Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Venedig. Campagna.
(weder allzumagern noch hässlichen) Bildung eine etwas zu starke Andeutung des schon eingetretenen Todes durch das Vorhängen der alinken Schulter 1). -- Neben dem Hochaltar von S. Tommaso: die Statuen des Petrus und Thomas, mit würdigen Köpfen. -- In S. Ma- bria de' miracoli, vor der Balustrade: S. Franz und S. Clara, ersterer vielleicht ein frühes Jugendwerk.
Campagna's Madonnenstatuen genügen weniger; ihre Haltung und Kopfbildung erinnert zu sehr an Paolo Veronese, um ein hohes Da- csein ausdrücken zu können. An derjenigen in S. Salvatore (2. Altar rechts) sitzt das Kind hübsch leicht auf den Händen der Mutter, und auch die beiden Putten, die sich unten an ihr Kleid halten, sind glück- dlich hinzugeordnet; dagegen erscheint die in S. Giorgio maggiore (2. Altar links) durchaus wie ein spätes und schwaches Werk. Eine ehübsche aber wenig bezeugte Madonna in der Abbazia, Cap. hinter fder Sacristei. In C.'s Vaterstadt Verona steht eine Madonna von ihm an der Ecke des Obergeschosses der Casa de' Mercanti.
Von dem Lieblingsgegenstand der venezian. Sculptur (wie der Bacchus es bei den Florentinern war), dem heil. Sebastian, hat Cam- gpagna am Hochaltar von S. Lorenzo wenigstens eine gute Darstellung geliefert, mit dem Ausdruck des Schmerzes ohne Affectation.
Wie schön und tüchtig er sonstige Aktfiguren zu behandeln wusste, hzeigt der colossale Atlant oder Cyclop im untern Gang der Zecca. Das höchst affectirte Gegenstück des Tiziano Aspetti spricht lauter zu Campagna's Gunsten als Worte es könnten. -- Im Dogenpalast stehen iauf dem Kamin der Sala del Collegio seine hübschen und lebendigen Statuetten des Mercur und Hercules. (Geringer die 3 Statuen über kder einen Thür der Sala delle 4 porte.)
l
In der Scuola di S. Rocco ist bei der Statue des Heiligen (un- tere Halle) das unerlässliche Vorzeigen der Schenkelwunde glücklich als dasjenige Wendungsmotiv benützt, um welches die damalige Sculp- tur so oft in Verlegenheit ist. Im obern Saal sind die Statuen neben dem Altar -- Johannes d. T. und wiederum ein S. Sebastian -- von geringerem Interesse als die beiden (unvollendeten) sitzenden Prophe-
1)*Die kleinen Statuetten dieses Altars sind späte, aber für den berninischen Styl recht glückliche Schöpfungen des Bolognesen Mazza, vom Jahr 1679.
Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Venedig. Campagna.
(weder allzumagern noch hässlichen) Bildung eine etwas zu starke Andeutung des schon eingetretenen Todes durch das Vorhängen der alinken Schulter 1). — Neben dem Hochaltar von S. Tommaso: die Statuen des Petrus und Thomas, mit würdigen Köpfen. — In S. Ma- bria de’ miracoli, vor der Balustrade: S. Franz und S. Clara, ersterer vielleicht ein frühes Jugendwerk.
Campagna’s Madonnenstatuen genügen weniger; ihre Haltung und Kopfbildung erinnert zu sehr an Paolo Veronese, um ein hohes Da- csein ausdrücken zu können. An derjenigen in S. Salvatore (2. Altar rechts) sitzt das Kind hübsch leicht auf den Händen der Mutter, und auch die beiden Putten, die sich unten an ihr Kleid halten, sind glück- dlich hinzugeordnet; dagegen erscheint die in S. Giorgio maggiore (2. Altar links) durchaus wie ein spätes und schwaches Werk. Eine ehübsche aber wenig bezeugte Madonna in der Abbazia, Cap. hinter fder Sacristei. In C.’s Vaterstadt Verona steht eine Madonna von ihm an der Ecke des Obergeschosses der Casa de’ Mercanti.
