Die Kunstübung Venedigs, mit wenigen Ausnahmen (wie die Mosaiken in der Cap. S. Isidoro und der Cap. de' mascoli in S. Marco, S. 737, c. u. d.) auf Altartafeln beschränkt, empfand von Giotto's Einfluss am wenigsten. Die Prachtausstattung, die tiefen Lackfarben, auch die grünlichen Schatten im Fleische und der Farbenauftrag erinnern noch direct an die lange Herrschaft der Byzantiner; in der Süssigkeit ein- zelner Köpfe scheint auch ein sienesischer Anklang zu liegen. (Altar- awerke von Nic. Semitecolo und Lor. Veneziano, 1357 oder b1367 in der Academie; von Niccolo di Pietro 1394 im Pal. Manfrin.)
Gegen die Mitte des XV. Jahrh. gehen aus einer Werkstatt von Murano jene prächtigen Altarwerke hervor, an welchen schon die gothische Einfassung (S. 213), wo sie erhalten ist, die Absicht auf den höchsten Glanz des Reichthums darthut. Sie sind bezeichnet: Johannes und Antonius von Murano; Johannes aber heisst mehrmals Alamannus und war ohne Zweifel ein Deutscher; Antonius gehörte zu der später berühmten Künstlerfamilie der Vivarini. cDrei Altarwerke, mit den Daten 1443 und 1444 finden sich in S. Zaccaria zu Venedig (2. Nebencap. rechts), eine figurenreiche Krönung dMariä mit dem (neu aufgemalten) Datum 1440 in der Academie ebenda, eein ähnliches Bild in S. Pantaleon (Cap. links vom Chor), endlich fwiederum in der Academie ein grosses Gemälde vom Jahr 1446: Maria thronend zwischen den vier Kirchenlehrern. Einen kenntlichen deutschen Einfluss offenbart nur etwa diese schöne, stille Maria; in der weichen Carnation liegt eher eine Hinweisung auf Gentile da Fa- briano, welcher sich längere Zeit in Venedig aufhielt. Gegenüber den Staffeleibildern der alten Florentiner ist namentlich die tiefe, durch- sichtige Farbe zu beachten; es ist der Übergang vom byzantinischen Colorit zu demjenigen des Giov. Bellini. Die Gewandung hat noch das Feierliche des germanischen Styles; in der ganzen, individuali- sirenden Auffassung aber meldet sich schon der Einfluss des XV. gJahrh., welcher endlich in dem grossen Altarwerk der Pinacoteca von Bologna, von Antonio und Bartolommeo da Murano (d. h. Vivarini), 1450, bereits harte und düstere Charakterköpfe hervorbringt. (Dasselbe weicht auch in der glanzlosern Farbe von obigen Werken ab, gleicht ihnen aber in der miniaturartigen Sorgfalt.)
Malerei des germanischen Styles. Venedig.
Die Kunstübung Venedigs, mit wenigen Ausnahmen (wie die Mosaiken in der Cap. S. Isidoro und der Cap. de’ mascoli in S. Marco, S. 737, c. u. d.) auf Altartafeln beschränkt, empfand von Giotto’s Einfluss am wenigsten. Die Prachtausstattung, die tiefen Lackfarben, auch die grünlichen Schatten im Fleische und der Farbenauftrag erinnern noch direct an die lange Herrschaft der Byzantiner; in der Süssigkeit ein- zelner Köpfe scheint auch ein sienesischer Anklang zu liegen. (Altar- awerke von Nic. Semitecolo und Lor. Veneziano, 1357 oder b1367 in der Academie; von Niccolò di Pietro 1394 im Pal. Manfrin.)
