madonnal mit zwei Engeln und vier. Heiligen etc.
Sandro Botticelli (1447--1515), Filippo's Schüler, ist im Verhältniss zu dem, was er gewollt hat, nirgends ganz durchgebildet. Er liebte, das Leben und den Affect in einer selbst stürmischen Be- wegung auszudrücken und malte eine oft ungeschickte Hast. Er strebte nach einem Schönheitsideal und blieb bei einem stets wieder- kehrenden, von Weitem kenntlichen Kopftypus stehen, den er hie und da äusserst liebenswürdig, oft aber ganz roh und leblos reproducirt. (Es ist nicht der Kopf der bella Simonetta, wenn das Profilbild im Pal. Pitti, Sala di Prometeo, dieses Mädchen wirklich vorstellt.) Unterm den Florentinern ist S. einer der frühsten, welche der mythologischen und allegorischen Profanmalerei im Sinne der Renaissance eine dauernde Hingebung bewiesen haben.
B. Cicerone. 51
Lippo Lippi. Sandro.
das Christuskind durchgängig sehr schön gebildet. In Prato: im Refecto-a rium von S. Domenico: eine Geburt Christi mit S. Michael und S. Tho- mas Aq.; — im Pal. del Commune: Madonna della Cintola und eineb Predella, in einem dunkeln Raum aufgestellt. — Zu Florenz, in der Academie: herrliche Madonna mit vier Heiligen, alle unter einer Ar-c chitektur, für die Gewandung sein schönstes Tafelbild; — ebenda: die grosse Krönung Mariä, spät, wie sein eigenes Greisenbildniss und die gedämpfte, aber ganz klare Farbe beweist; als überfüllt wirkend, weil der Gegenstand — eine Glorie — in einen irdisch greifbaren Raum übertragen ist; dabei reich an wesentlich neuem Leben; — dazu die schöne Predella. — Uffizien: zwei Engel heben der Madonna das nachd ihr verlangende Kind entgegen; sie zögert betend. — Pal. Pitti: grossese Rundbild der sitzenden Madonna (Kniestück); hinten die Wochenstube der Elisabeth und die Visitation; ein Thema, das recht dazu einlud, die früher durch Goldstäbe zu Einzelscenen getrennten Vorgänge zu Einem Bilde zu verschmelzen, den Hausaltar zum häuslichen Gemälde um- zubilden. — Pal. Corsini: Mehreres. — Im linken Querschiff vonf S. Spirito, vierter Alt., eine Trinität mit S. Catharina und S. Magdalenag (angeblich peruginische Schule); — in S. Lucia de’ magnoli, ersterh Alt. links, eine Verkündigung; — im linken Querschiff von S. Lorenzo,i Cap. links, eine Verkündigung; — in S. Micchele zu Lucca, rechts,k Madonna mit vier Heiligen; — in der Academie zu Pisa: Madonnal mit zwei Engeln und vier. Heiligen etc.
Sandro Botticelli (1447—1515), Filippo’s Schüler, ist im Verhältniss zu dem, was er gewollt hat, nirgends ganz durchgebildet. Er liebte, das Leben und den Affect in einer selbst stürmischen Be- wegung auszudrücken und malte eine oft ungeschickte Hast. Er strebte nach einem Schönheitsideal und blieb bei einem stets wieder- kehrenden, von Weitem kenntlichen Kopftypus stehen, den er hie und da äusserst liebenswürdig, oft aber ganz roh und leblos reproducirt. (Es ist nicht der Kopf der bella Simonetta, wenn das Profilbild im Pal. Pitti, Sala di Prometeo, dieses Mädchen wirklich vorstellt.) Unterm den Florentinern ist S. einer der frühsten, welche der mythologischen und allegorischen Profanmalerei im Sinne der Renaissance eine dauernde Hingebung bewiesen haben.
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Lippo Lippi. Sandro.
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mas Aq.; — im Pal. del Commune: Madonna della Cintola und eine
Predella, in einem dunkeln Raum aufgestellt. — Zu Florenz, in der
Academie: herrliche Madonna mit vier Heiligen, alle unter einer Ar-
chitektur, für die Gewandung sein schönstes Tafelbild; — ebenda: die
grosse Krönung Mariä, spät, wie sein eigenes Greisenbildniss und die
gedämpfte, aber ganz klare Farbe beweist; als überfüllt wirkend, weil
der Gegenstand — eine Glorie — in einen irdisch greifbaren Raum
übertragen ist; dabei reich an wesentlich neuem Leben; — dazu die
schöne Predella. — Uffizien: zwei Engel heben der Madonna das nach
ihr verlangende Kind entgegen; sie zögert betend. — Pal. Pitti: grosses
Rundbild der sitzenden Madonna (Kniestück); hinten die Wochenstube
der Elisabeth und die Visitation; ein Thema, das recht dazu einlud, die
früher durch Goldstäbe zu Einzelscenen getrennten Vorgänge zu Einem
Bilde zu verschmelzen, den Hausaltar zum häuslichen Gemälde um-
zubilden. — Pal. Corsini: Mehreres. — Im linken Querschiff von
S. Spirito, vierter Alt., eine Trinität mit S. Catharina und S. Magdalena
(angeblich peruginische Schule); — in S. Lucia de’ magnoli, erster
Alt. links, eine Verkündigung; — im linken Querschiff von S. Lorenzo,
Cap. links, eine Verkündigung; — in S. Micchele zu Lucca, rechts,
Madonna mit vier Heiligen; — in der Academie zu Pisa: Madonna
mit zwei Engeln und vier. Heiligen etc.
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Sandro Botticelli (1447—1515), Filippo’s Schüler, ist im
Verhältniss zu dem, was er gewollt hat, nirgends ganz durchgebildet.
Er liebte, das Leben und den Affect in einer selbst stürmischen Be-
wegung auszudrücken und malte eine oft ungeschickte Hast. Er
strebte nach einem Schönheitsideal und blieb bei einem stets wieder-
kehrenden, von Weitem kenntlichen Kopftypus stehen, den er hie und
da äusserst liebenswürdig, oft aber ganz roh und leblos reproducirt.
(Es ist nicht der Kopf der bella Simonetta, wenn das Profilbild im
Pal. Pitti, Sala di Prometeo, dieses Mädchen wirklich vorstellt.) Unter
den Florentinern ist S. einer der frühsten, welche der mythologischen
und allegorischen Profanmalerei im Sinne der Renaissance eine dauernde
Hingebung bewiesen haben.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 801. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/823>, abgerufen am 18.12.2024.
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