Von dem Lieblingsgegenstand der venezian. Sculptur (wie der Bacchus es bei den Florentinern war), dem heil. Sebastian, hat Cam- gpagna am Hochaltar von S. Lorenzo wenigstens eine gute Darstellung geliefert, mit dem Ausdruck des Schmerzes ohne Affectation.
Wie schön und tüchtig er sonstige Aktfiguren zu behandeln wusste, hzeigt der colossale Atlant oder Cyclop im untern Gang der Zecca. Das höchst affectirte Gegenstück des Tiziano Aspetti spricht lauter zu Campagna’s Gunsten als Worte es könnten. — Im Dogenpalast stehen iauf dem Kamin der Sala del Collegio seine hübschen und lebendigen Statuetten des Mercur und Hercules. (Geringer die 3 Statuen über kder einen Thür der Sala delle 4 porte.)
l
In der Scuola di S. Rocco ist bei der Statue des Heiligen (un- tere Halle) das unerlässliche Vorzeigen der Schenkelwunde glücklich als dasjenige Wendungsmotiv benützt, um welches die damalige Sculp- tur so oft in Verlegenheit ist. Im obern Saal sind die Statuen neben dem Altar — Johannes d. T. und wiederum ein S. Sebastian — von geringerem Interesse als die beiden (unvollendeten) sitzenden Prophe-
1)*Die kleinen Statuetten dieses Altars sind späte, aber für den berninischen Styl recht glückliche Schöpfungen des Bolognesen Mazza, vom Jahr 1679.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0680"n="658"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Venedig. Campagna.</hi></fw><lb/>
(weder allzumagern noch hässlichen) Bildung eine etwas zu starke<lb/>
Andeutung des schon eingetretenen Todes durch das Vorhängen der<lb/><noteplace="left">a</note>linken Schulter <noteplace="foot"n="1)"><noteplace="left">*</note>Die kleinen Statuetten dieses Altars sind späte, aber für den berninischen<lb/>
Styl recht glückliche Schöpfungen des Bolognesen Mazza, vom Jahr 1679.</note>. — Neben dem Hochaltar von S. Tommaso: die<lb/>
Statuen des Petrus und Thomas, mit würdigen Köpfen. — In S. Ma-<lb/><noteplace="left">b</note>ria de’ miracoli, vor der Balustrade: S. Franz und S. Clara, ersterer<lb/>
vielleicht ein frühes Jugendwerk.</p><lb/><p>Campagna’s Madonnenstatuen genügen weniger; ihre Haltung und<lb/>
Kopfbildung erinnert zu sehr an Paolo Veronese, um ein hohes Da-<lb/><noteplace="left">c</note>sein ausdrücken zu können. An derjenigen in S. Salvatore (2. Altar<lb/>
rechts) sitzt das Kind hübsch leicht auf den Händen der Mutter, und<lb/>
auch die beiden Putten, die sich unten an ihr Kleid halten, sind glück-<lb/><noteplace="left">d</note>lich hinzugeordnet; dagegen erscheint die in S. Giorgio maggiore<lb/>
(2. Altar links) durchaus wie ein spätes und schwaches Werk. Eine<lb/><noteplace="left">e</note>hübsche aber wenig bezeugte Madonna in der Abbazia, Cap. hinter<lb/><noteplace="left">f</note>der Sacristei. In C.’s Vaterstadt Verona steht eine Madonna von ihm<lb/>
an der Ecke des Obergeschosses der Casa de’ Mercanti.</p><lb/><p>Von dem Lieblingsgegenstand der venezian. Sculptur (wie der<lb/>
Bacchus es bei den Florentinern war), dem heil. Sebastian, hat Cam-<lb/><noteplace="left">g</note>pagna am Hochaltar von S. Lorenzo wenigstens eine gute Darstellung<lb/>
geliefert, mit dem Ausdruck des Schmerzes ohne Affectation.</p><lb/><p>Wie schön und tüchtig er sonstige Aktfiguren zu behandeln wusste,<lb/><noteplace="left">h</note>zeigt der colossale Atlant oder Cyclop im untern Gang der <hirendition="#g">Zecca</hi>.<lb/>
Das höchst affectirte Gegenstück des Tiziano Aspetti spricht lauter<lb/>
zu Campagna’s Gunsten als Worte es könnten. — Im Dogenpalast stehen<lb/><noteplace="left">i</note>auf dem Kamin der Sala del Collegio seine hübschen und lebendigen<lb/>
Statuetten des Mercur und Hercules. (Geringer die 3 Statuen über<lb/><noteplace="left">k</note>der einen Thür der Sala delle 4 porte.)</p><lb/><noteplace="left">l</note><p>In der Scuola di S. Rocco ist bei der Statue des Heiligen (un-<lb/>
tere Halle) das unerlässliche Vorzeigen der Schenkelwunde glücklich<lb/>
als dasjenige Wendungsmotiv benützt, um welches die damalige Sculp-<lb/>
tur so oft in Verlegenheit ist. Im obern Saal sind die Statuen neben<lb/>
dem Altar — Johannes d. T. und wiederum ein S. Sebastian — von<lb/>
geringerem Interesse als die beiden (unvollendeten) sitzenden Prophe-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[658/0680]
Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Venedig. Campagna.
