Übergehen dürften wir sie aber hier doch nicht. Ihre subjectiven Kräfte waren -- im Gegensatz zur vorhergehenden Periode -- unge- mein gross, ihre Thätigkeit von der Art, dass sie mehr Denkmäler in Italien hinterlassen hat als die Gesammtsumme alles Frühern, das Alterthum mitgerechnet, ausmacht. Sie hat ferner einen sehr bestimm- ten decorativen Werth im Verhältniss zur Baukunst und zur Anord- nung grosser Ensembles, und endlich giebt sie gewisse Sachen so ganz vortrefflich, dass man ihr auch für den Rest einige Nachsicht gönnt. (Vgl. den Abschnitt über die Barockarchitektur; S. 366 u. ff.)
Der Mann des Schicksals war bekanntlich Lorenzo Bernini von Neapel (1598--1680), der als Baumeister und Bildhauer, als Günst- ling Urbans VIII. und vieler folgenden Päpste einer fürstlichen Stel- lung genoss und in seinen spätern Jahren ohne Frage als der grösste Künstler seiner Zeit galt. Er überschattet denn auch alle Folgenden dergestalt, dass es überflüssig ist, ihren Stylnuancen näher nachzu- gehen; wo sie bedeutend sind, da sind sie es innerhalb seines Styles. --
Nur ein paar Zeitgenossen, die noch Anklänge der frühern Schule auf bedeutsame Weise mit der berninischen Richtung vereinigen, sind hier vorläufig zu nennen: Alessandro Algardi (1598--1654) und der Niederländer Franz Duquesnoy (1594--1644). Ferner ist schon hier auf das starke französische Contingent in diesem Heerlager auf- merksam zu machen, auf die Legros, Monnot, Teudon, Houtton u. s. w., vor Allem auf Pierre Puget (1622--1694), von dem man wohl sagen könnte, er sei berninischer als Bernini selbst gewesen. Wie Ludwig XIV in Person, ebenso waren auch die französischen Künst- ler für den "erlauchten" Meister eingenommen; auffallend ist trotz- dem, dass sie in Italien selbst so stark beschäftigt wurden und um 1700 in Rom beinahe das Übergewicht hatten. Wir wollen nun ver- suchen, die Grundzüge der ganzen Darstellungsweise festzustellen. Bei diesem Anlass können die besonders wichtigen oder belehrenden Werke mit Namen angeführt werden.
Die zwingende Gewalt, welche die Sculptur mit sich fortriss, war der seit etwa 1580 siegreich durchgedrungene Styl der Malerei, wel-
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Die Meister derselben.
Übergehen dürften wir sie aber hier doch nicht. Ihre subjectiven Kräfte waren — im Gegensatz zur vorhergehenden Periode — unge- mein gross, ihre Thätigkeit von der Art, dass sie mehr Denkmäler in Italien hinterlassen hat als die Gesammtsumme alles Frühern, das Alterthum mitgerechnet, ausmacht. Sie hat ferner einen sehr bestimm- ten decorativen Werth im Verhältniss zur Baukunst und zur Anord- nung grosser Ensembles, und endlich giebt sie gewisse Sachen so ganz vortrefflich, dass man ihr auch für den Rest einige Nachsicht gönnt. (Vgl. den Abschnitt über die Barockarchitektur; S. 366 u. ff.)
