awie die ältern Mosaiken von S. Marco, kaum noch einen flüchtigen Anschein von Leben.
Dieses Formensystem gewann nun einen grossen Einfluss auch in Italien. Nicht nur waren viele und wichtige Gegenden und Städte, worunter z. B. Rom, das ganze erste Jahrtausend hindurch in einer wenigstens halben und scheinbaren Abhängigkeit vom griechischen Kaiserreich geblieben, sondern die byzantinische Kunst hatte bestimmte Eigenschaften, die ihr zeitweise die Herrschaft über die ganze italie- nische sicherten. Schon die kirchliche Empfindungsart war eine ähn- liche hier wie dort; erst um die Mitte des XI. Jahrh. entschied sich der kirchliche Bruch zwischen Rom und Byzanz für immer. Somit war zunächst kein wesentliches Hinderniss vorhanden. Dann musste das gestörte und verarmte italienische Culturleben von dem (wenig- stens in der Hauptstadt) ungestörten byzantinischen überflügelt werden, auch wenn letzteres nur die Tradition der künstlerischen Technik vor- ausgehabt hätte. Diese aber war in jener Zeit ein entscheidendes Element; die Kirche, die nur durch Prachtstoffe und möglichst reiche Behandlung derselben wirken zu können glaubte, fand ihre Rechnung besser bei den aus Constantinopel kommenden Künstlern und Kunst- werken, deren Art und Bedingungen man kannte, als bei den ein- heimischen. Und so ist vom VII. bis zum XIII. Jahrh. der italienische Maler entweder seiner eigenen Verwilderung bei kleinern Aufgaben überlassen, oder er hilft den Byzantinern bei der Ausführung dessen was sie vorschreiben. In einzelnen Städten, wie Venedig, siedeln sich ganze Colonien von Griechen um eine Kirche herum als Mosai- cisten an, selbst für ein Jahrhundert und drüber. Es war ein er- habener Augenblick im italienischen Leben, als man sie verabschiedete, weil wieder eine einheimische Formenbildung erwacht war, weil man das Heilige wieder aus eigenen Kräften zu gestalten vermochte. Zer- streute byzantinische Einflüsse hielten sich indess noch lange (in Ve- nedig, Unteritalien etc.) und sind noch zur Stunde nicht gänzlich aus- gestorben, weil die byzant. Stylisirung sich mit den heiligen Typen im Volksbewusstsein zu eng verschwistert hatte.
Die italienischen Mosaiken zerfallen in zwei ziemlich scharf ge- schiedene Classen: die altchristlichen, bis zum VII. Jahrh., in welchen noch die antike Auffassung, mehr oder weniger absterbend, zu erken-
Malerei des Mittelalters. Mosaiken.
awie die ältern Mosaiken von S. Marco, kaum noch einen flüchtigen Anschein von Leben.
Dieses Formensystem gewann nun einen grossen Einfluss auch in Italien. Nicht nur waren viele und wichtige Gegenden und Städte, worunter z. B. Rom, das ganze erste Jahrtausend hindurch in einer wenigstens halben und scheinbaren Abhängigkeit vom griechischen Kaiserreich geblieben, sondern die byzantinische Kunst hatte bestimmte Eigenschaften, die ihr zeitweise die Herrschaft über die ganze italie- nische sicherten. Schon die kirchliche Empfindungsart war eine ähn- liche hier wie dort; erst um die Mitte des XI. Jahrh. entschied sich der kirchliche Bruch zwischen Rom und Byzanz für immer. Somit war zunächst kein wesentliches Hinderniss vorhanden. Dann musste das gestörte und verarmte italienische Culturleben von dem (wenig- stens in der Hauptstadt) ungestörten byzantinischen überflügelt werden, auch wenn letzteres nur die Tradition der künstlerischen Technik vor- ausgehabt hätte. Diese aber war in jener Zeit ein entscheidendes Element; die Kirche, die nur durch Prachtstoffe und möglichst reiche Behandlung derselben wirken zu können glaubte, fand ihre Rechnung besser bei den aus Constantinopel kommenden Künstlern und Kunst- werken, deren Art und Bedingungen man kannte, als bei den ein- heimischen. Und so ist vom VII. bis zum XIII. Jahrh. der italienische Maler entweder seiner eigenen Verwilderung bei kleinern Aufgaben überlassen, oder er hilft den Byzantinern bei der Ausführung dessen was sie vorschreiben. In einzelnen Städten, wie Venedig, siedeln sich ganze Colonien von Griechen um eine Kirche herum als Mosai- cisten an, selbst für ein Jahrhundert und drüber. Es war ein er- habener Augenblick im italienischen Leben, als man sie verabschiedete, weil wieder eine einheimische Formenbildung erwacht war, weil man das Heilige wieder aus eigenen Kräften zu gestalten vermochte. Zer- streute byzantinische Einflüsse hielten sich indess noch lange (in Ve- nedig, Unteritalien etc.) und sind noch zur Stunde nicht gänzlich aus- gestorben, weil die byzant. Stylisirung sich mit den heiligen Typen im Volksbewusstsein zu eng verschwistert hatte.
