nen ist, -- und die unter dem Einfluss der Byzantiner vom VII. Jahrh. an entstandenen. Dieser Einfluss ist mehr oder weniger mächtig; es herrscht ein grosser Unterschied zwischen dem was herübergekom- mene Griechen in Person gearbeitet haben, und dem was ihnen etwa obenhin nachgemacht wird, aber Jahrhunderte hindurch erscheint keine einzige Figur der Kirchenmosaiken von dem byzantinischen Styl gänz- lich unberührt.
Die altchristlichen haben einen zwiefachen hohen historischen Werth. Sie zeigen, wie sich die biblischen Gestalten, hauptsächlich des neuen Testamentes in den Gedanken jener Zeit spiegelten. Bei dem Typus Christi mag eine alte Tradition mitgewirkt haben, doch nicht so bestimmend wie man wohl annimmt. Die Tracht Christi, seiner An- gehörigen und Apostel ist eine ideale, im Ganzen aus der römischen Kunst übernommene. Die übrigen Personen werden durch eine oft prächtige Standestracht charakterisirt. In den Köpfen war ohne Zwei- fel ein Ideal beabsichtigt (wenn auch kein sinnlich schönes), allein die physische Durchschnittsbildung war so sehr gesunken, dass fast lauter eigenthümlich hässliche Gesichter zu Stande kamen. -- Zweitens schafft hier (weniger die Kunst als) die Kirche ein System religiöser Ausdrucksweisen und Gedankenreihen, welche ein geschichtliches Denk- mal ersten Ranges ausmachen. Und zwar ist es meist die Ecclesia triumphans, welche sich ausspricht; nicht das Erdenwallen Christi und der Heiligen, sondern ihre apocalyptische Verherrlichung ist das Haupt- thema. Raumlos, im Unendlichen, daher auf blauem Grunde, häufiger (und später durchgängig) auf Goldgrund existiren diese Gestalten; der ihnen beigegebene Erdboden ist entweder eine schlichte Fläche oder durch Blumen, durch Zugabe des Jordanflusses, der Paradiesesströme etc. symbolisch geschmückt. Die Bewegungen sind mässig und feier- lich; es ist mehr ein Sein als ein Thun. -- Um den Gedankenkreis zu würdigen, der sich hier entwickelt, muss man die Anschauung jener Zeit entweder theilen oder sich hineinversetzen. Die einfache Gegen- überstellung z. B. von Propheten und Aposteln gilt hier schon als Parallele von Verheissung und Erfüllung; eine einfache schreitende Bewegung, ein Kniebeugen genügt als Symbol der Huldigung; das
Altchristliche Mosaiken.
nen ist, — und die unter dem Einfluss der Byzantiner vom VII. Jahrh. an entstandenen. Dieser Einfluss ist mehr oder weniger mächtig; es herrscht ein grosser Unterschied zwischen dem was herübergekom- mene Griechen in Person gearbeitet haben, und dem was ihnen etwa obenhin nachgemacht wird, aber Jahrhunderte hindurch erscheint keine einzige Figur der Kirchenmosaiken von dem byzantinischen Styl gänz- lich unberührt.
