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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Sangallo. Danti. Begarelli.

Als Werk eines Ungenannten schliessen wir am besten hier den
Bacchus an, welcher jenseits Ponte vecchio in Florenz in einer Brun-a
nennische steht. Mit Schale und Traube in den Händen vorwärts
stürmend und überhaupt energisch belebt, ist er doch nur für den
Anblick von links berechnet und stösst ab durch vulgäre, gesucht
herculische Bildung. Man vergleiche ihn z. B. mit dem Bacchus Jac.
Sansovino's der ein ähnliches Motiv viel schöner giebt.


Francesco da Sangallo (1498--1570) Sohn des Architekten
Giuliano, ist einer der weniger bedeutenden Nachfolger A. Sansovino's.
Seine Altargruppe in Orsanmicchele zu Florenz, derselbe Gegenstandb
wie die seines Meisters in S. Agostino zu Rom, zeigt seine ganze
Inferiorität; die beiden sitzenden Frauen stossen das Kind auf ihren
Knieen hervor. -- Porträtstatue des Paolo Giovio im Klosterhof vonc
S. Lorenzo. -- Grabmal des Prälaten Angelo Marzi-Medici in derd
Annunziata, am Eingang der Rotunde. -- Theilnahme an den Sculptu-
ren in Loretto.

Vincenzo Danti (1530--1567) erscheint in der Bronzegruppe
der Enthauptung des Täufers über der Südthür des Baptisteriumse
stylistisch halbirt. Einer schönen Inspiration aus den Werken San-
sovino's gehört der knieende Johannes an; der Henker dagegen und
das zuschauende Weib sehen den Gedanken und Formen der römi-
schen Malerschule nur zu ähnlich. -- Die Statue Papst Julius IIIf
beim Dom von Perugia gehört ebenfalls der letztern Art an.


In Oberitalien hält Ein Künstler den meisten bisher genann-
ten, mit Ausnahme Andrea Sansovino's das Gleichgewicht: Antonio
Begarelli
von Modena (st. 1555). Sein Vorgänger ist jener wun-
derliche Guido Mazzoni (S. 635), welcher durch seine grossen gri-
massirenden Thongruppen weniger eine neue Gattung geschaffen, als
eine missachtete Gattung gewissermassen zu Ehren gebracht hatte,
sodass sie für Modena eine anerkannte Specialität ausmachte. Den

ein trefflicher Pokal mit mytholog. Figuren dagegen, den man ihm zuschreibt,*
möchte eine deutsche Arbeit des XVII. Jahrh. sein.
Sangallo. Danti. Begarelli.

Als Werk eines Ungenannten schliessen wir am besten hier den
Bacchus an, welcher jenseits Ponte vecchio in Florenz in einer Brun-a
nennische steht. Mit Schale und Traube in den Händen vorwärts
stürmend und überhaupt energisch belebt, ist er doch nur für den
Anblick von links berechnet und stösst ab durch vulgäre, gesucht
herculische Bildung. Man vergleiche ihn z. B. mit dem Bacchus Jac.
Sansovino’s der ein ähnliches Motiv viel schöner giebt.


Francesco da Sangallo (1498—1570) Sohn des Architekten
Giuliano, ist einer der weniger bedeutenden Nachfolger A. Sansovino’s.
Seine Altargruppe in Orsanmicchele zu Florenz, derselbe Gegenstandb
wie die seines Meisters in S. Agostino zu Rom, zeigt seine ganze
Inferiorität; die beiden sitzenden Frauen stossen das Kind auf ihren
Knieen hervor. — Porträtstatue des Paolo Giovio im Klosterhof vonc
S. Lorenzo. — Grabmal des Prälaten Angelo Marzi-Medici in derd
Annunziata, am Eingang der Rotunde. — Theilnahme an den Sculptu-
ren in Loretto.

Vincenzo Danti (1530—1567) erscheint in der Bronzegruppe
der Enthauptung des Täufers über der Südthür des Baptisteriumse
stylistisch halbirt. Einer schönen Inspiration aus den Werken San-
sovino’s gehört der knieende Johannes an; der Henker dagegen und
das zuschauende Weib sehen den Gedanken und Formen der römi-
schen Malerschule nur zu ähnlich. — Die Statue Papst Julius IIIf
beim Dom von Perugia gehört ebenfalls der letztern Art an.


In Oberitalien hält Ein Künstler den meisten bisher genann-
ten, mit Ausnahme Andrea Sansovino’s das Gleichgewicht: Antonio
Begarelli
von Modena (st. 1555). Sein Vorgänger ist jener wun-
derliche Guido Mazzoni (S. 635), welcher durch seine grossen gri-
massirenden Thongruppen weniger eine neue Gattung geschaffen, als
eine missachtete Gattung gewissermassen zu Ehren gebracht hatte,
sodass sie für Modena eine anerkannte Specialität ausmachte. Den

ein trefflicher Pokal mit mytholog. Figuren dagegen, den man ihm zuschreibt,*
möchte eine deutsche Arbeit des XVII. Jahrh. sein.
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[645/0667] Sangallo. Danti. Begarelli. Als Werk eines Ungenannten schliessen wir am besten hier den Bacchus an, welcher jenseits Ponte vecchio in Florenz in einer Brun- nennische steht. Mit Schale und Traube in den Händen vorwärts stürmend und überhaupt energisch belebt, ist er doch nur für den Anblick von links berechnet und stösst ab durch vulgäre, gesucht herculische Bildung. Man vergleiche ihn z. B. mit dem Bacchus Jac. Sansovino’s der ein ähnliches Motiv viel schöner giebt. a Francesco da Sangallo (1498—1570) Sohn des Architekten Giuliano, ist einer der weniger bedeutenden Nachfolger A. Sansovino’s. Seine Altargruppe in Orsanmicchele zu Florenz, derselbe Gegenstand wie die seines Meisters in S. Agostino zu Rom, zeigt seine ganze Inferiorität; die beiden sitzenden Frauen stossen das Kind auf ihren Knieen hervor. — Porträtstatue des Paolo Giovio im Klosterhof von S. Lorenzo. — Grabmal des Prälaten Angelo Marzi-Medici in der Annunziata, am Eingang der Rotunde. — Theilnahme an den Sculptu- ren in Loretto. b c d Vincenzo Danti (1530—1567) erscheint in der Bronzegruppe der Enthauptung des Täufers über der Südthür des Baptisteriums stylistisch halbirt. Einer schönen Inspiration aus den Werken San- sovino’s gehört der knieende Johannes an; der Henker dagegen und das zuschauende Weib sehen den Gedanken und Formen der römi- schen Malerschule nur zu ähnlich. — Die Statue Papst Julius III beim Dom von Perugia gehört ebenfalls der letztern Art an. e f In Oberitalien hält Ein Künstler den meisten bisher genann- ten, mit Ausnahme Andrea Sansovino’s das Gleichgewicht: Antonio Begarelli von Modena (st. 1555). Sein Vorgänger ist jener wun- derliche Guido Mazzoni (S. 635), welcher durch seine grossen gri- massirenden Thongruppen weniger eine neue Gattung geschaffen, als eine missachtete Gattung gewissermassen zu Ehren gebracht hatte, sodass sie für Modena eine anerkannte Specialität ausmachte. Den 1) 1) ein trefflicher Pokal mit mytholog. Figuren dagegen, den man ihm zuschreibt, möchte eine deutsche Arbeit des XVII. Jahrh. sein.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/667>, abgerufen am 16.07.2024.