In diesen lombardischen Formenkreis gehört auch wohl der Chri- astus am Kreuz, welcher in S. Giorgio maggiore zu Venedig (2. Altar rechts) dem Michelozzo zugeschrieben wird. Aber kein Florentiner, selbst nicht Donatello, hätte eine solche Schmerzensgrimasse gebildet.
Auch in dem marmorarmen Bologna begegnen wir diesen bemal- bten Thongruppen als einem sehr alten Brauch. In S. Pietro (Gang zur Unterkirche) ein frühromanischer Gekreuzigter mit Maria und cJohannes; in einer der Nebenkirchen von S. Stefano (S. Trinita, 3. Cap. rechts) eine Anbetung der Weisen, etwa XIV. Jahrh., mehrerer sog. heiliger Gräber nicht zu erwähnen. -- Mit Mazzoni verwandt, nur weniger scharf und absurd: der etwas jüngere Vincenzo Onofri; dvon ihm ein heil. Grab, rechts neben dem Chor von S. Petronio; und edas farbige Relief im Chorumgang der Servi (1503), Madonna mit S. Laurentius und S. Eustachius nebst zwei Engeln, eine bessere, gar nicht seelenlose Arbeit; wie denn auch die Grabbüste des berühmten fPhilologen Beroaldus in S. Martino maggiore (hinten, links) lebendig und schön behandelt ist. Ausserdem gehört ihm das Grabmal des Bi- gschofs Nacci in S. Petronio (am Pfeiler nach der 7. Capelle links).
Abgesehen von den florentinischen Arbeiten (der Altar mit Engel- reliefs und das Grabmal von Rosellino in der Cap. Piccolomini in Montoliveto; der Triumphbogen Giul. da Majano's im Castell etc.) geben die Sculpturen Neapels den Charakter der damaligen italieni- schen Kunst nur beschränkt wieder. -- Die ehernen Pforten des ge- hnannten Triumphbogens, von Guglielmo Monaco aus Neapel -- überfüllte Schlachtreliefs mit einzelnen schönen Motiven -- dürfen so wenig als Filarete's Pforten von S. Peter mit dem etwa gleichzeitigen Ghiberti verglichen werden. -- Über Reliefs und Statuetten gehen die neapol. Bildhauer dieses Jahrh. überhaupt kaum hinaus. Zu den Aus- inahmen gehört u. a. die naturalistisch gut gearbeitete knieende Statue des Olivieri Carafa in der Crypta des Domes. Die paar tüchtigen kBronzebüsten im Museum (Abtheilung der Terracotten, I. Zimmer) scheinen wiederum florentinische Arbeit zu sein. Über die Gruppe der Grablegung in Montoliveto (Capelle rechts, hinten), von "Moda- nino", vgl. was eben über Guido Mazzoni gesagt wurde (S. 635, a).
Sculptur des XV. Jahrhunderts. Neapel.
In diesen lombardischen Formenkreis gehört auch wohl der Chri- astus am Kreuz, welcher in S. Giorgio maggiore zu Venedig (2. Altar rechts) dem Michelozzo zugeschrieben wird. Aber kein Florentiner, selbst nicht Donatello, hätte eine solche Schmerzensgrimasse gebildet.
Auch in dem marmorarmen Bologna begegnen wir diesen bemal- bten Thongruppen als einem sehr alten Brauch. In S. Pietro (Gang zur Unterkirche) ein frühromanischer Gekreuzigter mit Maria und cJohannes; in einer der Nebenkirchen von S. Stefano (S. Trinità, 3. Cap. rechts) eine Anbetung der Weisen, etwa XIV. Jahrh., mehrerer sog. heiliger Gräber nicht zu erwähnen. — Mit Mazzoni verwandt, nur weniger scharf und absurd: der etwas jüngere Vincenzo Onofri; dvon ihm ein heil. Grab, rechts neben dem Chor von S. Petronio; und edas farbige Relief im Chorumgang der Servi (1503), Madonna mit S. Laurentius und S. Eustachius nebst zwei Engeln, eine bessere, gar nicht seelenlose Arbeit; wie denn auch die Grabbüste des berühmten fPhilologen Beroaldus in S. Martino maggiore (hinten, links) lebendig und schön behandelt ist. Ausserdem gehört ihm das Grabmal des Bi- gschofs Nacci in S. Petronio (am Pfeiler nach der 7. Capelle links).
