Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Sculptur d. XV. Jahrh. Venedig. Die Lombardi. Leopardo.
mit Trophäen und Herculesthaten in Relief; das Christliche beschränkt
sich auf ein oberes Flachrelief, die Frauen am Grabe, und auf kleine
Giebelstatuen des Erlösers und zweier Engel -- von schönem Aus-
druck, während das Übrige von mittlerm Werthe, der Doge nur durch
seinen Porträtkopf ausgezeichnet ist. -- Ebendaselbst im linken Sei-
atenschiff das Dogengrab Marcello (+ 1474); anonym aber ohne Zweifel
ebenfalls aus dieser Werkstatt, am ehesten von Pietro selbst, mit
vier in seiner Art hübschen Tugenden.

b

Die vergoldete Madonna an der Torre dell' Orologio, welche
ebenfalls dieser Schule zugeschrieben wird, ist von gutem und mildem
Ausdruck, aber in der Anordnung nicht geschickt 1).

Pietro und Antonio arbeiteten endlich (1505--1515) die Mo-
cdelle der grossen Bronzearbeiten in der Capella Zeno zu S. Marco
gemeinschaftlich mit

Alessandro Leopardo, der ebenfalls das Haupt einer be-
trächtlichen eigenen Werkstatt war. Ihm wird vor Allem das schönste
dder Dogengräber beigelegt, dasjenige des Andrea Vendramin
(+ 1478) links im Chor von S. Giovanni e Paolo. Verglichen mit den
Gräbern des P. Lombardo ist schon die Eintheilung besser, ohne jene
allzugleichartigen Wiederholungen; die untern Figuren -- drei Genien
mit Leuchtern am Sarcophag, zwei Helden in Seitennischen und zwei
später beigefügte Figuren -- haben die nöthige freie Luft über sich;
oben folgen nur Reliefs verschiedenen Grades und eine leichte Giebel-
verzierung, Sirenen welche einen Medaillon mit dem Christuskinde
halten; auch unten an dem herrlich verzierten Sockel sind die Engel
mit der Schrifttafel und die beiden Putten auf Meerwundern in Relief
gebildet. Dieser Sinn des Masses und der Abstufung bezeichnet hier
allein schon den grossen Künstler, ebenso die Behandlung des Ein-
zelnen. Zwar sind seine Motive zum Theil kaum entschiedener als
die der Lombardi; seine Helden stehen, seine Engel laufen nicht
freier und besser; nur in den Tugenden am Sarcophag fällt eine
edlere und freier abwechselnde Stellung auf, welche auf einem sehr

1) In Ravenna werden dem Pietro Lombardo oder den Lombardi überhaupt bei-
*gelegt: eine Altareinfassung und ein Grabmal in S. Francesco, und ein
**S. Marcus (Hochrelief, datirt 1491) im Dom, ein ausgezeichnetes Werk.

Sculptur d. XV. Jahrh. Venedig. Die Lombardi. Leopardo.
mit Trophäen und Herculesthaten in Relief; das Christliche beschränkt
sich auf ein oberes Flachrelief, die Frauen am Grabe, und auf kleine
Giebelstatuen des Erlösers und zweier Engel — von schönem Aus-
druck, während das Übrige von mittlerm Werthe, der Doge nur durch
seinen Porträtkopf ausgezeichnet ist. — Ebendaselbst im linken Sei-
atenschiff das Dogengrab Marcello († 1474); anonym aber ohne Zweifel
ebenfalls aus dieser Werkstatt, am ehesten von Pietro selbst, mit
vier in seiner Art hübschen Tugenden.

b

Die vergoldete Madonna an der Torre dell’ Orologio, welche
ebenfalls dieser Schule zugeschrieben wird, ist von gutem und mildem
Ausdruck, aber in der Anordnung nicht geschickt 1).

Pietro und Antonio arbeiteten endlich (1505—1515) die Mo-
cdelle der grossen Bronzearbeiten in der Capella Zeno zu S. Marco
gemeinschaftlich mit

