Die Gewandung ist vollends eine wahrhaft traurige Seite dieses Styles. Es bleibt ein Räthsel, dass Bernini zu Rom, in der täglichen Gegenwart der schönsten Gewandstatuen des Alterthums sich so ver- irrte. Allerdings konnten ihm Togafiguren und Musen nicht unbe- dingt zum Vorbild dienen, weil er lauter bewegte, affectvolle Motive bearbeitete, die im Alterthum fast nur durch nackte Figuren reprä- sentirt sind; allein auch seine Aufgaben zugegeben, hätte er die Ge- wandung anders stylisiren müssen. Er componirt diese nämlich ganz nach malerischen Massen, und giebt ihren hohen, plastischen Werth als Verdeutlichung des Körpermotives völlig Preis.
In Porträtstatuen, wo der Affect wegfiel und die Amtstracht eine bestimmte Charakteristik der Stoffe verlangte, hat dieser Styl Treffliches aufzuweisen. Seit Bernini's Papststatuen (Denkmäler Ur-a bans VIII und Alexanders VII in S. Peter) legte sich die Sculpturb mit einem wahren Stolz darauf, den schwerbrüchigen Purpur des ge- stickten Palliums, die feinfaltige Alba, die Glanzstoffe der Ermel, der Tunica etc. in ihren Contrasten darzustellen. Von den Statuen Papst Urbans ist diejenige am Grabe (im Chor von S. Peter) durch beson- ders niedliche Einzelpartien dieser Art, durchbrochene Manschetten und Säume etc., diejenige im grossen Saal des Conservatorenpalastes da-c gegen durch kecke Effectberechnung auf die Ferne merkwürdig. Auch die Cardinalstracht wurde bisweilen gut und würdig behandelt (La-d teran, Cap. Corsini). Fürsten, Krieger und Staatsmänner sind wenig- stens im Durchschnitt besser als Engel und Heilige, wo sie nicht durch antike (und dann schlecht ideale) Tracht und heftige Bewegungen in Nachtheil gerathen wie z. B. die meisten Reiterstatuen. Von den letz- tern, soweit sie dem berninischen Styl angehören, reicht keine an den grossen Kurfürsten auf der langen Brücke in Berlin. (Von Schlüter.) Francesco Mocchi (+ 1646), der etwa die Grenzscheide zwischen deme bisherigen und dem berninischen Styl bezeichnet, hat in Ross und Reiter die äusserste Affectation hineinzulegen gewusst. (Bronzedenk- mäler des Alessandro und des Ranuccio Farnese auf dem grossen Platz in Piacenza.) -- An Grabmälern in den Kirchen findet man zahl- reiche Halbfiguren, in welchen das lange Haar, der Kragen, die Amts- tracht bisweilen mit dem ausdrucksvollen Kopf ein schönes Ganzes ausmachen.
Gewandung. Amtstrachten.
Die Gewandung ist vollends eine wahrhaft traurige Seite dieses Styles. Es bleibt ein Räthsel, dass Bernini zu Rom, in der täglichen Gegenwart der schönsten Gewandstatuen des Alterthums sich so ver- irrte. Allerdings konnten ihm Togafiguren und Musen nicht unbe- dingt zum Vorbild dienen, weil er lauter bewegte, affectvolle Motive bearbeitete, die im Alterthum fast nur durch nackte Figuren reprä- sentirt sind; allein auch seine Aufgaben zugegeben, hätte er die Ge- wandung anders stylisiren müssen. Er componirt diese nämlich ganz nach malerischen Massen, und giebt ihren hohen, plastischen Werth als Verdeutlichung des Körpermotives völlig Preis.