Abgesehen von den florentinischen Arbeiten (der Altar mit Engel- reliefs und das Grabmal von Rosellino in der Cap. Piccolomini in Montoliveto; der Triumphbogen Giul. da Majano’s im Castell etc.) geben die Sculpturen Neapels den Charakter der damaligen italieni- schen Kunst nur beschränkt wieder. — Die ehernen Pforten des ge- hnannten Triumphbogens, von Guglielmo Monaco aus Neapel — überfüllte Schlachtreliefs mit einzelnen schönen Motiven — dürfen so wenig als Filarete’s Pforten von S. Peter mit dem etwa gleichzeitigen Ghiberti verglichen werden. — Über Reliefs und Statuetten gehen die neapol. Bildhauer dieses Jahrh. überhaupt kaum hinaus. Zu den Aus- inahmen gehört u. a. die naturalistisch gut gearbeitete knieende Statue des Olivieri Carafa in der Crypta des Domes. Die paar tüchtigen kBronzebüsten im Museum (Abtheilung der Terracotten, I. Zimmer) scheinen wiederum florentinische Arbeit zu sein. Über die Gruppe der Grablegung in Montoliveto (Capelle rechts, hinten), von „Moda- nino“, vgl. was eben über Guido Mazzoni gesagt wurde (S. 635, a).
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Sculptur des XV. Jahrhunderts. Neapel.
In diesen lombardischen Formenkreis gehört auch wohl der Chri-
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rechts) dem Michelozzo zugeschrieben wird. Aber kein Florentiner,
selbst nicht Donatello, hätte eine solche Schmerzensgrimasse gebildet.
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Auch in dem marmorarmen Bologna begegnen wir diesen bemal-
ten Thongruppen als einem sehr alten Brauch. In S. Pietro (Gang
zur Unterkirche) ein frühromanischer Gekreuzigter mit Maria und
Johannes; in einer der Nebenkirchen von S. Stefano (S. Trinità, 3.
Cap. rechts) eine Anbetung der Weisen, etwa XIV. Jahrh., mehrerer
sog. heiliger Gräber nicht zu erwähnen. — Mit Mazzoni verwandt, nur
weniger scharf und absurd: der etwas jüngere Vincenzo Onofri;
von ihm ein heil. Grab, rechts neben dem Chor von S. Petronio; und
das farbige Relief im Chorumgang der Servi (1503), Madonna mit
S. Laurentius und S. Eustachius nebst zwei Engeln, eine bessere, gar
nicht seelenlose Arbeit; wie denn auch die Grabbüste des berühmten
Philologen Beroaldus in S. Martino maggiore (hinten, links) lebendig
und schön behandelt ist. Ausserdem gehört ihm das Grabmal des Bi-
schofs Nacci in S. Petronio (am Pfeiler nach der 7. Capelle links).
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Abgesehen von den florentinischen Arbeiten (der Altar mit Engel-
reliefs und das Grabmal von Rosellino in der Cap. Piccolomini in
Montoliveto; der Triumphbogen Giul. da Majano’s im Castell etc.)
geben die Sculpturen Neapels den Charakter der damaligen italieni-
schen Kunst nur beschränkt wieder. — Die ehernen Pforten des ge-
nannten Triumphbogens, von Guglielmo Monaco aus Neapel —
überfüllte Schlachtreliefs mit einzelnen schönen Motiven — dürfen so
wenig als Filarete’s Pforten von S. Peter mit dem etwa gleichzeitigen
Ghiberti verglichen werden. — Über Reliefs und Statuetten gehen die
neapol. Bildhauer dieses Jahrh. überhaupt kaum hinaus. Zu den Aus-
nahmen gehört u. a. die naturalistisch gut gearbeitete knieende Statue
des Olivieri Carafa in der Crypta des Domes. Die paar tüchtigen
Bronzebüsten im Museum (Abtheilung der Terracotten, I. Zimmer)
scheinen wiederum florentinische Arbeit zu sein. Über die Gruppe
der Grablegung in Montoliveto (Capelle rechts, hinten), von „Moda-
nino“, vgl. was eben über Guido Mazzoni gesagt wurde (S. 635, a).
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/658>, abgerufen am 18.12.2024.
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