chalkirchen bemächtigt und ebenfalls in Mosaik zu arbeiten anfängt. Von da an scheint ein wahrer Kampf begonnen zu haben; die by- zantinisch Gesinnten behaupten theils mit aller Macht ihren Schlen- drian, theils nehmen sie den neuen Styl in die Lehre, vermischen ihn mit dem ihrigen, suchen ihm seine wahre kecke Physiognomie zu nehmen. In den genannten Werken von Parma und Venedig taucht er ungebändigt wieder empor, allein daneben behauptet sich auch der Byzantinismus, sowohl in seiner schroffen Gestalt als auch mit ein- zelnen Concessionen; sein völliger Sturz tritt erst durch die Schule Giotto's ein. Was ihn so lange aufrecht hielt war wesentlich seine Verbindung mit der vornehmsten, heiligsten Gattung der Malerei, mit dem Mosaik. Erst als dieses selber zwar nicht seine Fortdauer aber doch seine Herrschaft unwiederbringlich einbüsste, als ganz Italien sich an Fresken zu begeistern im Stande war, -- da erstarb auch der byzantinische Styl.
In Toscana besass er gerade zu Anfang des XIII. Jahrh., als die höhere Blüthe des Landes (Pisa ausgenommen) erst begann, das un- läugbare Übergewicht. Das Verdienst der toscanischen Maler der nächstfolgenden Zeit, mit welchen man einst nach Vasari's Vorgang die Kunstgeschichten zu beginnen pflegte, bestand auch nicht sowohl in einem sofortigen Umsturz dieses Styles, als in einer neuen Belebung desselben; innerhalb der byzantinischen Gesammtauffassung wird das Einzelne freier, lebendiger und schöner, bis endlich die Hülle völlig gesprengt ist.
Diess gilt zunächst von Guido da Siena. Auch in seiner Va- terstadt herrschte noch der Byzantinismus, wie die ältesten Werke der dortigen Academie beweisen. (Mit Ausnahme etwa des oben S. 556, d erwähnten Altarvorsatzes vom Jahr 1215, welcher eine rohea romanische Arbeit ist.) Allein Guido's grosse Madonna vom Jahr 1221b in S. Domenico (2. Cap. links vom Chor) zeigt innerhalb der rituellen byzant. Anlage nicht nur einen Anfang von Lieblichkeit, sondern auch, namentlich in der Stellung des Kindes, ein Gefühl für Linien und eine lebendige Zeichnung. Die Madonna des Diotisalvi in der Con-c cezione (oder ai Servi, rechts), volle 60 Jahre jünger, ist nicht nur
Toscana. Guido da Siena.
chalkirchen bemächtigt und ebenfalls in Mosaik zu arbeiten anfängt. Von da an scheint ein wahrer Kampf begonnen zu haben; die by- zantinisch Gesinnten behaupten theils mit aller Macht ihren Schlen- drian, theils nehmen sie den neuen Styl in die Lehre, vermischen ihn mit dem ihrigen, suchen ihm seine wahre kecke Physiognomie zu nehmen. In den genannten Werken von Parma und Venedig taucht er ungebändigt wieder empor, allein daneben behauptet sich auch der Byzantinismus, sowohl in seiner schroffen Gestalt als auch mit ein- zelnen Concessionen; sein völliger Sturz tritt erst durch die Schule Giotto’s ein. Was ihn so lange aufrecht hielt war wesentlich seine Verbindung mit der vornehmsten, heiligsten Gattung der Malerei, mit dem Mosaik. Erst als dieses selber zwar nicht seine Fortdauer aber doch seine Herrschaft unwiederbringlich einbüsste, als ganz Italien sich an Fresken zu begeistern im Stande war, — da erstarb auch der byzantinische Styl.
