daraus befreien; aber irgend ein Umstand kommt dazwischen und die Arbeit bleibt liegen 1).
Endlich sorgte Michelangelo eigenhändig für sein Grabmal; esa sollte wieder eine Pieta sein. Damals begann er wahrscheinlich das- jenige Werk, welches jetzt im Hof des Palazzo Rondanini zu Rom (am Corso) steht, und das am besten unbesichtigt bleibt. Wie konnte er, nachdem der Block schon so verdorben war, wie man ihn sieht, doch noch diese Gestalten herauszwingen wollen, auf Kosten der- jenigen Körperverhältnisse, die Niemand besser kannte als Er? Leider ist wohl jeder Meisselschlag von ihm.
Später arbeitete er -- der Sage nach aus einem Capitäl des Frie-b denstempels, das ihm Papst Paul III geschenkt -- diejenige Gruppe, welche jetzt im Dom von Florenz, unter der Kuppel, aufgestellt ist. Er hat den Werth einer monolithen Arbeit überschätzt und dem Marmor, welcher nicht reichte, das Unmögliche zugemuthet, um Fi- guren herauszubringen, die sich der Lebensgrösse wenigstens nähern. Es ist ein höchst unerquickliches Werk, von der rechten Seite ge- sehen unklar, durch die Gestalt des Nicodemus zusammengedrückt. Die Stellung der Leiche dürfte mit jener ersten Pieta in S. Peter nicht von ferne verglichen werden.
Eine ganz späte Arbeit soll auch die angefangene Büste desc Brutus in den Uffizien (Halle d. Hermaphr.) sein, angeblich nach einer antiken Gemme, wahrscheinlich aber ein frei geschaffenes Cha- rakterbild und ein Gegenstand, der dem trotzigen Sinne des Meisters nahe lag. Physiognomisch abstossend und dabei grandios behandelt. -- Das eigene Bildniss Michelangelo's, ein schöner Bronzekopf, imd Conservatorenpalast des Capitols (5. Zimmer) gilt als seine Arbeit.
Zahllose kleine Modelle seiner Hand sind zerstreut und zu Grunde gegangen; was von der Art in italienischen Sammlungen vorkömmt verdient insgemein wenig Zutrauen. (Der Christuskopf in S. Agnesee bei Rom, in einer Cap. rechts, ist jedenfalls nicht von ihm ausgeführt; -- das Relief einer Pieta in der Kirche des Albergo de' poveri zuf
1) Wenn auch Michelangelo schon 1503 für die Querbaucapellen des Domes in Florenz die Statuen der 12 Apostel bestellt erhielt, so kann er doch den vor- liegenden S. Matthäus wohl viel später und für eine andere Bestimmung ge- arbeitet haben. Der Styl nöthigt zu einer derartigen Annahme.
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Letzte Arbeiten.
daraus befreien; aber irgend ein Umstand kommt dazwischen und die Arbeit bleibt liegen 1).
Endlich sorgte Michelangelo eigenhändig für sein Grabmal; esa sollte wieder eine Pietà sein. Damals begann er wahrscheinlich das- jenige Werk, welches jetzt im Hof des Palazzo Rondanini zu Rom (am Corso) steht, und das am besten unbesichtigt bleibt. Wie konnte er, nachdem der Block schon so verdorben war, wie man ihn sieht, doch noch diese Gestalten herauszwingen wollen, auf Kosten der- jenigen Körperverhältnisse, die Niemand besser kannte als Er? Leider ist wohl jeder Meisselschlag von ihm.
Später arbeitete er — der Sage nach aus einem Capitäl des Frie-b denstempels, das ihm Papst Paul III geschenkt — diejenige Gruppe, welche jetzt im Dom von Florenz, unter der Kuppel, aufgestellt ist. Er hat den Werth einer monolithen Arbeit überschätzt und dem Marmor, welcher nicht reichte, das Unmögliche zugemuthet, um Fi- guren herauszubringen, die sich der Lebensgrösse wenigstens nähern. Es ist ein höchst unerquickliches Werk, von der rechten Seite ge- sehen unklar, durch die Gestalt des Nicodemus zusammengedrückt. Die Stellung der Leiche dürfte mit jener ersten Pietà in S. Peter nicht von ferne verglichen werden.
