Lombarden her verräth, und diess Alles mit einer gewissen decora- tiven Seelenruhe zu einem nicht unangenehmen Ganzen verschmelzt. Von der Mitarbeit in der mediceischen Capelle an, wo er den heil.a Cosmas ausarbeitete, wird er ausschliesslich Michelangelist.
Von Andrea Doria nach Genua berufen 1), musste er als Archi- tekt und Bildhauer das sein, was Perin del Vaga als Maler; die in den Künsten durch politische Leiden arg zurückgekommene Stadt bedurfte auswärtiger Kräfte. Die Kirche S. Matteo, das Familien-b heiligthum der Doria, ist ein ganzes Museum seiner Sculpturen 2). Manches davon zeigt, dass er sich half wie er konnte; in den sitzen- den Relieffiguren der beiden Kanzeln, in den vier Evangelisten der Chorwände ist mehr als eine Reminiscenz aus der Sistina zu be- merken; von den Freisculpturen hinten im Chor ist die Pieta, was die Lage des Leichnams betrifft, nach derjenigen Michelangelo's in S. Peter copirt, was zu der peruginesken Madonna nicht recht passt; die vier übrigen Statuen (Propheten) haben beinahe die Art des Guglielmo della Porta und der damaligen Lombarden. Die reiche Stucchirung der Kuppel und des Chores (von Gehülfen ausgeführt), die beiden Altäre des Querschiffes (mit den vielleicht von andern Händen gefertigten Reliefs über den Altären), die Reliefs von Tritonen und gefangenen Türken unter den Kanzeln und das Denkmal des Andrea Doria in der Crypta (welches der Verf. nicht sah) vollenden diesen in seiner Art einzigen plastischen Schmuck, dessen Gleichen selten Einem Künstler anvertraut worden ist. Montorsoli hatte bei seiner mässigen Begabung ganz Recht, dass er sich nicht durch das gleichzeitige glänzende Beispiel der mediceischen Capelle irre machen liess. Auf diese Weise hat die Nachwelt etwas Geniessbares erhalten.
Eine späte Arbeit M.'s ist dann der 1561 vollendete Hauptaltarc in den Servi zu Bologna. Die drei Statuen der Nischen, der Auf- erstandene mit Maria und Johannes zeigen noch eine schöne sanso-
1) Laut der genuesischen Guida schon 1528, laut Vasari erst nach 1535 oder noch später, was zu andern Daten nicht recht passt.
2) Im anstossenden Kreuzgang sind die Überreste der 1797 demolirten Statuen* des Andrea und Giov. Andrea Doria, von den Jahren 1528 (?) und 1577 aufgestellt. Die erstere ist ein vortreffliches Werk von Montorsoli's Hand, die letztere eine schon manierirte Nachahmung der erstern.
Montorsoli.
Lombarden her verräth, und diess Alles mit einer gewissen decora- tiven Seelenruhe zu einem nicht unangenehmen Ganzen verschmelzt. Von der Mitarbeit in der mediceischen Capelle an, wo er den heil.a Cosmas ausarbeitete, wird er ausschliesslich Michelangelist.
Von Andrea Doria nach Genua berufen 1), musste er als Archi- tekt und Bildhauer das sein, was Perin del Vaga als Maler; die in den Künsten durch politische Leiden arg zurückgekommene Stadt bedurfte auswärtiger Kräfte. Die Kirche S. Matteo, das Familien-b heiligthum der Doria, ist ein ganzes Museum seiner Sculpturen 2). Manches davon zeigt, dass er sich half wie er konnte; in den sitzen- den Relieffiguren der beiden Kanzeln, in den vier Evangelisten der Chorwände ist mehr als eine Reminiscenz aus der Sistina zu be- merken; von den Freisculpturen hinten im Chor ist die Pietà, was die Lage des Leichnams betrifft, nach derjenigen Michelangelo’s in S. Peter copirt, was zu der peruginesken Madonna nicht recht passt; die vier übrigen Statuen (Propheten) haben beinahe die Art des Guglielmo della Porta und der damaligen Lombarden. Die reiche Stucchirung der Kuppel und des Chores (von Gehülfen ausgeführt), die beiden Altäre des Querschiffes (mit den vielleicht von andern Händen gefertigten Reliefs über den Altären), die Reliefs von Tritonen und gefangenen Türken unter den Kanzeln und das Denkmal des Andrea Doria in der Crypta (welches der Verf. nicht sah) vollenden diesen in seiner Art einzigen plastischen Schmuck, dessen Gleichen selten Einem Künstler anvertraut worden ist. Montorsoli hatte bei seiner mässigen Begabung ganz Recht, dass er sich nicht durch das gleichzeitige glänzende Beispiel der mediceischen Capelle irre machen liess. Auf diese Weise hat die Nachwelt etwas Geniessbares erhalten.
