Für sein schönstes Werk in Venedig glaube ich die Statue der aHoffnung am Dogengrab Venier (+ 1556) zu S. Salvatore halten zu müssen (nach dem 2. Altar rechts). Die plastisch vortreffliche, leichte Haltung, die nicht ideale, aber venezianische Schönheit des Kopfes, der ruhig gefasste Ausdruck lässt gewisse Spielereien in Haar- putz und Gewandung wohl vergessen. (Thorwaldsen ist bei einer der allegorischen Statuen am Grabmal Pius VII auf ein ganz ähnliches Motiv gerathen.) -- Aber wie viel geringer ist das Gegenstück, die Caritas, mit ihren hart manierirten Putten! (Das Lunettenrelief von anderer Hand.)
b
Von mythologischen Gegenständen enthält die Loggia am Fuss des Campanile di S. Marco das Beste (um 1540). Die Bronzestatuen des Friedens, des Apoll, Mercur und der Pallas sind zwar, die erst- genannte ausgenommen, im Motiv etwas gesucht, aber von schöner Bildung, namentlich was die Köpfe (zumal des Mercur und der Pax) betrifft. Ganz vorzüglich sind dann einzelne der kleinen Reliefdar- stellungen am Sockel, die zu den so seltenen wahrhaft naiven Kunst- werken mythologischen Inhaltes gehören. (Die obern Reliefs und die Figuren in den Bogenfüllungen gelten als Schülerarbeit.)
Übrigens ist Jacopo auch sonst im Relief am glücklichsten wenn es sich um einzeln eingerahmte Figuren handelt. Man findet hinten cim Chor von S. Marco die berühmte kleine Bronzethür, welche in die Sacristei führt, und welche den Meister zwanzig Jahre lang beschäftigt haben soll; ihre beiden grössern Reliefs (Christi Tod und Auferstehung) können bei vielem Geist doch im Styl z. B. nicht neben Tribolo aufkommen, während die Einzelfiguren der Propheten in den horizontalen und senkrechten Einfassungen völlig genügen und zum Theil von hoher Vortrefflichkeit sind. (Was von der Bildnissähnlich- keit der vortretenden Köpfe in den Ecken mit Tizian, Pietro Aretino und S. selber gesagt wird, ist nicht ganz zuverlässig.) -- Ebenso fehlt des den sechs bronzenen Reliefs mit den Wundern des heil. Marcus (rechts und links vom Eingang des Chores an der Brustwehr zweier Balustraden) zwar nicht an geistvollem und energischem Ausdruck der Thatsachen, wohl aber an dem wahren Mass, welches diese Gat- etung beherrschen muss. -- An dem Altar im Hintergrunde des Chores ist das kleine Sacramentsthürchen mit dem von Engeln umschwebten
Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Jacopo Sansovino.
Für sein schönstes Werk in Venedig glaube ich die Statue der aHoffnung am Dogengrab Venier († 1556) zu S. Salvatore halten zu müssen (nach dem 2. Altar rechts). Die plastisch vortreffliche, leichte Haltung, die nicht ideale, aber venezianische Schönheit des Kopfes, der ruhig gefasste Ausdruck lässt gewisse Spielereien in Haar- putz und Gewandung wohl vergessen. (Thorwaldsen ist bei einer der allegorischen Statuen am Grabmal Pius VII auf ein ganz ähnliches Motiv gerathen.) — Aber wie viel geringer ist das Gegenstück, die Caritas, mit ihren hart manierirten Putten! (Das Lunettenrelief von anderer Hand.)
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Von mythologischen Gegenständen enthält die Loggia am Fuss des Campanile di S. Marco das Beste (um 1540). Die Bronzestatuen des Friedens, des Apoll, Mercur und der Pallas sind zwar, die erst- genannte ausgenommen, im Motiv etwas gesucht, aber von schöner Bildung, namentlich was die Köpfe (zumal des Mercur und der Pax) betrifft. Ganz vorzüglich sind dann einzelne der kleinen Reliefdar- stellungen am Sockel, die zu den so seltenen wahrhaft naiven Kunst- werken mythologischen Inhaltes gehören. (Die obern Reliefs und die Figuren in den Bogenfüllungen gelten als Schülerarbeit.)
