Die Geschichte der christlichen Malerei beginnt mit den Gemälden der Catacomben, welche theilweise bis ins III. Jahrhundert hinauf- reichen. Allein bei der gegenwärtigen Lage der Sachen findet man sich wesentlich auf zum Theil alte und sehr freie Abbildungen be- schränkt, wenn man sich den Gesammtcharakter dieser Gattung klar machen will. Vieles ist nämlich durch den Zutritt der Luft und des Fackeldampfes erloschen und unsichtbar geworden und existirt nur in den Sammelwerken fort; Anderes ist überhaupt nicht mehr zu- gänglich (durch Vermauerung) oder nur mit Schwierigkeiten. In dem einzigen Arme der Catacomben Roms, welcher Jedermann gezeigta wird (mit dem Eingang in S. Sebastiano) sind kaum noch einige dürftige Reste von Arabesken zu erkennen; diejenigen bei S. Agnese,b welche in den letzten Jahren eine wichtige Ausbeute sollen geliefert haben, werden nur auf besondere Verwendung geöffnet. Zu einigem Ersatz dienen die ganz anders angelegten grossen unterirdischenc Räume bei S. Gennaro de' Poveri in Neapel; hier sieht man noch beträchtliche Überreste von altchristlichen und auch heidnischen Ma- lereien und Arabesken, doch nichts von derjenigen künstlerischen und religionsgeschichtlichen Bedeutung, welche einzelnen nicht mehr sicht- baren Catacombenbildern Roms innewohnte. Zudem überwiegt in Neapel nicht das Altchristliche, sondern die (schon byzantisirenden) Heiligenfiguren etwa vom VII. Jahrh. abwärts.
Auf den Styl von Kunstwerken, deren Besseres der Reisende nur im seltensten Fall zu Gesicht bekömmt, dürfen wir uns hier natürlich nicht einlassen. Genug, dass derselbe in Figuren und Arabesken eine mehr und mehr ins Starre und Formlose gehende Ausartung des an-
Malerei des Mittelalters. Catacombenbilder.
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Die Geschichte der christlichen Malerei beginnt mit den Gemälden der Catacomben, welche theilweise bis ins III. Jahrhundert hinauf- reichen. Allein bei der gegenwärtigen Lage der Sachen findet man sich wesentlich auf zum Theil alte und sehr freie Abbildungen be- schränkt, wenn man sich den Gesammtcharakter dieser Gattung klar machen will. Vieles ist nämlich durch den Zutritt der Luft und des Fackeldampfes erloschen und unsichtbar geworden und existirt nur in den Sammelwerken fort; Anderes ist überhaupt nicht mehr zu- gänglich (durch Vermauerung) oder nur mit Schwierigkeiten. In dem einzigen Arme der Catacomben Roms, welcher Jedermann gezeigta wird (mit dem Eingang in S. Sebastiano) sind kaum noch einige dürftige Reste von Arabesken zu erkennen; diejenigen bei S. Agnese,b welche in den letzten Jahren eine wichtige Ausbeute sollen geliefert haben, werden nur auf besondere Verwendung geöffnet. Zu einigem Ersatz dienen die ganz anders angelegten grossen unterirdischenc Räume bei S. Gennaro de’ Poveri in Neapel; hier sieht man noch beträchtliche Überreste von altchristlichen und auch heidnischen Ma- lereien und Arabesken, doch nichts von derjenigen künstlerischen und religionsgeschichtlichen Bedeutung, welche einzelnen nicht mehr sicht- baren Catacombenbildern Roms innewohnte. Zudem überwiegt in Neapel nicht das Altchristliche, sondern die (schon byzantisirenden) Heiligenfiguren etwa vom VII. Jahrh. abwärts.
Auf den Styl von Kunstwerken, deren Besseres der Reisende nur im seltensten Fall zu Gesicht bekömmt, dürfen wir uns hier natürlich nicht einlassen. Genug, dass derselbe in Figuren und Arabesken eine mehr und mehr ins Starre und Formlose gehende Ausartung des an-
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Malerei des Mittelalters. Catacombenbilder.
[Abbildung]
Die Geschichte der christlichen Malerei beginnt mit den Gemälden
der Catacomben, welche theilweise bis ins III. Jahrhundert hinauf-
reichen. Allein bei der gegenwärtigen Lage der Sachen findet man
sich wesentlich auf zum Theil alte und sehr freie Abbildungen be-
schränkt, wenn man sich den Gesammtcharakter dieser Gattung klar
machen will. Vieles ist nämlich durch den Zutritt der Luft und des
Fackeldampfes erloschen und unsichtbar geworden und existirt nur
in den Sammelwerken fort; Anderes ist überhaupt nicht mehr zu-
gänglich (durch Vermauerung) oder nur mit Schwierigkeiten. In dem
einzigen Arme der Catacomben Roms, welcher Jedermann gezeigt
wird (mit dem Eingang in S. Sebastiano) sind kaum noch einige
dürftige Reste von Arabesken zu erkennen; diejenigen bei S. Agnese,
welche in den letzten Jahren eine wichtige Ausbeute sollen geliefert
haben, werden nur auf besondere Verwendung geöffnet. Zu einigem
Ersatz dienen die ganz anders angelegten grossen unterirdischen
Räume bei S. Gennaro de’ Poveri in Neapel; hier sieht man noch
beträchtliche Überreste von altchristlichen und auch heidnischen Ma-
lereien und Arabesken, doch nichts von derjenigen künstlerischen und
religionsgeschichtlichen Bedeutung, welche einzelnen nicht mehr sicht-
baren Catacombenbildern Roms innewohnte. Zudem überwiegt in
Neapel nicht das Altchristliche, sondern die (schon byzantisirenden)
Heiligenfiguren etwa vom VII. Jahrh. abwärts.
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im seltensten Fall zu Gesicht bekömmt, dürfen wir uns hier natürlich
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 727. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/749>, abgerufen am 18.12.2024.
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