Gegen die Mitte des XV. Jahrh. gehen aus einer Werkstatt von Murano jene prächtigen Altarwerke hervor, an welchen schon die gothische Einfassung (S. 213), wo sie erhalten ist, die Absicht auf den höchsten Glanz des Reichthums darthut. Sie sind bezeichnet: Johannes und Antonius von Murano; Johannes aber heisst mehrmals Alamannus und war ohne Zweifel ein Deutscher; Antonius gehörte zu der später berühmten Künstlerfamilie der Vivarini. cDrei Altarwerke, mit den Daten 1443 und 1444 finden sich in S. Zaccaria zu Venedig (2. Nebencap. rechts), eine figurenreiche Krönung dMariä mit dem (neu aufgemalten) Datum 1440 in der Academie ebenda, eein ähnliches Bild in S. Pantaleon (Cap. links vom Chor), endlich fwiederum in der Academie ein grosses Gemälde vom Jahr 1446: Maria thronend zwischen den vier Kirchenlehrern. Einen kenntlichen deutschen Einfluss offenbart nur etwa diese schöne, stille Maria; in der weichen Carnation liegt eher eine Hinweisung auf Gentile da Fa- briano, welcher sich längere Zeit in Venedig aufhielt. Gegenüber den Staffeleibildern der alten Florentiner ist namentlich die tiefe, durch- sichtige Farbe zu beachten; es ist der Übergang vom byzantinischen Colorit zu demjenigen des Giov. Bellini. Die Gewandung hat noch das Feierliche des germanischen Styles; in der ganzen, individuali- sirenden Auffassung aber meldet sich schon der Einfluss des XV. gJahrh., welcher endlich in dem grossen Altarwerk der Pinacoteca von Bologna, von Antonio und Bartolommeo da Murano (d. h. Vivarini), 1450, bereits harte und düstere Charakterköpfe hervorbringt. (Dasselbe weicht auch in der glanzlosern Farbe von obigen Werken ab, gleicht ihnen aber in der miniaturartigen Sorgfalt.)
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0808"n="786"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Malerei des germanischen Styles. Venedig.</hi></fw><lb/><p>Die Kunstübung <hirendition="#g">Venedigs</hi>, mit wenigen Ausnahmen (wie die<lb/>
Mosaiken in der Cap. S. Isidoro und der Cap. de’ mascoli in S. Marco,<lb/>
S. 737, c. u. d.) auf Altartafeln beschränkt, empfand von Giotto’s Einfluss<lb/>
am wenigsten. Die Prachtausstattung, die tiefen Lackfarben, auch die<lb/>
grünlichen Schatten im Fleische und der Farbenauftrag erinnern noch<lb/>
direct an die lange Herrschaft der Byzantiner; in der Süssigkeit ein-<lb/>
zelner Köpfe scheint auch ein sienesischer Anklang zu liegen. (Altar-<lb/><noteplace="left">a</note>werke von <hirendition="#g">Nic. Semitecolo</hi> und <hirendition="#g">Lor. Veneziano</hi>, 1357 oder<lb/><noteplace="left">b</note>1367 in der Academie; von <hirendition="#g">Niccolò di Pietro</hi> 1394 im Pal. Manfrin.)</p><lb/><p>Gegen die Mitte des XV. Jahrh. gehen aus einer Werkstatt von<lb/><hirendition="#g">Murano</hi> jene prächtigen Altarwerke hervor, an welchen schon die<lb/>
gothische Einfassung (S. 213), wo sie erhalten ist, die Absicht auf<lb/>
den höchsten Glanz des Reichthums darthut. Sie sind bezeichnet:<lb/><hirendition="#g">Johannes</hi> und <hirendition="#g">Antonius</hi> von <hirendition="#g">Murano</hi>; Johannes aber heisst<lb/>
mehrmals Alamannus und war ohne Zweifel ein Deutscher; Antonius<lb/>
gehörte zu der später berühmten Künstlerfamilie der <hirendition="#g">Vivarini</hi>.<lb/><noteplace="left">c</note>Drei Altarwerke, mit den Daten 1443 und 1444 finden sich in S.<lb/>
Zaccaria zu Venedig (2. Nebencap. <choice><sic>rcchts</sic><corr>rechts</corr></choice>), eine figurenreiche Krönung<lb/><noteplace="left">d</note>Mariä mit dem (neu aufgemalten) Datum 1440 in der Academie ebenda,<lb/><noteplace="left">e</note>ein ähnliches Bild in S. Pantaleon (Cap. links vom Chor), endlich<lb/><noteplace="left">f</note>wiederum in der Academie ein grosses Gemälde vom Jahr 1446:<lb/>
