roti (1474 -- 1563). Er sagte von sich selbst, einmal er sei kein Maler, ein anderes Mal die Baukunst sei nicht seine Sache, dagegen bekannte er sich zu allen Zeiten als Bildhauer und nannte die Sculp- tur (wenigstens im Vergleich mit der Malerei) die erste Kunst: "Es war ihm nur dann wohl, wenn er den Meissel in den Händen hatte."
Seine Anstrengungen, dieses fest erkannten Berufes Herr zu wer- den, waren ungeheuer. Es ist keine blosse Phrase, wenn behauptet wird, er habe zwölf Jahre auf das Studium der Anatomie verwandt; seine Werke zeigen ein Ringen und Streben wie die keines Andern nach immer grösserer schöpferischer Freiheit.
Der erste Anlauf, welchen Michelangelo nahm, war über alle Massen herrlich. In den Räumen des Palazzo Buonarroti zua Florenz (Via Ghibellina N. 7588), welche von dem jüngern, als Dich- ter berühmten Michelangelo B. dem Andenken und den Reliquien des grossen Oheims geweiht worden sind 1), wird ein Relief aufbewahrt, welches dieser in seinem siebzehnten Jahr verfertigte: "Hercules im Kampf gegen die Centauren", d. h. ein Handgemenge nackter Figuren, unter welchen auch Centauren vorkommen. Obwohl im Geiste des überreichen römischen Reliefs gedacht, enthält es doch Motive von griechischer Art und Lebendigkeit, Wendungen von Körpern, welche den bedeutendsten momentanen Ausdruck mit der schönsten Form verbinden; dass in dem Menschenknäul vor der mittlern Figur das Mass überschritten wird, geschieht doch nicht auf Kosten der Deut- lichkeit und lässt sich durch die Jugend des Künstlers entschuldigen. Vielleicht noch früher ist das Flachrelief einer säugenden Madonnab im Profil (ebendort) gearbeitet; eine der ersten Arbeiten, welche aus dem Realismus des XV. Jahrh. ganz entschieden hinausgehen in den rein idealen Styl.
Wie vollkommen liebenswürdig wusste Michelangelo damals zu bilden! An der Arca di S. Domenico in der Kirche dieses Hei-c ligen zu Bologna ist von ihm der eine knieende Engel mit dem Candelaber (derjenige links vom Beschauer); ein so hold jugendliches Köpfchen, wie es damals nur Lionardo da Vinci zu bilden im Stande gewesen wäre. Den schweren Gewandstoff, der zu einer lebensgros-
1) Sichtbar jeden Donnerstag.
Michelangelo.
roti (1474 — 1563). Er sagte von sich selbst, einmal er sei kein Maler, ein anderes Mal die Baukunst sei nicht seine Sache, dagegen bekannte er sich zu allen Zeiten als Bildhauer und nannte die Sculp- tur (wenigstens im Vergleich mit der Malerei) die erste Kunst: „Es war ihm nur dann wohl, wenn er den Meissel in den Händen hatte.“
Seine Anstrengungen, dieses fest erkannten Berufes Herr zu wer- den, waren ungeheuer. Es ist keine blosse Phrase, wenn behauptet wird, er habe zwölf Jahre auf das Studium der Anatomie verwandt; seine Werke zeigen ein Ringen und Streben wie die keines Andern nach immer grösserer schöpferischer Freiheit.
