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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Thermen Caracalla's und Diocletians.
Raumes, der Pinakothek, einigermassen zum Leben zu erwecken,
nehme man den Friedenstempel zu Hülfe, obschon er fast 100 Jahre
neuer, demgemäss geringer und nichts weniger als identisch mit dem
fraglichen Thermensaal gebildet ist; immerhin hatte er das grosse
Mittelschiff mit Kreuzgewölben und Oberfenstern und die drei mit
Tonnengewölben sich anschliessenden Nebenräume auf jeder Seite mit
demselben gemein. Auch die Säulenbekleidung war wohl eine ähn-
liche; für die Basilica wie für den Thermensaal nimmt man an, dass
noch eine kleinere Säulenordnung mit Gebälke vor den Nebenräumen
vorbeiging und sie vom Mittelschiff sonderte. -- Die Säulen und die
ganze kostbare Bekleidung dieser Thermen überhaupt wurden, zum
Theil erst seit dem XVI. Jahrhundert, zur Decoration unzähliger mo-
derner Gebäude verbraucht. -- Räthselhaft und doch wahrscheinlich
bleibt auch hier die Dunkelheit der beiden grossen Schwimmsäle,
während die vordere Halle von vorn, die Pinakothek und ohne Zweifel
auch der runde Ausbau von oben ihr Tageslicht empfingen.

Die Thermen Diocletians auf dem Viminal waren der Massea
nach denjenigen des Caracalla überlegen, lösten aber, wie es scheint,
keines jener grossen baulichen Probleme mehr, sondern bestanden eher
aus Wiederholungen schon früher bekannter Baugedanken, welche hier
etwas müde nebeneinander auftreten. So finden sich unter den Aussen-
werken zwei Rundgebäude mit Kuppel, deren eines als Kirche S. Ber-b
nardo ziemlich wohl erhalten ist; die Nische der Thür und die des
jetzigen Chores schneiden sich wieder mit der runden Hauptform so
unangenehm als am Pantheon, mit welchem dieses Gebäude übrigens
auch das Oberlicht gemein hat. (Die Cassetten achteckig, mit schrägen
Quadraten dazwischen.)

Besonders charakteristisch für die Zeit des Verfalls ist der Kup-
pelraum hinter 1) der Pinakothek, welcher von der Höhe und Grösse
des entsprechenden Stückes im Bau Caracallas weit entfernt, ja zu
einem ganz kümmerlichen Anbau eingeschrumpft erscheint. Die Pi-
nakothek selber ist in Gestalt des noch jetzt überaus majestätischen

1) D. h. für den jetzigen Zugang vorn, so dass dieser runde Raum die Vor-
halle von S. Maria degli Angeli bildet. Die jetzt ganz verschwundene Vor-
derseite lag in der Richtung gegen das prätorianische Lager hin.
B. Cicerone. 4

Thermen Caracalla’s und Diocletians.
Raumes, der Pinakothek, einigermassen zum Leben zu erwecken,
nehme man den Friedenstempel zu Hülfe, obschon er fast 100 Jahre
neuer, demgemäss geringer und nichts weniger als identisch mit dem
fraglichen Thermensaal gebildet ist; immerhin hatte er das grosse
Mittelschiff mit Kreuzgewölben und Oberfenstern und die drei mit
Tonnengewölben sich anschliessenden Nebenräume auf jeder Seite mit
demselben gemein. Auch die Säulenbekleidung war wohl eine ähn-
liche; für die Basilica wie für den Thermensaal nimmt man an, dass
noch eine kleinere Säulenordnung mit Gebälke vor den Nebenräumen
vorbeiging und sie vom Mittelschiff sonderte. — Die Säulen und die
ganze kostbare Bekleidung dieser Thermen überhaupt wurden, zum
Theil erst seit dem XVI. Jahrhundert, zur Decoration unzähliger mo-
derner Gebäude verbraucht. — Räthselhaft und doch wahrscheinlich
bleibt auch hier die Dunkelheit der beiden grossen Schwimmsäle,
während die vordere Halle von vorn, die Pinakothek und ohne Zweifel
auch der runde Ausbau von oben ihr Tageslicht empfingen.