In Toscana besass er gerade zu Anfang des XIII. Jahrh., als die höhere Blüthe des Landes (Pisa ausgenommen) erst begann, das un- läugbare Übergewicht. Das Verdienst der toscanischen Maler der nächstfolgenden Zeit, mit welchen man einst nach Vasari’s Vorgang die Kunstgeschichten zu beginnen pflegte, bestand auch nicht sowohl in einem sofortigen Umsturz dieses Styles, als in einer neuen Belebung desselben; innerhalb der byzantinischen Gesammtauffassung wird das Einzelne freier, lebendiger und schöner, bis endlich die Hülle völlig gesprengt ist.
Diess gilt zunächst von Guido da Siena. Auch in seiner Va- terstadt herrschte noch der Byzantinismus, wie die ältesten Werke der dortigen Academie beweisen. (Mit Ausnahme etwa des oben S. 556, d erwähnten Altarvorsatzes vom Jahr 1215, welcher eine rohea romanische Arbeit ist.) Allein Guido’s grosse Madonna vom Jahr 1221b in S. Domenico (2. Cap. links vom Chor) zeigt innerhalb der rituellen byzant. Anlage nicht nur einen Anfang von Lieblichkeit, sondern auch, namentlich in der Stellung des Kindes, ein Gefühl für Linien und eine lebendige Zeichnung. Die Madonna des Diotisalvi in der Con-c cezione (oder ai Servi, rechts), volle 60 Jahre jünger, ist nicht nur
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Toscana. Guido da Siena.
chalkirchen bemächtigt und ebenfalls in Mosaik zu arbeiten anfängt.
Von da an scheint ein wahrer Kampf begonnen zu haben; die by-
zantinisch Gesinnten behaupten theils mit aller Macht ihren Schlen-
drian, theils nehmen sie den neuen Styl in die Lehre, vermischen ihn
mit dem ihrigen, suchen ihm seine wahre kecke Physiognomie zu
nehmen. In den genannten Werken von Parma und Venedig taucht
er ungebändigt wieder empor, allein daneben behauptet sich auch der
Byzantinismus, sowohl in seiner schroffen Gestalt als auch mit ein-
zelnen Concessionen; sein völliger Sturz tritt erst durch die Schule
Giotto’s ein. Was ihn so lange aufrecht hielt war wesentlich seine
Verbindung mit der vornehmsten, heiligsten Gattung der Malerei, mit
dem Mosaik. Erst als dieses selber zwar nicht seine Fortdauer aber
doch seine Herrschaft unwiederbringlich einbüsste, als ganz Italien
sich an Fresken zu begeistern im Stande war, — da erstarb auch der
byzantinische Styl.
In Toscana besass er gerade zu Anfang des XIII. Jahrh., als die
höhere Blüthe des Landes (Pisa ausgenommen) erst begann, das un-
läugbare Übergewicht. Das Verdienst der toscanischen Maler der
nächstfolgenden Zeit, mit welchen man einst nach Vasari’s Vorgang
die Kunstgeschichten zu beginnen pflegte, bestand auch nicht sowohl
in einem sofortigen Umsturz dieses Styles, als in einer neuen Belebung
desselben; innerhalb der byzantinischen Gesammtauffassung wird das
Einzelne freier, lebendiger und schöner, bis endlich die Hülle völlig
gesprengt ist.
Diess gilt zunächst von Guido da Siena. Auch in seiner Va-
terstadt herrschte noch der Byzantinismus, wie die ältesten Werke
der dortigen Academie beweisen. (Mit Ausnahme etwa des oben
S. 556, d erwähnten Altarvorsatzes vom Jahr 1215, welcher eine rohe
romanische Arbeit ist.) Allein Guido’s grosse Madonna vom Jahr 1221
in S. Domenico (2. Cap. links vom Chor) zeigt innerhalb der rituellen
byzant. Anlage nicht nur einen Anfang von Lieblichkeit, sondern auch,
namentlich in der Stellung des Kindes, ein Gefühl für Linien und eine
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/765>, abgerufen am 18.12.2024.
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