In der Academie von Venedig sind einige bedeutende Bronze- reliefs aus Riccio's Schule; das einzige, welches in der That so be- zeichnet ist, eine Himmelfahrt Mariä mit den Jüngern am Grabe, ist in dem kleinen Massstab erhaben gedacht, im Ausdruck tief und innig, in Zeichnung und Composition Ghiberti vergleichbar, überhaupt eines der Meisterwerke italienischer Sculptur; -- vier andere, dem Riccio selber zugeschrieben und von 1513 datirt, enthalten die Geschichte der Kreuzerfindung; im Detail sind sie dem erstgenannten wohl ver- wandt, aber viel überfüllter und in manchen Motiven sogar flau und unrein; -- dagegen ist die Thür eines Sacramenthäuschens, welche ohne allen Grund dem Donatello zugeschrieben wird, wohl des Mei- sters der Himmelfahrt Mariä würdig; unter einem Renaissanceportal sieht man eine anmuthige Engelschaar; die mittlern halten ein Kreuz; an der Basis zwei kleine Reliefs mit Passionsscenen. -- Von dem betwas spätern Medailleur Cavino, der die sog. Pataviner-Münzen machte, befindet sich ebenda ein peinlich fleissiges Relief, S. Martin mit dem Bettler.
Wie im übrigen Oberitalien der realistische Styl des XV. Jahr- hunderts eindrang, ist der Verfasser nicht im Stande näher anzugeben. Reisende Florentiner, auch wohl die Einwirkung Quercia's von Bo- logna her mögen Das vollendet haben, wozu der Antrieb schon in der cZeit lag. Man sieht z. B. in S. Fermo zu Verona (links vom Haupt- portal) das Familiengrab Brenzoni, angeblich von einem Florentiner Giov. Russi, welches in einer schönrealistisch, doch nicht in Do- natello's Manier belebten Wandgruppe die Auferstehung darstellt; der Sarcophag ist zum Grab Christi umgedeutet, vor welchem die schla- fenden Wächter sehr gut und geschickt angebracht sind; ein Engel hält den Grabstein, andere die Leuchter, Putten ziehen den Vorhang. -- Von diesem Geiste berührt mag dann ein Einheimischer das schon d(S. 167, c) erwähnte Reiterdenkmal des Sarego (1432) im Chor von S. Anastasia zu Verona geschaffen haben. Vor und hinter dem Feld- herrn stehen -- nicht mehr auf gothischen Consolen, sondern auf na- turalistisch dargestellten Felsstufen -- zwei geharnischte Knappen, welche den Vorhang des Baldachins auf die Seite halten; der vor-
Sculptur des XV. Jahrhunderts. Padua. Verona.
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In der Academie von Venedig sind einige bedeutende Bronze- reliefs aus Riccio’s Schule; das einzige, welches in der That so be- zeichnet ist, eine Himmelfahrt Mariä mit den Jüngern am Grabe, ist in dem kleinen Massstab erhaben gedacht, im Ausdruck tief und innig, in Zeichnung und Composition Ghiberti vergleichbar, überhaupt eines der Meisterwerke italienischer Sculptur; — vier andere, dem Riccio selber zugeschrieben und von 1513 datirt, enthalten die Geschichte der Kreuzerfindung; im Detail sind sie dem erstgenannten wohl ver- wandt, aber viel überfüllter und in manchen Motiven sogar flau und unrein; — dagegen ist die Thür eines Sacramenthäuschens, welche ohne allen Grund dem Donatello zugeschrieben wird, wohl des Mei- sters der Himmelfahrt Mariä würdig; unter einem Renaissanceportal sieht man eine anmuthige Engelschaar; die mittlern halten ein Kreuz; an der Basis zwei kleine Reliefs mit Passionsscenen. — Von dem betwas spätern Medailleur Cavino, der die sog. Pataviner-Münzen machte, befindet sich ebenda ein peinlich fleissiges Relief, S. Martin mit dem Bettler.