Die altchristlichen haben einen zwiefachen hohen historischen Werth. Sie zeigen, wie sich die biblischen Gestalten, hauptsächlich des neuen Testamentes in den Gedanken jener Zeit spiegelten. Bei dem Typus Christi mag eine alte Tradition mitgewirkt haben, doch nicht so bestimmend wie man wohl annimmt. Die Tracht Christi, seiner An- gehörigen und Apostel ist eine ideale, im Ganzen aus der römischen Kunst übernommene. Die übrigen Personen werden durch eine oft prächtige Standestracht charakterisirt. In den Köpfen war ohne Zwei- fel ein Ideal beabsichtigt (wenn auch kein sinnlich schönes), allein die physische Durchschnittsbildung war so sehr gesunken, dass fast lauter eigenthümlich hässliche Gesichter zu Stande kamen. — Zweitens schafft hier (weniger die Kunst als) die Kirche ein System religiöser Ausdrucksweisen und Gedankenreihen, welche ein geschichtliches Denk- mal ersten Ranges ausmachen. Und zwar ist es meist die Ecclesia triumphans, welche sich ausspricht; nicht das Erdenwallen Christi und der Heiligen, sondern ihre apocalyptische Verherrlichung ist das Haupt- thema. Raumlos, im Unendlichen, daher auf blauem Grunde, häufiger (und später durchgängig) auf Goldgrund existiren diese Gestalten; der ihnen beigegebene Erdboden ist entweder eine schlichte Fläche oder durch Blumen, durch Zugabe des Jordanflusses, der Paradiesesströme etc. symbolisch geschmückt. Die Bewegungen sind mässig und feier- lich; es ist mehr ein Sein als ein Thun. — Um den Gedankenkreis zu würdigen, der sich hier entwickelt, muss man die Anschauung jener Zeit entweder theilen oder sich hineinversetzen. Die einfache Gegen- überstellung z. B. von Propheten und Aposteln gilt hier schon als Parallele von Verheissung und Erfüllung; eine einfache schreitende Bewegung, ein Kniebeugen genügt als Symbol der Huldigung; das
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Altchristliche Mosaiken.
nen ist, — und die unter dem Einfluss der Byzantiner vom VII. Jahrh.
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herrscht ein grosser Unterschied zwischen dem was herübergekom-
mene Griechen in Person gearbeitet haben, und dem was ihnen etwa
obenhin nachgemacht wird, aber Jahrhunderte hindurch erscheint keine
einzige Figur der Kirchenmosaiken von dem byzantinischen Styl gänz-
lich unberührt.
Die altchristlichen haben einen zwiefachen hohen historischen
Werth. Sie zeigen, wie sich die biblischen Gestalten, hauptsächlich des
neuen Testamentes in den Gedanken jener Zeit spiegelten. Bei dem
Typus Christi mag eine alte Tradition mitgewirkt haben, doch nicht so
bestimmend wie man wohl annimmt. Die Tracht Christi, seiner An-
gehörigen und Apostel ist eine ideale, im Ganzen aus der römischen
Kunst übernommene. Die übrigen Personen werden durch eine oft
prächtige Standestracht charakterisirt. In den Köpfen war ohne Zwei-
fel ein Ideal beabsichtigt (wenn auch kein sinnlich schönes), allein
die physische Durchschnittsbildung war so sehr gesunken, dass fast
lauter eigenthümlich hässliche Gesichter zu Stande kamen. — Zweitens
schafft hier (weniger die Kunst als) die Kirche ein System religiöser
Ausdrucksweisen und Gedankenreihen, welche ein geschichtliches Denk-
mal ersten Ranges ausmachen. Und zwar ist es meist die Ecclesia
triumphans, welche sich ausspricht; nicht das Erdenwallen Christi und
der Heiligen, sondern ihre apocalyptische Verherrlichung ist das Haupt-
thema. Raumlos, im Unendlichen, daher auf blauem Grunde, häufiger
(und später durchgängig) auf Goldgrund existiren diese Gestalten; der
ihnen beigegebene Erdboden ist entweder eine schlichte Fläche oder
durch Blumen, durch Zugabe des Jordanflusses, der Paradiesesströme
etc. symbolisch geschmückt. Die Bewegungen sind mässig und feier-
lich; es ist mehr ein Sein als ein Thun. — Um den Gedankenkreis
zu würdigen, der sich hier entwickelt, muss man die Anschauung jener
Zeit entweder theilen oder sich hineinversetzen. Die einfache Gegen-
überstellung z. B. von Propheten und Aposteln gilt hier schon als
Parallele von Verheissung und Erfüllung; eine einfache schreitende
Bewegung, ein Kniebeugen genügt als Symbol der Huldigung; das
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/753>, abgerufen am 18.12.2024.
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