In Porträtstatuen, wo der Affect wegfiel und die Amtstracht eine bestimmte Charakteristik der Stoffe verlangte, hat dieser Styl Treffliches aufzuweisen. Seit Bernini’s Papststatuen (Denkmäler Ur-a bans VIII und Alexanders VII in S. Peter) legte sich die Sculpturb mit einem wahren Stolz darauf, den schwerbrüchigen Purpur des ge- stickten Palliums, die feinfaltige Alba, die Glanzstoffe der Ermel, der Tunica etc. in ihren Contrasten darzustellen. Von den Statuen Papst Urbans ist diejenige am Grabe (im Chor von S. Peter) durch beson- ders niedliche Einzelpartien dieser Art, durchbrochene Manschetten und Säume etc., diejenige im grossen Saal des Conservatorenpalastes da-c gegen durch kecke Effectberechnung auf die Ferne merkwürdig. Auch die Cardinalstracht wurde bisweilen gut und würdig behandelt (La-d teran, Cap. Corsini). Fürsten, Krieger und Staatsmänner sind wenig- stens im Durchschnitt besser als Engel und Heilige, wo sie nicht durch antike (und dann schlecht ideale) Tracht und heftige Bewegungen in Nachtheil gerathen wie z. B. die meisten Reiterstatuen. Von den letz- tern, soweit sie dem berninischen Styl angehören, reicht keine an den grossen Kurfürsten auf der langen Brücke in Berlin. (Von Schlüter.) Francesco Mocchi († 1646), der etwa die Grenzscheide zwischen deme bisherigen und dem berninischen Styl bezeichnet, hat in Ross und Reiter die äusserste Affectation hineinzulegen gewusst. (Bronzedenk- mäler des Alessandro und des Ranuccio Farnese auf dem grossen Platz in Piacenza.) — An Grabmälern in den Kirchen findet man zahl- reiche Halbfiguren, in welchen das lange Haar, der Kragen, die Amts- tracht bisweilen mit dem ausdrucksvollen Kopf ein schönes Ganzes ausmachen.
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Gewandung. Amtstrachten.
Die Gewandung ist vollends eine wahrhaft traurige Seite dieses
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Gegenwart der schönsten Gewandstatuen des Alterthums sich so ver-
irrte. Allerdings konnten ihm Togafiguren und Musen nicht unbe-
dingt zum Vorbild dienen, weil er lauter bewegte, affectvolle Motive
bearbeitete, die im Alterthum fast nur durch nackte Figuren reprä-
sentirt sind; allein auch seine Aufgaben zugegeben, hätte er die Ge-
wandung anders stylisiren müssen. Er componirt diese nämlich ganz
nach malerischen Massen, und giebt ihren hohen, plastischen Werth
als Verdeutlichung des Körpermotives völlig Preis.
In Porträtstatuen, wo der Affect wegfiel und die Amtstracht
eine bestimmte Charakteristik der Stoffe verlangte, hat dieser Styl
Treffliches aufzuweisen. Seit Bernini’s Papststatuen (Denkmäler Ur-
bans VIII und Alexanders VII in S. Peter) legte sich die Sculptur
mit einem wahren Stolz darauf, den schwerbrüchigen Purpur des ge-
stickten Palliums, die feinfaltige Alba, die Glanzstoffe der Ermel, der
Tunica etc. in ihren Contrasten darzustellen. Von den Statuen Papst
Urbans ist diejenige am Grabe (im Chor von S. Peter) durch beson-
ders niedliche Einzelpartien dieser Art, durchbrochene Manschetten und
Säume etc., diejenige im grossen Saal des Conservatorenpalastes da-
gegen durch kecke Effectberechnung auf die Ferne merkwürdig. Auch
die Cardinalstracht wurde bisweilen gut und würdig behandelt (La-
teran, Cap. Corsini). Fürsten, Krieger und Staatsmänner sind wenig-
stens im Durchschnitt besser als Engel und Heilige, wo sie nicht durch
antike (und dann schlecht ideale) Tracht und heftige Bewegungen in
Nachtheil gerathen wie z. B. die meisten Reiterstatuen. Von den letz-
tern, soweit sie dem berninischen Styl angehören, reicht keine an den
grossen Kurfürsten auf der langen Brücke in Berlin. (Von Schlüter.)
Francesco Mocchi († 1646), der etwa die Grenzscheide zwischen dem
bisherigen und dem berninischen Styl bezeichnet, hat in Ross und
Reiter die äusserste Affectation hineinzulegen gewusst. (Bronzedenk-
mäler des Alessandro und des Ranuccio Farnese auf dem grossen
Platz in Piacenza.) — An Grabmälern in den Kirchen findet man zahl-
reiche Halbfiguren, in welchen das lange Haar, der Kragen, die Amts-
tracht bisweilen mit dem ausdrucksvollen Kopf ein schönes Ganzes
ausmachen.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/717>, abgerufen am 18.12.2024.
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