Der erste Anlauf, welchen Michelangelo nahm, war über alle Massen herrlich. In den Räumen des Palazzo Buonarroti zua Florenz (Via Ghibellina N. 7588), welche von dem jüngern, als Dich- ter berühmten Michelangelo B. dem Andenken und den Reliquien des grossen Oheims geweiht worden sind 1), wird ein Relief aufbewahrt, welches dieser in seinem siebzehnten Jahr verfertigte: „Hercules im Kampf gegen die Centauren“, d. h. ein Handgemenge nackter Figuren, unter welchen auch Centauren vorkommen. Obwohl im Geiste des überreichen römischen Reliefs gedacht, enthält es doch Motive von griechischer Art und Lebendigkeit, Wendungen von Körpern, welche den bedeutendsten momentanen Ausdruck mit der schönsten Form verbinden; dass in dem Menschenknäul vor der mittlern Figur das Mass überschritten wird, geschieht doch nicht auf Kosten der Deut- lichkeit und lässt sich durch die Jugend des Künstlers entschuldigen. Vielleicht noch früher ist das Flachrelief einer säugenden Madonnab im Profil (ebendort) gearbeitet; eine der ersten Arbeiten, welche aus dem Realismus des XV. Jahrh. ganz entschieden hinausgehen in den rein idealen Styl.
Wie vollkommen liebenswürdig wusste Michelangelo damals zu bilden! An der Arca di S. Domenico in der Kirche dieses Hei-c ligen zu Bologna ist von ihm der eine knieende Engel mit dem Candelaber (derjenige links vom Beschauer); ein so hold jugendliches Köpfchen, wie es damals nur Lionardo da Vinci zu bilden im Stande gewesen wäre. Den schweren Gewandstoff, der zu einer lebensgros-
1) Sichtbar jeden Donnerstag.
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Michelangelo.
roti (1474 — 1563). Er sagte von sich selbst, einmal er sei kein
Maler, ein anderes Mal die Baukunst sei nicht seine Sache, dagegen
bekannte er sich zu allen Zeiten als Bildhauer und nannte die Sculp-
tur (wenigstens im Vergleich mit der Malerei) die erste Kunst: „Es war
ihm nur dann wohl, wenn er den Meissel in den Händen hatte.“
Seine Anstrengungen, dieses fest erkannten Berufes Herr zu wer-
den, waren ungeheuer. Es ist keine blosse Phrase, wenn behauptet
wird, er habe zwölf Jahre auf das Studium der Anatomie verwandt;
seine Werke zeigen ein Ringen und Streben wie die keines Andern
nach immer grösserer schöpferischer Freiheit.
Der erste Anlauf, welchen Michelangelo nahm, war über alle
Massen herrlich. In den Räumen des Palazzo Buonarroti zu
Florenz (Via Ghibellina N. 7588), welche von dem jüngern, als Dich-
ter berühmten Michelangelo B. dem Andenken und den Reliquien des
grossen Oheims geweiht worden sind 1), wird ein Relief aufbewahrt,
welches dieser in seinem siebzehnten Jahr verfertigte: „Hercules im
Kampf gegen die Centauren“, d. h. ein Handgemenge nackter Figuren,
unter welchen auch Centauren vorkommen. Obwohl im Geiste des
überreichen römischen Reliefs gedacht, enthält es doch Motive von
griechischer Art und Lebendigkeit, Wendungen von Körpern, welche
den bedeutendsten momentanen Ausdruck mit der schönsten Form
verbinden; dass in dem Menschenknäul vor der mittlern Figur das
Mass überschritten wird, geschieht doch nicht auf Kosten der Deut-
lichkeit und lässt sich durch die Jugend des Künstlers entschuldigen.
Vielleicht noch früher ist das Flachrelief einer säugenden Madonna
im Profil (ebendort) gearbeitet; eine der ersten Arbeiten, welche aus
dem Realismus des XV. Jahrh. ganz entschieden hinausgehen in den
rein idealen Styl.
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b
Wie vollkommen liebenswürdig wusste Michelangelo damals zu
bilden! An der Arca di S. Domenico in der Kirche dieses Hei-
ligen zu Bologna ist von ihm der eine knieende Engel mit dem
Candelaber (derjenige links vom Beschauer); ein so hold jugendliches
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gewesen wäre. Den schweren Gewandstoff, der zu einer lebensgros-
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1) Sichtbar jeden Donnerstag.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/687>, abgerufen am 18.12.2024.
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