Anders verhält es sich mit den Landschaften. Auch sie vereinigen viele Gegenstände mit hoch genommener Perspective unter einem hohen Horizont und geben von dem Liniensystem der modernen Land- schaft noch keine Ahnung. Manche sind nichts als bunte Zusammen- stellungen wohlgefälliger oder auffallender Gegenstände: Kapellchen, Lusthäuschen, Teiche mit Hallen, Denkmäler mit Trophäen, Hermen, halbrunde Mauern, Brücken u. s. w. auf ländlich unebenem Grunde mit Bäumen untermischt; die Darstellungen von Gärten mit symme- trischen Lauben und Fontainen gehören sogar wesentlich noch in das Gebiet der Architekturbilder. In den bessern Landschaften dagegen ist ganz offenbar ein idyllischer Charakter, eine eigenthümliche Stim- mung erstrebt, die nur einstweilen der mächtigern Mittel entbehrt sich auszusprechen. Um ein kleines einsames Heiligthum der Nymphen oder der paphischen Göttin sieht man Hirten und Heerden, oder ein ländliches Opfer, von Ölbäumen überschattet; auch Gestalten des grie- chischen Mythus beleben bisweilen die Felslandschaft. (Dieser letztern Art sind u. a. die Scenen aus der Odyssee, welche vor einigen Jah- aren in Rom gefunden wurden und von denen zwei im Museo capito- lino, erstes unteres Zimmer, aufgestellt sind.) Der Eindruck ist dem- jenigen analog, welchen die bukolischen Dichter hinterlassen, und es wäre nicht undenkbar, dass von ihnen auch der Maler sich anre- gen liess.
Die Dienstbarkeit dieser ganzen Gattung unter den sonstigen de- corativen Zwecken spricht sich u. a. oft in der Unterordnung unter eine bestimmte Wandfarbe aus. Manche Landschaften sind nämlich braun in braun, grün in grün, auch wohl zu keckem Contrast grün- weisslich auf rother Wand gemalt. -- Von einer eingehenden Cha- rakteristik des landschaftlichen Details, etwa des Baumschlags, ist noch nicht die Rede; nur der Ölbaum behauptet seiner auffallenden Bildung wegen ein gewisses Vorrecht. -- Auch wo Guirlanden und Buschwerk als Bestandtheil von Decorationen vorkommen, ist bei einer energischen Wirkung doch nur das Nothwendigste von der besondern Gestalt des Laubes angedeutet.
Antike Malerei. Pompejanische Landschaften.
Anders verhält es sich mit den Landschaften. Auch sie vereinigen viele Gegenstände mit hoch genommener Perspective unter einem hohen Horizont und geben von dem Liniensystem der modernen Land- schaft noch keine Ahnung. Manche sind nichts als bunte Zusammen- stellungen wohlgefälliger oder auffallender Gegenstände: Kapellchen, Lusthäuschen, Teiche mit Hallen, Denkmäler mit Trophäen, Hermen, halbrunde Mauern, Brücken u. s. w. auf ländlich unebenem Grunde mit Bäumen untermischt; die Darstellungen von Gärten mit symme- trischen Lauben und Fontainen gehören sogar wesentlich noch in das Gebiet der Architekturbilder. In den bessern Landschaften dagegen ist ganz offenbar ein idyllischer Charakter, eine eigenthümliche Stim- mung erstrebt, die nur einstweilen der mächtigern Mittel entbehrt sich auszusprechen. Um ein kleines einsames Heiligthum der Nymphen oder der paphischen Göttin sieht man Hirten und Heerden, oder ein ländliches Opfer, von Ölbäumen überschattet; auch Gestalten des grie- chischen Mythus beleben bisweilen die Felslandschaft. (Dieser letztern Art sind u. a. die Scenen aus der Odyssee, welche vor einigen Jah- aren in Rom gefunden wurden und von denen zwei im Museo capito- lino, erstes unteres Zimmer, aufgestellt sind.) Der Eindruck ist dem- jenigen analog, welchen die bukolischen Dichter hinterlassen, und es wäre nicht undenkbar, dass von ihnen auch der Maler sich anre- gen liess.
Die Dienstbarkeit dieser ganzen Gattung unter den sonstigen de- corativen Zwecken spricht sich u. a. oft in der Unterordnung unter eine bestimmte Wandfarbe aus. Manche Landschaften sind nämlich braun in braun, grün in grün, auch wohl zu keckem Contrast grün- weisslich auf rother Wand gemalt. — Von einer eingehenden Cha- rakteristik des landschaftlichen Details, etwa des Baumschlags, ist noch nicht die Rede; nur der Ölbaum behauptet seiner auffallenden Bildung wegen ein gewisses Vorrecht. — Auch wo Guirlanden und Buschwerk als Bestandtheil von Decorationen vorkommen, ist bei einer energischen Wirkung doch nur das Nothwendigste von der besondern Gestalt des Laubes angedeutet.
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Antike Malerei. Pompejanische Landschaften.
Anders verhält es sich mit den Landschaften. Auch sie vereinigen
viele Gegenstände mit hoch genommener Perspective unter einem
hohen Horizont und geben von dem Liniensystem der modernen Land-
schaft noch keine Ahnung. Manche sind nichts als bunte Zusammen-
stellungen wohlgefälliger oder auffallender Gegenstände: Kapellchen,
Lusthäuschen, Teiche mit Hallen, Denkmäler mit Trophäen, Hermen,
halbrunde Mauern, Brücken u. s. w. auf ländlich unebenem Grunde
mit Bäumen untermischt; die Darstellungen von Gärten mit symme-
trischen Lauben und Fontainen gehören sogar wesentlich noch in das
Gebiet der Architekturbilder. In den bessern Landschaften dagegen
ist ganz offenbar ein idyllischer Charakter, eine eigenthümliche Stim-
mung erstrebt, die nur einstweilen der mächtigern Mittel entbehrt sich
auszusprechen. Um ein kleines einsames Heiligthum der Nymphen
oder der paphischen Göttin sieht man Hirten und Heerden, oder ein
ländliches Opfer, von Ölbäumen überschattet; auch Gestalten des grie-
chischen Mythus beleben bisweilen die Felslandschaft. (Dieser letztern
Art sind u. a. die Scenen aus der Odyssee, welche vor einigen Jah-
ren in Rom gefunden wurden und von denen zwei im Museo capito-
lino, erstes unteres Zimmer, aufgestellt sind.) Der Eindruck ist dem-
jenigen analog, welchen die bukolischen Dichter hinterlassen, und es
wäre nicht undenkbar, dass von ihnen auch der Maler sich anre-
gen liess.
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Die Dienstbarkeit dieser ganzen Gattung unter den sonstigen de-
corativen Zwecken spricht sich u. a. oft in der Unterordnung unter
eine bestimmte Wandfarbe aus. Manche Landschaften sind nämlich
braun in braun, grün in grün, auch wohl zu keckem Contrast grün-
weisslich auf rother Wand gemalt. — Von einer eingehenden Cha-
rakteristik des landschaftlichen Details, etwa des Baumschlags, ist
noch nicht die Rede; nur der Ölbaum behauptet seiner auffallenden
Bildung wegen ein gewisses Vorrecht. — Auch wo Guirlanden und
Buschwerk als Bestandtheil von Decorationen vorkommen, ist bei einer
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/748>, abgerufen am 18.12.2024.
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