Die italienischen Mosaiken zerfallen in zwei ziemlich scharf ge- schiedene Classen: die altchristlichen, bis zum VII. Jahrh., in welchen noch die antike Auffassung, mehr oder weniger absterbend, zu erken-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0752"n="730"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Malerei des Mittelalters. Mosaiken.</hi></fw><lb/><noteplace="left">a</note>wie die ältern Mosaiken von S. Marco, kaum noch einen flüchtigen<lb/>
Anschein von Leben.</p><lb/><p>Dieses Formensystem gewann nun einen grossen Einfluss auch<lb/>
in Italien. Nicht nur waren viele und wichtige Gegenden und Städte,<lb/>
worunter z. B. Rom, das ganze erste Jahrtausend hindurch in einer<lb/>
wenigstens halben und scheinbaren Abhängigkeit vom griechischen<lb/>
Kaiserreich geblieben, sondern die byzantinische Kunst hatte bestimmte<lb/>
Eigenschaften, die ihr zeitweise die Herrschaft über die ganze italie-<lb/>
nische sicherten. Schon die kirchliche Empfindungsart war eine ähn-<lb/>
liche hier wie dort; erst um die Mitte des XI. Jahrh. entschied sich<lb/>
der kirchliche Bruch zwischen Rom und Byzanz für immer. Somit<lb/>
war zunächst kein wesentliches Hinderniss vorhanden. Dann musste<lb/>
das gestörte und verarmte italienische Culturleben von dem (wenig-<lb/>
stens in der Hauptstadt) ungestörten byzantinischen überflügelt werden,<lb/>
auch wenn letzteres nur die Tradition der künstlerischen Technik vor-<lb/>
ausgehabt hätte. Diese aber war in jener Zeit ein entscheidendes<lb/>
Element; die Kirche, die nur durch Prachtstoffe und möglichst reiche<lb/>
Behandlung derselben wirken zu können glaubte, fand ihre Rechnung<lb/>
besser bei den aus Constantinopel kommenden Künstlern und Kunst-<lb/>
werken, deren Art und Bedingungen man kannte, als bei den ein-<lb/>
heimischen. Und so ist vom VII. bis zum XIII. Jahrh. der italienische<lb/>
Maler entweder seiner eigenen Verwilderung bei kleinern Aufgaben<lb/>
überlassen, oder er hilft den Byzantinern bei der Ausführung dessen<lb/>
was sie vorschreiben. In einzelnen Städten, wie Venedig, siedeln<lb/>
sich ganze Colonien von Griechen um eine Kirche herum als Mosai-<lb/>
cisten an, selbst für ein Jahrhundert und drüber. Es war ein er-<lb/>
habener Augenblick im italienischen Leben, als man sie verabschiedete,<lb/>
weil wieder eine einheimische Formenbildung erwacht war, weil man<lb/>
das Heilige wieder aus eigenen Kräften zu gestalten vermochte. Zer-<lb/>
streute byzantinische Einflüsse hielten sich indess noch lange (in Ve-<lb/>
nedig, Unteritalien etc.) und sind noch zur Stunde nicht gänzlich aus-<lb/>
gestorben, weil die byzant. Stylisirung sich mit den heiligen Typen<lb/>
im Volksbewusstsein zu eng verschwistert hatte.</p><lb/><p>Die italienischen Mosaiken zerfallen in zwei ziemlich scharf ge-<lb/>
schiedene Classen: die altchristlichen, bis zum VII. Jahrh., in welchen<lb/>
noch die antike Auffassung, mehr oder weniger absterbend, zu erken-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[730/0752]
Malerei des Mittelalters. Mosaiken.
wie die ältern Mosaiken von S. Marco, kaum noch einen flüchtigen
Anschein von Leben.
a
Dieses Formensystem gewann nun einen grossen Einfluss auch
in Italien. Nicht nur waren viele und wichtige Gegenden und Städte,
worunter z. B. Rom, das ganze erste Jahrtausend hindurch in einer
wenigstens halben und scheinbaren Abhängigkeit vom griechischen
Kaiserreich geblieben, sondern die byzantinische Kunst hatte bestimmte
Eigenschaften, die ihr zeitweise die Herrschaft über die ganze italie-
nische sicherten. Schon die kirchliche Empfindungsart war eine ähn-
liche hier wie dort; erst um die Mitte des XI. Jahrh. entschied sich
der kirchliche Bruch zwischen Rom und Byzanz für immer. Somit
war zunächst kein wesentliches Hinderniss vorhanden. Dann musste
das gestörte und verarmte italienische Culturleben von dem (wenig-
stens in der Hauptstadt) ungestörten byzantinischen überflügelt werden,
auch wenn letzteres nur die Tradition der künstlerischen Technik vor-
ausgehabt hätte. Diese aber war in jener Zeit ein entscheidendes
Element; die Kirche, die nur durch Prachtstoffe und möglichst reiche
Behandlung derselben wirken zu können glaubte, fand ihre Rechnung
besser bei den aus Constantinopel kommenden Künstlern und Kunst-
werken, deren Art und Bedingungen man kannte, als bei den ein-
heimischen. Und so ist vom VII. bis zum XIII. Jahrh. der italienische
Maler entweder seiner eigenen Verwilderung bei kleinern Aufgaben
überlassen, oder er hilft den Byzantinern bei der Ausführung dessen
was sie vorschreiben. In einzelnen Städten, wie Venedig, siedeln
sich ganze Colonien von Griechen um eine Kirche herum als Mosai-
cisten an, selbst für ein Jahrhundert und drüber. Es war ein er-
habener Augenblick im italienischen Leben, als man sie verabschiedete,
weil wieder eine einheimische Formenbildung erwacht war, weil man
das Heilige wieder aus eigenen Kräften zu gestalten vermochte. Zer-
streute byzantinische Einflüsse hielten sich indess noch lange (in Ve-
nedig, Unteritalien etc.) und sind noch zur Stunde nicht gänzlich aus-
gestorben, weil die byzant. Stylisirung sich mit den heiligen Typen
im Volksbewusstsein zu eng verschwistert hatte.
Die italienischen Mosaiken zerfallen in zwei ziemlich scharf ge-
schiedene Classen: die altchristlichen, bis zum VII. Jahrh., in welchen
noch die antike Auffassung, mehr oder weniger absterbend, zu erken-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/752>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.