ausgezeichnet; -- zwei dazu gehörende Stücke und ausserdem diea wundervolle Verkündigung in der Sacristei von S. Domenico zu Pe- rugia, nebst geringern; -- u. a. a. O.)
Die grössern Staffeleibilder genügen viel weniger. (Statt aller das grosse Altarwerk in den Uffizien, 1. Gang, mit doppelt bemaltenb Seitenflügeln, an welchem die klein ausgeführten Engel rings um die lebensgrosse Madonna bei weitem das Beste sind.) Es scheint als habe der Maler eine fromme Befangenheit bei Hauptbildern für Altäre nicht überwinden können, während er in den Predellen, Giebelbildern, Seitenfigürchen u. s. w. sich so frei und schön bewegte; auch wirkt die überfleissige Ausführung bei der noch ungenügenden allgemeinen Körperkenntniss nicht günstig. Die grosse Kreuzabnahme in der Aca-c demie zu Florenz (Hauptsaal) erscheint befangen, vielleicht gerade durch die Masse von Ausdruck, die darin zusammengedrängt ist; die Leiche ist gut modellirt, ihr Herabsenken glücklich gegeben, das Bild überhaupt das Beste unter den Grossen. Auch das Altarwerk in S.d Domenico zu Cortona (hinten, rechts) gehört zu den Bessern.
Die bezeichneten Mängel fielen weg bei der Frescomalerei, welche eine gewisse Mässigung in den Darstellungsmitteln unvermeid- lich machte und den Künstler nicht durch den Gedanken, ein Cultus- bild malen zu müssen, ängstigte.
Einen wahrhaft einzigen Eindruck machen vor Allem die Ma- lereien, womit Fiesole seinen langjährigen Wohnsitz, nämlich das Dominicanerkloster S. Marco zu Florenz ausschmückte. Hier iste er zu Hause, hier darf er seine Ideen frisch wie ihn der Geist treibt in den ärmlichen Klostergängen, in den kleinen Zellen besonders werther Ordensgenossen verwirklichen; darum glaubt man auch ge- rade in den Fresken der Zellen die Inspiration deutlicher zu fühlen als in den Altarbildern des Meisters. Mir wurden sieben Zellen, sämmtlich im obern Stockwerk, geöffnet, und ich glaube sagen zu dürfen, dass die sämmtlichen Wandgemälde derselben, wenn auch in befangener Form, die höchste mögliche Lösung der betreffenden Auf- gaben zwar nicht erreichen, aber doch berühren. (Christus in der Vorhölle; -- eine Bergpredigt; -- die Versuchung in der Wüste; -- Christus am Kreuz mit den Seinigen und mit dem weinenden S. Do- minicus; -- noch ein Gekreuzigter mit den Seinigen; -- die Marien
Staffeleibilder. Fresken in S. Marco.
ausgezeichnet; — zwei dazu gehörende Stücke und ausserdem diea wundervolle Verkündigung in der Sacristei von S. Domenico zu Pe- rugia, nebst geringern; — u. a. a. O.)
Die grössern Staffeleibilder genügen viel weniger. (Statt aller das grosse Altarwerk in den Uffizien, 1. Gang, mit doppelt bemaltenb Seitenflügeln, an welchem die klein ausgeführten Engel rings um die lebensgrosse Madonna bei weitem das Beste sind.) Es scheint als habe der Maler eine fromme Befangenheit bei Hauptbildern für Altäre nicht überwinden können, während er in den Predellen, Giebelbildern, Seitenfigürchen u. s. w. sich so frei und schön bewegte; auch wirkt die überfleissige Ausführung bei der noch ungenügenden allgemeinen Körperkenntniss nicht günstig. Die grosse Kreuzabnahme in der Aca-c demie zu Florenz (Hauptsaal) erscheint befangen, vielleicht gerade durch die Masse von Ausdruck, die darin zusammengedrängt ist; die Leiche ist gut modellirt, ihr Herabsenken glücklich gegeben, das Bild überhaupt das Beste unter den Grossen. Auch das Altarwerk in S.d Domenico zu Cortona (hinten, rechts) gehört zu den Bessern.
