Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Landini. Francavilla.
Von Taddeo Landini, einem florentinischen Zeitgenossen des aGiov. da Bologna, rührt unter den Statuen der vier Jahreszeiten am Ponte della Trinita "der Winter" her; eine tüchtige Arbeit, aber recht bezeichnend für die müssige Gliederschaustellung jener Schule; wenn den Alten so friert, warum nimmt er seinen Mantel nicht besser um? b-- Allein derselbe Künstler schuf auch die Fontana delle Tar- tarughe in Rom (1585), welche ohne Frage das liebenswürdigste plastische Werk dieser ganzen Richtung ist. Nirgends wohl ist das Architektonische so glücklich in leichten lebenden Figuren ausge- drückt, als hier in den vier sitzenden Jünglingen, welche die Schild- kröten an den Rand der obern Schale (wie um sie zu tränken) em- porheben, und dabei eine ganz durchsichtige Gruppe bilden. Was man von einer zu Grunde liegenden Zeichnung Rafaels sagt, ist nicht erwiesen, eher könnte von einer Angabe des Baumeisters Giacomo della Porta die Rede sein, wenn nicht gerade die florentinische, von Giovanni da Bol. ausgehende Inspiration sich so deutlich kundgäbe. cAls bescheidene Parallele vergl. man die Lampe im Dom von Pisa mit den vier stützenden Genien, welche echt florentinisch gedacht ist.
Ein anderer Nachfolger und Landsmann des Bologna, Pietro Francavilla aus Cambray, fertigte u. a. die Statuen in der Cap. dNiccolini in S. Croce (am Ende des linken Querschiffs), manierirt und doch nicht ohne einen gewissen oberflächlichen Reiz. Mittelgut die esechs Statuen im Dom von Genua, Cap. rechts vom Chor. Was er nach den Angaben des Meisters ausführte (Statuen in der erwähnten fGrabcap. der Annunziata etc.) ist meist schlechte Arbeit und selbst durch die Motive des Meisters nur selten interessant; eine Ausnahme gzum Bessern machen einige der sechs Statuen in der Cap. S. Antonino zu S. Marco. (Die Reliefs und die bronzenen Engel, alles höchst manierirt, von Partigiani.) Vgl. S. 684, g und h.
Weiter gehört hieher Gio. Batt. Caccini, der seit 1600 die hBalustrade und den Tabernakel unter der Kuppel von S. Spirito er- baute und eigenhändig mit den Statuen der Engel und der vier Hei- ligen versah; letztere, beträchtlich besser, repräsentiren das kecke Linienprincip des Gio. Bologna in nicht unedler Weise. Anderes im iChor der Annunziata u. a. a. O. Von ihm ist auch die schöne Chri- kstusbüste an der Ecke des jetzigen Hotel d'York (1588). Er war da-
Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Landini. Francavilla.
Von Taddeo Landini, einem florentinischen Zeitgenossen des aGiov. da Bologna, rührt unter den Statuen der vier Jahreszeiten am Ponte della Trinità „der Winter“ her; eine tüchtige Arbeit, aber recht bezeichnend für die müssige Gliederschaustellung jener Schule; wenn den Alten so friert, warum nimmt er seinen Mantel nicht besser um? b— Allein derselbe Künstler schuf auch die Fontana delle Tar- tarughe in Rom (1585), welche ohne Frage das liebenswürdigste plastische Werk dieser ganzen Richtung ist. Nirgends wohl ist das Architektonische so glücklich in leichten lebenden Figuren ausge- drückt, als hier in den vier sitzenden Jünglingen, welche die Schild- kröten an den Rand der obern Schale (wie um sie zu tränken) em- porheben, und dabei eine ganz durchsichtige Gruppe bilden. Was man von einer zu Grunde liegenden Zeichnung Rafaels sagt, ist nicht erwiesen, eher könnte von einer Angabe des Baumeisters Giacomo della Porta die Rede sein, wenn nicht gerade die florentinische, von Giovanni da Bol. ausgehende Inspiration sich so deutlich kundgäbe. cAls bescheidene Parallele vergl. man die Lampe im Dom von Pisa mit den vier stützenden Genien, welche echt florentinisch gedacht ist.