Eine späte Arbeit M.’s ist dann der 1561 vollendete Hauptaltarc in den Servi zu Bologna. Die drei Statuen der Nischen, der Auf- erstandene mit Maria und Johannes zeigen noch eine schöne sanso-
1) Laut der genuesischen Guida schon 1528, laut Vasari erst nach 1535 oder noch später, was zu andern Daten nicht recht passt.
2) Im anstossenden Kreuzgang sind die Überreste der 1797 demolirten Statuen* des Andrea und Giov. Andrea Doria, von den Jahren 1528 (?) und 1577 aufgestellt. Die erstere ist ein vortreffliches Werk von Montorsoli’s Hand, die letztere eine schon manierirte Nachahmung der erstern.
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Montorsoli.
Lombarden her verräth, und diess Alles mit einer gewissen decora-
tiven Seelenruhe zu einem nicht unangenehmen Ganzen verschmelzt.
Von der Mitarbeit in der mediceischen Capelle an, wo er den heil.
Cosmas ausarbeitete, wird er ausschliesslich Michelangelist.
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Von Andrea Doria nach Genua berufen 1), musste er als Archi-
tekt und Bildhauer das sein, was Perin del Vaga als Maler; die in
den Künsten durch politische Leiden arg zurückgekommene Stadt
bedurfte auswärtiger Kräfte. Die Kirche S. Matteo, das Familien-
heiligthum der Doria, ist ein ganzes Museum seiner Sculpturen 2).
Manches davon zeigt, dass er sich half wie er konnte; in den sitzen-
den Relieffiguren der beiden Kanzeln, in den vier Evangelisten der
Chorwände ist mehr als eine Reminiscenz aus der Sistina zu be-
merken; von den Freisculpturen hinten im Chor ist die Pietà, was
die Lage des Leichnams betrifft, nach derjenigen Michelangelo’s in
S. Peter copirt, was zu der peruginesken Madonna nicht recht passt;
die vier übrigen Statuen (Propheten) haben beinahe die Art des
Guglielmo della Porta und der damaligen Lombarden. Die reiche
Stucchirung der Kuppel und des Chores (von Gehülfen ausgeführt),
die beiden Altäre des Querschiffes (mit den vielleicht von andern
Händen gefertigten Reliefs über den Altären), die Reliefs von Tritonen
und gefangenen Türken unter den Kanzeln und das Denkmal des
Andrea Doria in der Crypta (welches der Verf. nicht sah) vollenden
diesen in seiner Art einzigen plastischen Schmuck, dessen Gleichen
selten Einem Künstler anvertraut worden ist. Montorsoli hatte bei
seiner mässigen Begabung ganz Recht, dass er sich nicht durch das
gleichzeitige glänzende Beispiel der mediceischen Capelle irre machen
liess. Auf diese Weise hat die Nachwelt etwas Geniessbares erhalten.
b
Eine späte Arbeit M.’s ist dann der 1561 vollendete Hauptaltar
in den Servi zu Bologna. Die drei Statuen der Nischen, der Auf-
erstandene mit Maria und Johannes zeigen noch eine schöne sanso-
c
1) Laut der genuesischen Guida schon 1528, laut Vasari erst nach 1535 oder
noch später, was zu andern Daten nicht recht passt.
2) Im anstossenden Kreuzgang sind die Überreste der 1797 demolirten Statuen
des Andrea und Giov. Andrea Doria, von den Jahren 1528 (?) und 1577
aufgestellt. Die erstere ist ein vortreffliches Werk von Montorsoli’s Hand,
die letztere eine schon manierirte Nachahmung der erstern.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 677. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/699>, abgerufen am 18.12.2024.
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