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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Architektur. Thermen von Bajä.
aQuerschiffes von S. Maria degli Angeli erhalten. Hier sind bekannt-
lich von den gewaltigen vortretenden Säulen noch acht ursprünglich
und aus je einem Stück Granit; von den sie begleitenden je zwei Pi-
lastern und dem Gebälk scheinen wenigstens viele Theile alt, und das
Kreuzgewölbe, eines der grössten in der Welt, ist sogar völlig er-
halten, wenn auch mit Einbusse seiner Cassetten. Auch die Ober-
fenster zeigen noch ihr echtes Halbrund, nur vergypst. Die Neben-
räume, welche dieselbe Stelle einnahmen wie diejenigen in der Pinakothek
der Caracallathermen und einst ohne Zweifel ebenfalls durch vorge-
setzte Colonnaden vom Hauptraum getrennt waren, sind durch den
Umbau Vanvitelli's gänzlich abgeschnitten worden, nachdem noch der
Umbau Michelangelo's sie geschont und zu Capellen bestimmt hatte.
Für die Bildung des Details ist, der allgemeinen Gypsüberarbeitung
wegen, nicht leicht einzustehen, selbst an den sieben echten marmornen
Capitälen nicht, welche theils korinthisch, theils von Composita-Ord-
nung sind. Das Bezeichnende bleibt immerhin, dass möglichst viele Glie-
der des Gebälkes und Gesimses in wuchernde Verzierung umgewan-
delt sind, und dass die Consolen und ihre Cassetten bei ihrer kleinen
und matten Bildung völlig von dem drüber vorgeschobenen Kranzge-
simse verdunkelt werden. Ob an den Flachbogen, welche die beiden
Eingänge des Schiffes bedecken, die Decoration alt ist, können wir
nicht entscheiden; in dem jetzigen Chor ist fast Alles modern. Die übrigen
Räume sind alles Steinschmuckes entblösst und meist sehr ruinirt.

b

(Was als "Thermen Constantins" im Garten des Palazzo
Colonna gezeigt wird, sind Reste eines gewaltig hohen Gebäudes von
ungewisser Bestimmung. Die echten Thermen Constantins sind im
XVII. Jahrhundert beim Bau des Palazzo Rospigliosi untergegangen.)

c

Diesen Kaiserthermen mochten die Bäder von Bajä wenigstens
nachgebildet sein, wenn sie auch nicht von Imperatoren erbaut sein
sollten. Wir meinen jene colossalen Reste, welche man jetzt als
Tempel des Merkur, der Diana und der Venus benennt und welche
offenbar Thermenräume waren. Das gewaltige Achteck des Venus-
tempels mit den noch erhaltenen Theilen der Kuppel erinnert unmittel-
bar an die sog. Minerva Medica.

Dagegen besass Mailand, in seiner Eigenschaft als spätere Re-
sidenz, wirkliche Kaiserthermen aus der Zeit des Maximian, Mitre-

Architektur. Thermen von Bajä.
aQuerschiffes von S. Maria degli Angeli erhalten. Hier sind bekannt-
lich von den gewaltigen vortretenden Säulen noch acht ursprünglich
und aus je einem Stück Granit; von den sie begleitenden je zwei Pi-
lastern und dem Gebälk scheinen wenigstens viele Theile alt, und das
Kreuzgewölbe, eines der grössten in der Welt, ist sogar völlig er-
halten, wenn auch mit Einbusse seiner Cassetten. Auch die Ober-
fenster zeigen noch ihr echtes Halbrund, nur vergypst. Die Neben-
räume, welche dieselbe Stelle einnahmen wie diejenigen in der Pinakothek
der Caracallathermen und einst ohne Zweifel ebenfalls durch vorge-
setzte Colonnaden vom Hauptraum getrennt waren, sind durch den
Umbau Vanvitelli’s gänzlich abgeschnitten worden, nachdem noch der
Umbau Michelangelo’s sie geschont und zu Capellen bestimmt hatte.
Für die Bildung des Details ist, der allgemeinen Gypsüberarbeitung
wegen, nicht leicht einzustehen, selbst an den sieben echten marmornen
Capitälen nicht, welche theils korinthisch, theils von Composita-Ord-
nung sind. Das Bezeichnende bleibt immerhin, dass möglichst viele Glie-
der des Gebälkes und Gesimses in wuchernde Verzierung umgewan-
delt sind, und dass die Consolen und ihre Cassetten bei ihrer kleinen
und matten Bildung völlig von dem drüber vorgeschobenen Kranzge-
simse verdunkelt werden. Ob an den Flachbogen, welche die beiden
Eingänge des Schiffes bedecken, die Decoration alt ist, können wir
nicht entscheiden; in dem jetzigen Chor ist fast Alles modern. Die übrigen
Räume sind alles Steinschmuckes entblösst und meist sehr ruinirt.