Übrigens ist Jacopo auch sonst im Relief am glücklichsten wenn es sich um einzeln eingerahmte Figuren handelt. Man findet hinten cim Chor von S. Marco die berühmte kleine Bronzethür, welche in die Sacristei führt, und welche den Meister zwanzig Jahre lang beschäftigt haben soll; ihre beiden grössern Reliefs (Christi Tod und Auferstehung) können bei vielem Geist doch im Styl z. B. nicht neben Tribolo aufkommen, während die Einzelfiguren der Propheten in den horizontalen und senkrechten Einfassungen völlig genügen und zum Theil von hoher Vortrefflichkeit sind. (Was von der Bildnissähnlich- keit der vortretenden Köpfe in den Ecken mit Tizian, Pietro Aretino und S. selber gesagt wird, ist nicht ganz zuverlässig.) — Ebenso fehlt des den sechs bronzenen Reliefs mit den Wundern des heil. Marcus (rechts und links vom Eingang des Chores an der Brustwehr zweier Balustraden) zwar nicht an geistvollem und energischem Ausdruck der Thatsachen, wohl aber an dem wahren Mass, welches diese Gat- etung beherrschen muss. — An dem Altar im Hintergrunde des Chores ist das kleine Sacramentsthürchen mit dem von Engeln umschwebten
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Sculptur des XVI. Jahrhunderts. Jacopo Sansovino.
Für sein schönstes Werk in Venedig glaube ich die Statue der
Hoffnung am Dogengrab Venier († 1556) zu S. Salvatore halten
zu müssen (nach dem 2. Altar rechts). Die plastisch vortreffliche,
leichte Haltung, die nicht ideale, aber venezianische Schönheit des
Kopfes, der ruhig gefasste Ausdruck lässt gewisse Spielereien in Haar-
putz und Gewandung wohl vergessen. (Thorwaldsen ist bei einer der
allegorischen Statuen am Grabmal Pius VII auf ein ganz ähnliches
Motiv gerathen.) — Aber wie viel geringer ist das Gegenstück, die
Caritas, mit ihren hart manierirten Putten! (Das Lunettenrelief von
anderer Hand.)
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Von mythologischen Gegenständen enthält die Loggia am Fuss
des Campanile di S. Marco das Beste (um 1540). Die Bronzestatuen
des Friedens, des Apoll, Mercur und der Pallas sind zwar, die erst-
genannte ausgenommen, im Motiv etwas gesucht, aber von schöner
Bildung, namentlich was die Köpfe (zumal des Mercur und der Pax)
betrifft. Ganz vorzüglich sind dann einzelne der kleinen Reliefdar-
stellungen am Sockel, die zu den so seltenen wahrhaft naiven Kunst-
werken mythologischen Inhaltes gehören. (Die obern Reliefs und die
Figuren in den Bogenfüllungen gelten als Schülerarbeit.)
Übrigens ist Jacopo auch sonst im Relief am glücklichsten wenn
es sich um einzeln eingerahmte Figuren handelt. Man findet hinten
im Chor von S. Marco die berühmte kleine Bronzethür, welche
in die Sacristei führt, und welche den Meister zwanzig Jahre lang
beschäftigt haben soll; ihre beiden grössern Reliefs (Christi Tod und
Auferstehung) können bei vielem Geist doch im Styl z. B. nicht neben
Tribolo aufkommen, während die Einzelfiguren der Propheten in den
horizontalen und senkrechten Einfassungen völlig genügen und zum
Theil von hoher Vortrefflichkeit sind. (Was von der Bildnissähnlich-
keit der vortretenden Köpfe in den Ecken mit Tizian, Pietro Aretino
und S. selber gesagt wird, ist nicht ganz zuverlässig.) — Ebenso fehlt
es den sechs bronzenen Reliefs mit den Wundern des heil. Marcus
(rechts und links vom Eingang des Chores an der Brustwehr zweier
Balustraden) zwar nicht an geistvollem und energischem Ausdruck
der Thatsachen, wohl aber an dem wahren Mass, welches diese Gat-
tung beherrschen muss. — An dem Altar im Hintergrunde des Chores
ist das kleine Sacramentsthürchen mit dem von Engeln umschwebten
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/676>, abgerufen am 18.12.2024.
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