Wie im übrigen Oberitalien der realistische Styl des XV. Jahr- hunderts eindrang, ist der Verfasser nicht im Stande näher anzugeben. Reisende Florentiner, auch wohl die Einwirkung Quercia’s von Bo- logna her mögen Das vollendet haben, wozu der Antrieb schon in der cZeit lag. Man sieht z. B. in S. Fermo zu Verona (links vom Haupt- portal) das Familiengrab Brenzoni, angeblich von einem Florentiner Giov. Russi, welches in einer schönrealistisch, doch nicht in Do- natello’s Manier belebten Wandgruppe die Auferstehung darstellt; der Sarcophag ist zum Grab Christi umgedeutet, vor welchem die schla- fenden Wächter sehr gut und geschickt angebracht sind; ein Engel hält den Grabstein, andere die Leuchter, Putten ziehen den Vorhang. — Von diesem Geiste berührt mag dann ein Einheimischer das schon d(S. 167, c) erwähnte Reiterdenkmal des Sarego (1432) im Chor von S. Anastasia zu Verona geschaffen haben. Vor und hinter dem Feld- herrn stehen — nicht mehr auf gothischen Consolen, sondern auf na- turalistisch dargestellten Felsstufen — zwei geharnischte Knappen, welche den Vorhang des Baldachins auf die Seite halten; der vor-
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Sculptur des XV. Jahrhunderts. Padua. Verona.
In der Academie von Venedig sind einige bedeutende Bronze-
reliefs aus Riccio’s Schule; das einzige, welches in der That so be-
zeichnet ist, eine Himmelfahrt Mariä mit den Jüngern am Grabe, ist
in dem kleinen Massstab erhaben gedacht, im Ausdruck tief und innig,
in Zeichnung und Composition Ghiberti vergleichbar, überhaupt eines
der Meisterwerke italienischer Sculptur; — vier andere, dem Riccio
selber zugeschrieben und von 1513 datirt, enthalten die Geschichte
der Kreuzerfindung; im Detail sind sie dem erstgenannten wohl ver-
wandt, aber viel überfüllter und in manchen Motiven sogar flau und
unrein; — dagegen ist die Thür eines Sacramenthäuschens, welche
ohne allen Grund dem Donatello zugeschrieben wird, wohl des Mei-
sters der Himmelfahrt Mariä würdig; unter einem Renaissanceportal
sieht man eine anmuthige Engelschaar; die mittlern halten ein Kreuz;
an der Basis zwei kleine Reliefs mit Passionsscenen. — Von dem
etwas spätern Medailleur Cavino, der die sog. Pataviner-Münzen
machte, befindet sich ebenda ein peinlich fleissiges Relief, S. Martin mit
dem Bettler.
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Wie im übrigen Oberitalien der realistische Styl des XV. Jahr-
hunderts eindrang, ist der Verfasser nicht im Stande näher anzugeben.
Reisende Florentiner, auch wohl die Einwirkung Quercia’s von Bo-
logna her mögen Das vollendet haben, wozu der Antrieb schon in der
Zeit lag. Man sieht z. B. in S. Fermo zu Verona (links vom Haupt-
portal) das Familiengrab Brenzoni, angeblich von einem Florentiner
Giov. Russi, welches in einer schönrealistisch, doch nicht in Do-
natello’s Manier belebten Wandgruppe die Auferstehung darstellt; der
Sarcophag ist zum Grab Christi umgedeutet, vor welchem die schla-
fenden Wächter sehr gut und geschickt angebracht sind; ein Engel
hält den Grabstein, andere die Leuchter, Putten ziehen den Vorhang.
— Von diesem Geiste berührt mag dann ein Einheimischer das schon
(S. 167, c) erwähnte Reiterdenkmal des Sarego (1432) im Chor von
S. Anastasia zu Verona geschaffen haben. Vor und hinter dem Feld-
herrn stehen — nicht mehr auf gothischen Consolen, sondern auf na-
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welche den Vorhang des Baldachins auf die Seite halten; der vor-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/652>, abgerufen am 18.12.2024.
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