Der Mann des Schicksals war bekanntlich Lorenzo Bernini von Neapel (1598—1680), der als Baumeister und Bildhauer, als Günst- ling Urbans VIII. und vieler folgenden Päpste einer fürstlichen Stel- lung genoss und in seinen spätern Jahren ohne Frage als der grösste Künstler seiner Zeit galt. Er überschattet denn auch alle Folgenden dergestalt, dass es überflüssig ist, ihren Stylnuancen näher nachzu- gehen; wo sie bedeutend sind, da sind sie es innerhalb seines Styles. —
Nur ein paar Zeitgenossen, die noch Anklänge der frühern Schule auf bedeutsame Weise mit der berninischen Richtung vereinigen, sind hier vorläufig zu nennen: Alessandro Algardi (1598—1654) und der Niederländer Franz Duquesnoy (1594—1644). Ferner ist schon hier auf das starke französische Contingent in diesem Heerlager auf- merksam zu machen, auf die Legros, Monnot, Teudon, Houtton u. s. w., vor Allem auf Pierre Puget (1622—1694), von dem man wohl sagen könnte, er sei berninischer als Bernini selbst gewesen. Wie Ludwig XIV in Person, ebenso waren auch die französischen Künst- ler für den „erlauchten“ Meister eingenommen; auffallend ist trotz- dem, dass sie in Italien selbst so stark beschäftigt wurden und um 1700 in Rom beinahe das Übergewicht hatten. Wir wollen nun ver- suchen, die Grundzüge der ganzen Darstellungsweise festzustellen. Bei diesem Anlass können die besonders wichtigen oder belehrenden Werke mit Namen angeführt werden.
Die zwingende Gewalt, welche die Sculptur mit sich fortriss, war der seit etwa 1580 siegreich durchgedrungene Styl der Malerei, wel-
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Die Meister derselben.
Übergehen dürften wir sie aber hier doch nicht. Ihre subjectiven
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mein gross, ihre Thätigkeit von der Art, dass sie mehr Denkmäler
in Italien hinterlassen hat als die Gesammtsumme alles Frühern, das
Alterthum mitgerechnet, ausmacht. Sie hat ferner einen sehr bestimm-
ten decorativen Werth im Verhältniss zur Baukunst und zur Anord-
nung grosser Ensembles, und endlich giebt sie gewisse Sachen so
ganz vortrefflich, dass man ihr auch für den Rest einige Nachsicht
gönnt. (Vgl. den Abschnitt über die Barockarchitektur; S. 366 u. ff.)
Der Mann des Schicksals war bekanntlich Lorenzo Bernini
von Neapel (1598—1680), der als Baumeister und Bildhauer, als Günst-
ling Urbans VIII. und vieler folgenden Päpste einer fürstlichen Stel-
lung genoss und in seinen spätern Jahren ohne Frage als der grösste
Künstler seiner Zeit galt. Er überschattet denn auch alle Folgenden
dergestalt, dass es überflüssig ist, ihren Stylnuancen näher nachzu-
gehen; wo sie bedeutend sind, da sind sie es innerhalb seines Styles. —
Nur ein paar Zeitgenossen, die noch Anklänge der frühern Schule
auf bedeutsame Weise mit der berninischen Richtung vereinigen, sind
hier vorläufig zu nennen: Alessandro Algardi (1598—1654) und
der Niederländer Franz Duquesnoy (1594—1644). Ferner ist schon
hier auf das starke französische Contingent in diesem Heerlager auf-
merksam zu machen, auf die Legros, Monnot, Teudon, Houtton u. s. w.,
vor Allem auf Pierre Puget (1622—1694), von dem man wohl
sagen könnte, er sei berninischer als Bernini selbst gewesen. Wie
Ludwig XIV in Person, ebenso waren auch die französischen Künst-
ler für den „erlauchten“ Meister eingenommen; auffallend ist trotz-
dem, dass sie in Italien selbst so stark beschäftigt wurden und um
1700 in Rom beinahe das Übergewicht hatten. Wir wollen nun ver-
suchen, die Grundzüge der ganzen Darstellungsweise festzustellen. Bei
diesem Anlass können die besonders wichtigen oder belehrenden Werke
mit Namen angeführt werden.
Die zwingende Gewalt, welche die Sculptur mit sich fortriss, war
der seit etwa 1580 siegreich durchgedrungene Styl der Malerei, wel-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/713>, abgerufen am 18.12.2024.
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