b

(Was als „Thermen Constantins“ im Garten des Palazzo
Colonna gezeigt wird, sind Reste eines gewaltig hohen Gebäudes von
ungewisser Bestimmung. Die echten Thermen Constantins sind im
XVII. Jahrhundert beim Bau des Palazzo Rospigliosi untergegangen.)

c

Diesen Kaiserthermen mochten die Bäder von Bajä wenigstens
nachgebildet sein, wenn sie auch nicht von Imperatoren erbaut sein
sollten. Wir meinen jene colossalen Reste, welche man jetzt als
Tempel des Merkur, der Diana und der Venus benennt und welche
offenbar Thermenräume waren. Das gewaltige Achteck des Venus-
tempels mit den noch erhaltenen Theilen der Kuppel erinnert unmittel-
bar an die sog. Minerva Medica.

Dagegen besass Mailand, in seiner Eigenschaft als spätere Re-
sidenz, wirkliche Kaiserthermen aus der Zeit des Maximian, Mitre-

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[50/0072] Architektur. Thermen von Bajä. Querschiffes von S. Maria degli Angeli erhalten. Hier sind bekannt- lich von den gewaltigen vortretenden Säulen noch acht ursprünglich und aus je einem Stück Granit; von den sie begleitenden je zwei Pi- lastern und dem Gebälk scheinen wenigstens viele Theile alt, und das Kreuzgewölbe, eines der grössten in der Welt, ist sogar völlig er- halten, wenn auch mit Einbusse seiner Cassetten. Auch die Ober- fenster zeigen noch ihr echtes Halbrund, nur vergypst. Die Neben- räume, welche dieselbe Stelle einnahmen wie diejenigen in der Pinakothek der Caracallathermen und einst ohne Zweifel ebenfalls durch vorge- setzte Colonnaden vom Hauptraum getrennt waren, sind durch den Umbau Vanvitelli’s gänzlich abgeschnitten worden, nachdem noch der Umbau Michelangelo’s sie geschont und zu Capellen bestimmt hatte. Für die Bildung des Details ist, der allgemeinen Gypsüberarbeitung wegen, nicht leicht einzustehen, selbst an den sieben echten marmornen Capitälen nicht, welche theils korinthisch, theils von Composita-Ord- nung sind. Das Bezeichnende bleibt immerhin, dass möglichst viele Glie- der des Gebälkes und Gesimses in wuchernde Verzierung umgewan- delt sind, und dass die Consolen und ihre Cassetten bei ihrer kleinen und matten Bildung völlig von dem drüber vorgeschobenen Kranzge- simse verdunkelt werden. Ob an den Flachbogen, welche die beiden Eingänge des Schiffes bedecken, die Decoration alt ist, können wir nicht entscheiden; in dem jetzigen Chor ist fast Alles modern. Die übrigen Räume sind alles Steinschmuckes entblösst und meist sehr ruinirt. a (Was als „Thermen Constantins“ im Garten des Palazzo Colonna gezeigt wird, sind Reste eines gewaltig hohen Gebäudes von ungewisser Bestimmung. Die echten Thermen Constantins sind im XVII. Jahrhundert beim Bau des Palazzo Rospigliosi untergegangen.) Diesen Kaiserthermen mochten die Bäder von Bajä wenigstens nachgebildet sein, wenn sie auch nicht von Imperatoren erbaut sein sollten. Wir meinen jene colossalen Reste, welche man jetzt als Tempel des Merkur, der Diana und der Venus benennt und welche offenbar Thermenräume waren. Das gewaltige Achteck des Venus- tempels mit den noch erhaltenen Theilen der Kuppel erinnert unmittel- bar an die sog. Minerva Medica. Dagegen besass Mailand, in seiner Eigenschaft als spätere Re- sidenz, wirkliche Kaiserthermen aus der Zeit des Maximian, Mitre-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/72>, abgerufen am 05.12.2024.