Eine ganz späte Arbeit soll auch die angefangene Büste desc Brutus in den Uffizien (Halle d. Hermaphr.) sein, angeblich nach einer antiken Gemme, wahrscheinlich aber ein frei geschaffenes Cha- rakterbild und ein Gegenstand, der dem trotzigen Sinne des Meisters nahe lag. Physiognomisch abstossend und dabei grandios behandelt. — Das eigene Bildniss Michelangelo’s, ein schöner Bronzekopf, imd Conservatorenpalast des Capitols (5. Zimmer) gilt als seine Arbeit.
Zahllose kleine Modelle seiner Hand sind zerstreut und zu Grunde gegangen; was von der Art in italienischen Sammlungen vorkömmt verdient insgemein wenig Zutrauen. (Der Christuskopf in S. Agnesee bei Rom, in einer Cap. rechts, ist jedenfalls nicht von ihm ausgeführt; — das Relief einer Pietà in der Kirche des Albergo de’ poveri zuf
1) Wenn auch Michelangelo schon 1503 für die Querbaucapellen des Domes in Florenz die Statuen der 12 Apostel bestellt erhielt, so kann er doch den vor- liegenden S. Matthäus wohl viel später und für eine andere Bestimmung ge- arbeitet haben. Der Styl nöthigt zu einer derartigen Annahme.
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daraus befreien; aber irgend ein Umstand kommt dazwischen und die
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Endlich sorgte Michelangelo eigenhändig für sein Grabmal; es
sollte wieder eine Pietà sein. Damals begann er wahrscheinlich das-
jenige Werk, welches jetzt im Hof des Palazzo Rondanini zu Rom
(am Corso) steht, und das am besten unbesichtigt bleibt. Wie konnte
er, nachdem der Block schon so verdorben war, wie man ihn sieht,
doch noch diese Gestalten herauszwingen wollen, auf Kosten der-
jenigen Körperverhältnisse, die Niemand besser kannte als Er? Leider
ist wohl jeder Meisselschlag von ihm.
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Später arbeitete er — der Sage nach aus einem Capitäl des Frie-
denstempels, das ihm Papst Paul III geschenkt — diejenige Gruppe,
welche jetzt im Dom von Florenz, unter der Kuppel, aufgestellt
ist. Er hat den Werth einer monolithen Arbeit überschätzt und dem
Marmor, welcher nicht reichte, das Unmögliche zugemuthet, um Fi-
guren herauszubringen, die sich der Lebensgrösse wenigstens nähern.
Es ist ein höchst unerquickliches Werk, von der rechten Seite ge-
sehen unklar, durch die Gestalt des Nicodemus zusammengedrückt.
Die Stellung der Leiche dürfte mit jener ersten Pietà in S. Peter nicht
von ferne verglichen werden.
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Eine ganz späte Arbeit soll auch die angefangene Büste des
Brutus in den Uffizien (Halle d. Hermaphr.) sein, angeblich nach
einer antiken Gemme, wahrscheinlich aber ein frei geschaffenes Cha-
rakterbild und ein Gegenstand, der dem trotzigen Sinne des Meisters
nahe lag. Physiognomisch abstossend und dabei grandios behandelt.
— Das eigene Bildniss Michelangelo’s, ein schöner Bronzekopf, im
Conservatorenpalast des Capitols (5. Zimmer) gilt als seine Arbeit.
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d
Zahllose kleine Modelle seiner Hand sind zerstreut und zu Grunde
gegangen; was von der Art in italienischen Sammlungen vorkömmt
verdient insgemein wenig Zutrauen. (Der Christuskopf in S. Agnese
bei Rom, in einer Cap. rechts, ist jedenfalls nicht von ihm ausgeführt;
— das Relief einer Pietà in der Kirche des Albergo de’ poveri zu
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Florenz die Statuen der 12 Apostel bestellt erhielt, so kann er doch den vor-
liegenden S. Matthäus wohl viel später und für eine andere Bestimmung ge-
arbeitet haben. Der Styl nöthigt zu einer derartigen Annahme.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/697>, abgerufen am 18.12.2024.
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