Ein anderer Nachfolger und Landsmann des Bologna, Pietro Francavilla aus Cambray, fertigte u. a. die Statuen in der Cap. dNiccolini in S. Croce (am Ende des linken Querschiffs), manierirt und doch nicht ohne einen gewissen oberflächlichen Reiz. Mittelgut die esechs Statuen im Dom von Genua, Cap. rechts vom Chor. Was er nach den Angaben des Meisters ausführte (Statuen in der erwähnten fGrabcap. der Annunziata etc.) ist meist schlechte Arbeit und selbst durch die Motive des Meisters nur selten interessant; eine Ausnahme gzum Bessern machen einige der sechs Statuen in der Cap. S. Antonino zu S. Marco. (Die Reliefs und die bronzenen Engel, alles höchst manierirt, von Partigiani.) Vgl. S. 684, g und h.
Weiter gehört hieher Gio. Batt. Caccini, der seit 1600 die hBalustrade und den Tabernakel unter der Kuppel von S. Spirito er- baute und eigenhändig mit den Statuen der Engel und der vier Hei- ligen versah; letztere, beträchtlich besser, repräsentiren das kecke Linienprincip des Gio. Bologna in nicht unedler Weise. Anderes im iChor der Annunziata u. a. a. O. Von ihm ist auch die schöne Chri- kstusbüste an der Ecke des jetzigen Hôtel d’York (1588). Er war da-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0708"n="686"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Landini. Francavilla.</hi></fw><lb/><p>Von <hirendition="#g">Taddeo Landini</hi>, einem florentinischen Zeitgenossen des<lb/><noteplace="left">a</note>Giov. da Bologna, rührt unter den Statuen der vier Jahreszeiten am<lb/>
Ponte della Trinità „der Winter“ her; eine tüchtige Arbeit, aber recht<lb/>
bezeichnend für die müssige Gliederschaustellung jener Schule; wenn<lb/>
den Alten so friert, warum nimmt er seinen Mantel nicht besser um?<lb/><noteplace="left">b</note>— Allein derselbe Künstler schuf auch die <hirendition="#g">Fontana delle Tar-<lb/>
tarughe</hi> in <hirendition="#g">Rom</hi> (1585), welche ohne Frage das liebenswürdigste<lb/>
plastische Werk dieser ganzen Richtung ist. Nirgends wohl ist das<lb/>
Architektonische so glücklich in leichten lebenden Figuren ausge-<lb/>
drückt, als hier in den vier sitzenden Jünglingen, welche die Schild-<lb/>
kröten an den Rand der obern Schale (wie um sie zu tränken) em-<lb/>
porheben, und dabei eine ganz durchsichtige Gruppe bilden. Was<lb/>
man von einer zu Grunde liegenden Zeichnung Rafaels sagt, ist nicht<lb/>
erwiesen, eher könnte von einer Angabe des Baumeisters Giacomo<lb/>
della Porta die Rede sein, wenn nicht gerade die florentinische, von<lb/>
Giovanni da Bol. ausgehende Inspiration sich so deutlich kundgäbe.<lb/><noteplace="left">c</note>Als bescheidene Parallele vergl. man die Lampe im Dom von Pisa<lb/>
mit den vier stützenden Genien, welche echt florentinisch gedacht ist.</p><lb/><p>Ein anderer Nachfolger und Landsmann des Bologna, <hirendition="#g">Pietro<lb/>
Francavilla</hi> aus Cambray, fertigte u. a. die Statuen in der Cap.<lb/><noteplace="left">d</note>Niccolini in S. Croce (am Ende des linken Querschiffs), manierirt und<lb/>
doch nicht ohne einen gewissen oberflächlichen Reiz. Mittelgut die<lb/><noteplace="left">e</note>sechs Statuen im Dom von Genua, Cap. rechts vom Chor. Was er<lb/>
nach den Angaben des Meisters ausführte (Statuen in der erwähnten<lb/><noteplace="left">f</note>Grabcap. der Annunziata etc.) ist meist schlechte Arbeit und selbst<lb/>
durch die Motive des Meisters nur selten interessant; eine Ausnahme<lb/><noteplace="left">g</note>zum Bessern machen einige der sechs Statuen in der Cap. S. Antonino<lb/>
zu S. Marco. (Die Reliefs und die bronzenen Engel, alles höchst<lb/>
manierirt, von Partigiani.) Vgl. S. 684, g und h.</p><lb/><p>Weiter gehört hieher <hirendition="#g">Gio. Batt. Caccini</hi>, der seit 1600 die<lb/><noteplace="left">h</note>Balustrade und den Tabernakel unter der Kuppel von S. Spirito er-<lb/>
baute und eigenhändig mit den Statuen der Engel und der vier Hei-<lb/>
ligen versah; letztere, beträchtlich besser, repräsentiren das kecke<lb/>
Linienprincip des Gio. Bologna in nicht unedler Weise. Anderes im<lb/><noteplace="left">i</note>Chor der Annunziata u. a. a. O. Von ihm ist auch die schöne Chri-<lb/><noteplace="left">k</note>stusbüste an der Ecke des jetzigen Hôtel d’York (1588). Er war da-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[686/0708]
Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Landini. Francavilla.