Die bezeichneten Mängel fielen weg bei der Frescomalerei, welche eine gewisse Mässigung in den Darstellungsmitteln unvermeid- lich machte und den Künstler nicht durch den Gedanken, ein Cultus- bild malen zu müssen, ängstigte.
Einen wahrhaft einzigen Eindruck machen vor Allem die Ma- lereien, womit Fiesole seinen langjährigen Wohnsitz, nämlich das Dominicanerkloster S. Marco zu Florenz ausschmückte. Hier iste er zu Hause, hier darf er seine Ideen frisch wie ihn der Geist treibt in den ärmlichen Klostergängen, in den kleinen Zellen besonders werther Ordensgenossen verwirklichen; darum glaubt man auch ge- rade in den Fresken der Zellen die Inspiration deutlicher zu fühlen als in den Altarbildern des Meisters. Mir wurden sieben Zellen, sämmtlich im obern Stockwerk, geöffnet, und ich glaube sagen zu dürfen, dass die sämmtlichen Wandgemälde derselben, wenn auch in befangener Form, die höchste mögliche Lösung der betreffenden Auf- gaben zwar nicht erreichen, aber doch berühren. (Christus in der Vorhölle; — eine Bergpredigt; — die Versuchung in der Wüste; — Christus am Kreuz mit den Seinigen und mit dem weinenden S. Do- minicus; — noch ein Gekreuzigter mit den Seinigen; — die Marien
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[789/0811]
Staffeleibilder. Fresken in S. Marco.
ausgezeichnet; — zwei dazu gehörende Stücke und ausserdem die
wundervolle Verkündigung in der Sacristei von S. Domenico zu Pe-
rugia, nebst geringern; — u. a. a. O.)
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Die grössern Staffeleibilder genügen viel weniger. (Statt aller
das grosse Altarwerk in den Uffizien, 1. Gang, mit doppelt bemalten
Seitenflügeln, an welchem die klein ausgeführten Engel rings um die
lebensgrosse Madonna bei weitem das Beste sind.) Es scheint als
habe der Maler eine fromme Befangenheit bei Hauptbildern für Altäre
nicht überwinden können, während er in den Predellen, Giebelbildern,
Seitenfigürchen u. s. w. sich so frei und schön bewegte; auch wirkt
die überfleissige Ausführung bei der noch ungenügenden allgemeinen
Körperkenntniss nicht günstig. Die grosse Kreuzabnahme in der Aca-
demie zu Florenz (Hauptsaal) erscheint befangen, vielleicht gerade
durch die Masse von Ausdruck, die darin zusammengedrängt ist; die
Leiche ist gut modellirt, ihr Herabsenken glücklich gegeben, das Bild
überhaupt das Beste unter den Grossen. Auch das Altarwerk in S.
Domenico zu Cortona (hinten, rechts) gehört zu den Bessern.
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Die bezeichneten Mängel fielen weg bei der Frescomalerei,
welche eine gewisse Mässigung in den Darstellungsmitteln unvermeid-
lich machte und den Künstler nicht durch den Gedanken, ein Cultus-
bild malen zu müssen, ängstigte.
Einen wahrhaft einzigen Eindruck machen vor Allem die Ma-
lereien, womit Fiesole seinen langjährigen Wohnsitz, nämlich das
Dominicanerkloster S. Marco zu Florenz ausschmückte. Hier ist
er zu Hause, hier darf er seine Ideen frisch wie ihn der Geist treibt
in den ärmlichen Klostergängen, in den kleinen Zellen besonders
werther Ordensgenossen verwirklichen; darum glaubt man auch ge-
rade in den Fresken der Zellen die Inspiration deutlicher zu fühlen
als in den Altarbildern des Meisters. Mir wurden sieben Zellen,
sämmtlich im obern Stockwerk, geöffnet, und ich glaube sagen zu
dürfen, dass die sämmtlichen Wandgemälde derselben, wenn auch in
befangener Form, die höchste mögliche Lösung der betreffenden Auf-
gaben zwar nicht erreichen, aber doch berühren. (Christus in der
Vorhölle; — eine Bergpredigt; — die Versuchung in der Wüste; —
Christus am Kreuz mit den Seinigen und mit dem weinenden S. Do-
minicus; — noch ein Gekreuzigter mit den Seinigen; — die Marien
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 789. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/811>, abgerufen am 18.12.2024.
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