Maria thronend zwischen den vier Kirchenlehrern. Einen kenntlichen<lb/>
deutschen Einfluss offenbart nur etwa diese schöne, stille Maria; in<lb/>
der weichen Carnation liegt eher eine Hinweisung auf Gentile da Fa-<lb/>
briano, welcher sich längere Zeit in Venedig aufhielt. Gegenüber den<lb/>
Staffeleibildern der alten Florentiner ist namentlich die tiefe, durch-<lb/>
sichtige Farbe zu beachten; es ist der Übergang vom byzantinischen<lb/>
Colorit zu demjenigen des Giov. Bellini. Die Gewandung hat noch<lb/>
das Feierliche des germanischen Styles; in der ganzen, individuali-<lb/>
sirenden Auffassung aber meldet sich schon der Einfluss des XV.<lb/><noteplace="left">g</note>Jahrh., welcher endlich in dem grossen Altarwerk der Pinacoteca<lb/>
von Bologna, von <hirendition="#g">Antonio</hi> und <hirendition="#g">Bartolommeo da Murano</hi><lb/>
(d. h. <hirendition="#g">Vivarini</hi>), 1450, bereits harte und düstere Charakterköpfe<lb/>
hervorbringt. (Dasselbe weicht auch in der glanzlosern Farbe von<lb/>
obigen Werken ab, gleicht ihnen aber in der miniaturartigen Sorgfalt.)</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[786/0808]
Malerei des germanischen Styles. Venedig.
Die Kunstübung Venedigs, mit wenigen Ausnahmen (wie die
Mosaiken in der Cap. S. Isidoro und der Cap. de’ mascoli in S. Marco,
S. 737, c. u. d.) auf Altartafeln beschränkt, empfand von Giotto’s Einfluss
am wenigsten. Die Prachtausstattung, die tiefen Lackfarben, auch die
grünlichen Schatten im Fleische und der Farbenauftrag erinnern noch
direct an die lange Herrschaft der Byzantiner; in der Süssigkeit ein-
zelner Köpfe scheint auch ein sienesischer Anklang zu liegen. (Altar-
werke von Nic. Semitecolo und Lor. Veneziano, 1357 oder
1367 in der Academie; von Niccolò di Pietro 1394 im Pal. Manfrin.)
a
b
Gegen die Mitte des XV. Jahrh. gehen aus einer Werkstatt von
Murano jene prächtigen Altarwerke hervor, an welchen schon die
gothische Einfassung (S. 213), wo sie erhalten ist, die Absicht auf
den höchsten Glanz des Reichthums darthut. Sie sind bezeichnet:
Johannes und Antonius von Murano; Johannes aber heisst
mehrmals Alamannus und war ohne Zweifel ein Deutscher; Antonius
gehörte zu der später berühmten Künstlerfamilie der Vivarini.
Drei Altarwerke, mit den Daten 1443 und 1444 finden sich in S.
Zaccaria zu Venedig (2. Nebencap. rechts), eine figurenreiche Krönung
Mariä mit dem (neu aufgemalten) Datum 1440 in der Academie ebenda,
ein ähnliches Bild in S. Pantaleon (Cap. links vom Chor), endlich
wiederum in der Academie ein grosses Gemälde vom Jahr 1446:
Maria thronend zwischen den vier Kirchenlehrern. Einen kenntlichen
deutschen Einfluss offenbart nur etwa diese schöne, stille Maria; in
der weichen Carnation liegt eher eine Hinweisung auf Gentile da Fa-
briano, welcher sich längere Zeit in Venedig aufhielt. Gegenüber den
Staffeleibildern der alten Florentiner ist namentlich die tiefe, durch-
sichtige Farbe zu beachten; es ist der Übergang vom byzantinischen
Colorit zu demjenigen des Giov. Bellini. Die Gewandung hat noch
das Feierliche des germanischen Styles; in der ganzen, individuali-
sirenden Auffassung aber meldet sich schon der Einfluss des XV.
Jahrh., welcher endlich in dem grossen Altarwerk der Pinacoteca
von Bologna, von Antonio und Bartolommeo da Murano
(d. h. Vivarini), 1450, bereits harte und düstere Charakterköpfe
hervorbringt. (Dasselbe weicht auch in der glanzlosern Farbe von
obigen Werken ab, gleicht ihnen aber in der miniaturartigen Sorgfalt.)
c
d
e
f
g
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 786. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/808>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.