Von Taddeo Landini, einem florentinischen Zeitgenossen des
Giov. da Bologna, rührt unter den Statuen der vier Jahreszeiten am
Ponte della Trinità „der Winter“ her; eine tüchtige Arbeit, aber recht
bezeichnend für die müssige Gliederschaustellung jener Schule; wenn
den Alten so friert, warum nimmt er seinen Mantel nicht besser um?
— Allein derselbe Künstler schuf auch die Fontana delle Tar-
tarughe in Rom (1585), welche ohne Frage das liebenswürdigste
plastische Werk dieser ganzen Richtung ist. Nirgends wohl ist das
Architektonische so glücklich in leichten lebenden Figuren ausge-
drückt, als hier in den vier sitzenden Jünglingen, welche die Schild-
kröten an den Rand der obern Schale (wie um sie zu tränken) em-
porheben, und dabei eine ganz durchsichtige Gruppe bilden. Was
man von einer zu Grunde liegenden Zeichnung Rafaels sagt, ist nicht
erwiesen, eher könnte von einer Angabe des Baumeisters Giacomo
della Porta die Rede sein, wenn nicht gerade die florentinische, von
Giovanni da Bol. ausgehende Inspiration sich so deutlich kundgäbe.
Als bescheidene Parallele vergl. man die Lampe im Dom von Pisa
mit den vier stützenden Genien, welche echt florentinisch gedacht ist.
a
b
c
Ein anderer Nachfolger und Landsmann des Bologna, Pietro
Francavilla aus Cambray, fertigte u. a. die Statuen in der Cap.
Niccolini in S. Croce (am Ende des linken Querschiffs), manierirt und
doch nicht ohne einen gewissen oberflächlichen Reiz. Mittelgut die
sechs Statuen im Dom von Genua, Cap. rechts vom Chor. Was er
nach den Angaben des Meisters ausführte (Statuen in der erwähnten
Grabcap. der Annunziata etc.) ist meist schlechte Arbeit und selbst
durch die Motive des Meisters nur selten interessant; eine Ausnahme
zum Bessern machen einige der sechs Statuen in der Cap. S. Antonino
zu S. Marco. (Die Reliefs und die bronzenen Engel, alles höchst
manierirt, von Partigiani.) Vgl. S. 684, g und h.
d
e
f
g
Weiter gehört hieher Gio. Batt. Caccini, der seit 1600 die
Balustrade und den Tabernakel unter der Kuppel von S. Spirito er-
baute und eigenhändig mit den Statuen der Engel und der vier Hei-
ligen versah; letztere, beträchtlich besser, repräsentiren das kecke
Linienprincip des Gio. Bologna in nicht unedler Weise. Anderes im
Chor der Annunziata u. a. a. O. Von ihm ist auch die schöne Chri-
stusbüste an der Ecke des jetzigen Hôtel d’York (1588). Er war da-
h
i
k
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/708>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.