(weder allzumagern noch hässlichen) Bildung eine etwas zu starke
Andeutung des schon eingetretenen Todes durch das Vorhängen der
linken Schulter 1). — Neben dem Hochaltar von S. Tommaso: die
Statuen des Petrus und Thomas, mit würdigen Köpfen. — In S. Ma-
ria de’ miracoli, vor der Balustrade: S. Franz und S. Clara, ersterer
vielleicht ein frühes Jugendwerk.
a
b
Campagna’s Madonnenstatuen genügen weniger; ihre Haltung und
Kopfbildung erinnert zu sehr an Paolo Veronese, um ein hohes Da-
sein ausdrücken zu können. An derjenigen in S. Salvatore (2. Altar
rechts) sitzt das Kind hübsch leicht auf den Händen der Mutter, und
auch die beiden Putten, die sich unten an ihr Kleid halten, sind glück-
lich hinzugeordnet; dagegen erscheint die in S. Giorgio maggiore
(2. Altar links) durchaus wie ein spätes und schwaches Werk. Eine
hübsche aber wenig bezeugte Madonna in der Abbazia, Cap. hinter
der Sacristei. In C.’s Vaterstadt Verona steht eine Madonna von ihm
an der Ecke des Obergeschosses der Casa de’ Mercanti.
c
d
e
f
Von dem Lieblingsgegenstand der venezian. Sculptur (wie der
Bacchus es bei den Florentinern war), dem heil. Sebastian, hat Cam-
pagna am Hochaltar von S. Lorenzo wenigstens eine gute Darstellung
geliefert, mit dem Ausdruck des Schmerzes ohne Affectation.
g
Wie schön und tüchtig er sonstige Aktfiguren zu behandeln wusste,
zeigt der colossale Atlant oder Cyclop im untern Gang der Zecca.
Das höchst affectirte Gegenstück des Tiziano Aspetti spricht lauter
zu Campagna’s Gunsten als Worte es könnten. — Im Dogenpalast stehen
auf dem Kamin der Sala del Collegio seine hübschen und lebendigen
Statuetten des Mercur und Hercules. (Geringer die 3 Statuen über
der einen Thür der Sala delle 4 porte.)
h
i
k
In der Scuola di S. Rocco ist bei der Statue des Heiligen (un-
tere Halle) das unerlässliche Vorzeigen der Schenkelwunde glücklich
als dasjenige Wendungsmotiv benützt, um welches die damalige Sculp-
tur so oft in Verlegenheit ist. Im obern Saal sind die Statuen neben
dem Altar — Johannes d. T. und wiederum ein S. Sebastian — von
geringerem Interesse als die beiden (unvollendeten) sitzenden Prophe-
1) Die kleinen Statuetten dieses Altars sind späte, aber für den berninischen
Styl recht glückliche Schöpfungen des Bolognesen Mazza, vom Jahr 1679.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/680>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.