Die Thermen Diocletians auf dem Viminal waren der Massea
nach denjenigen des Caracalla überlegen, lösten aber, wie es scheint,
keines jener grossen baulichen Probleme mehr, sondern bestanden eher
aus Wiederholungen schon früher bekannter Baugedanken, welche hier
etwas müde nebeneinander auftreten. So finden sich unter den Aussen-
werken zwei Rundgebäude mit Kuppel, deren eines als Kirche S. Ber-b
nardo ziemlich wohl erhalten ist; die Nische der Thür und die des
jetzigen Chores schneiden sich wieder mit der runden Hauptform so
unangenehm als am Pantheon, mit welchem dieses Gebäude übrigens
auch das Oberlicht gemein hat. (Die Cassetten achteckig, mit schrägen
Quadraten dazwischen.)

Besonders charakteristisch für die Zeit des Verfalls ist der Kup-
pelraum hinter 1) der Pinakothek, welcher von der Höhe und Grösse
des entsprechenden Stückes im Bau Caracallas weit entfernt, ja zu
einem ganz kümmerlichen Anbau eingeschrumpft erscheint. Die Pi-
nakothek selber ist in Gestalt des noch jetzt überaus majestätischen

1) D. h. für den jetzigen Zugang vorn, so dass dieser runde Raum die Vor-
halle von S. Maria degli Angeli bildet. Die jetzt ganz verschwundene Vor-
derseite lag in der Richtung gegen das prätorianische Lager hin.
B. Cicerone. 4
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[49/0071] Thermen Caracalla’s und Diocletians. Raumes, der Pinakothek, einigermassen zum Leben zu erwecken, nehme man den Friedenstempel zu Hülfe, obschon er fast 100 Jahre neuer, demgemäss geringer und nichts weniger als identisch mit dem fraglichen Thermensaal gebildet ist; immerhin hatte er das grosse Mittelschiff mit Kreuzgewölben und Oberfenstern und die drei mit Tonnengewölben sich anschliessenden Nebenräume auf jeder Seite mit demselben gemein. Auch die Säulenbekleidung war wohl eine ähn- liche; für die Basilica wie für den Thermensaal nimmt man an, dass noch eine kleinere Säulenordnung mit Gebälke vor den Nebenräumen vorbeiging und sie vom Mittelschiff sonderte. — Die Säulen und die ganze kostbare Bekleidung dieser Thermen überhaupt wurden, zum Theil erst seit dem XVI. Jahrhundert, zur Decoration unzähliger mo- derner Gebäude verbraucht. — Räthselhaft und doch wahrscheinlich bleibt auch hier die Dunkelheit der beiden grossen Schwimmsäle, während die vordere Halle von vorn, die Pinakothek und ohne Zweifel auch der runde Ausbau von oben ihr Tageslicht empfingen. Die Thermen Diocletians auf dem Viminal waren der Masse nach denjenigen des Caracalla überlegen, lösten aber, wie es scheint, keines jener grossen baulichen Probleme mehr, sondern bestanden eher aus Wiederholungen schon früher bekannter Baugedanken, welche hier etwas müde nebeneinander auftreten. So finden sich unter den Aussen- werken zwei Rundgebäude mit Kuppel, deren eines als Kirche S. Ber- nardo ziemlich wohl erhalten ist; die Nische der Thür und die des jetzigen Chores schneiden sich wieder mit der runden Hauptform so unangenehm als am Pantheon, mit welchem dieses Gebäude übrigens auch das Oberlicht gemein hat. (Die Cassetten achteckig, mit schrägen Quadraten dazwischen.) a b Besonders charakteristisch für die Zeit des Verfalls ist der Kup- pelraum hinter 1) der Pinakothek, welcher von der Höhe und Grösse des entsprechenden Stückes im Bau Caracallas weit entfernt, ja zu einem ganz kümmerlichen Anbau eingeschrumpft erscheint. Die Pi- nakothek selber ist in Gestalt des noch jetzt überaus majestätischen 1) D. h. für den jetzigen Zugang vorn, so dass dieser runde Raum die Vor- halle von S. Maria degli Angeli bildet. Die jetzt ganz verschwundene Vor- derseite lag in der Richtung gegen das prätorianische Lager hin. B. Cicerone. 4

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/71>, abgerufen am 05.12.2024.