Alessandro Leopardo, der ebenfalls das Haupt einer be-
trächtlichen eigenen Werkstatt war. Ihm wird vor Allem das schönste
dder Dogengräber beigelegt, dasjenige des Andrea Vendramin
(† 1478) links im Chor von S. Giovanni e Paolo. Verglichen mit den
Gräbern des P. Lombardo ist schon die Eintheilung besser, ohne jene
allzugleichartigen Wiederholungen; die untern Figuren — drei Genien
mit Leuchtern am Sarcophag, zwei Helden in Seitennischen und zwei
später beigefügte Figuren — haben die nöthige freie Luft über sich;
oben folgen nur Reliefs verschiedenen Grades und eine leichte Giebel-
verzierung, Sirenen welche einen Medaillon mit dem Christuskinde
halten; auch unten an dem herrlich verzierten Sockel sind die Engel
mit der Schrifttafel und die beiden Putten auf Meerwundern in Relief
gebildet. Dieser Sinn des Masses und der Abstufung bezeichnet hier
allein schon den grossen Künstler, ebenso die Behandlung des Ein-
zelnen. Zwar sind seine Motive zum Theil kaum entschiedener als
die der Lombardi; seine Helden stehen, seine Engel laufen nicht
freier und besser; nur in den Tugenden am Sarcophag fällt eine
edlere und freier abwechselnde Stellung auf, welche auf einem sehr

1) In Ravenna werden dem Pietro Lombardo oder den Lombardi überhaupt bei-
*gelegt: eine Altareinfassung und ein Grabmal in S. Francesco, und ein
**S. Marcus (Hochrelief, datirt 1491) im Dom, ein ausgezeichnetes Werk.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0646" n="624"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sculptur d. XV. Jahrh. Venedig. Die Lombardi. Leopardo.</hi></fw><lb/>
mit Trophäen und Herculesthaten in Relief; das Christliche beschränkt<lb/>
sich auf ein oberes Flachrelief, die Frauen am Grabe, und auf kleine<lb/>
Giebelstatuen des Erlösers und zweier Engel &#x2014; von schönem Aus-<lb/>
druck, während das Übrige von mittlerm Werthe, der Doge nur durch<lb/>
seinen Porträtkopf ausgezeichnet ist. &#x2014; Ebendaselbst im linken Sei-<lb/><note place="left">a</note>tenschiff das Dogengrab Marcello (&#x2020; 1474); anonym aber ohne Zweifel<lb/>
ebenfalls aus dieser Werkstatt, am ehesten von <hi rendition="#g">Pietro</hi> selbst, mit<lb/>
vier in seiner Art hübschen Tugenden.</p><lb/>
        <note place="left">b</note>
        <p>Die vergoldete Madonna an der Torre dell&#x2019; Orologio, welche<lb/>
ebenfalls dieser Schule zugeschrieben wird, ist von gutem und mildem<lb/>
Ausdruck, aber in der Anordnung nicht geschickt <note place="foot" n="1)">In Ravenna werden dem Pietro Lombardo oder den Lombardi überhaupt bei-<lb/><note place="left">*</note>gelegt: eine Altareinfassung und ein Grabmal in S. Francesco, und ein<lb/><note place="left">**</note>S. Marcus (Hochrelief, datirt 1491) im Dom, ein ausgezeichnetes Werk.</note>.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Pietro</hi> und <hi rendition="#g">Antonio</hi> arbeiteten endlich (1505&#x2014;1515) die Mo-<lb/><note place="left">c</note>delle der grossen Bronzearbeiten in der <hi rendition="#g">Capella Zeno zu</hi> S. <hi rendition="#g">Marco</hi><lb/>
gemeinschaftlich mit</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Alessandro Leopardo</hi>, der ebenfalls das Haupt einer be-<lb/>
trächtlichen eigenen Werkstatt war. Ihm wird vor Allem das schönste<lb/><note place="left">d</note>der Dogengräber beigelegt, dasjenige des <hi rendition="#g">Andrea Vendramin</hi><lb/>
(&#x2020; 1478) links im Chor von S. Giovanni e Paolo. Verglichen mit den<lb/>
Gräbern des P. Lombardo ist schon die Eintheilung besser, ohne jene<lb/>
allzugleichartigen Wiederholungen; die untern Figuren &#x2014; drei Genien<lb/>
mit Leuchtern am Sarcophag, zwei Helden in Seitennischen und zwei<lb/>
später beigefügte Figuren &#x2014; haben die nöthige freie Luft über sich;<lb/>
oben folgen nur Reliefs verschiedenen Grades und eine leichte Giebel-<lb/>
verzierung, Sirenen welche einen Medaillon mit dem Christuskinde<lb/>
halten; auch unten an dem herrlich verzierten Sockel sind die Engel<lb/>
mit der Schrifttafel und die beiden Putten auf Meerwundern in Relief<lb/>
gebildet. Dieser Sinn des Masses und der Abstufung bezeichnet hier<lb/>
allein schon den grossen Künstler, ebenso die Behandlung des Ein-<lb/>
zelnen. Zwar sind seine Motive zum Theil kaum entschiedener als<lb/>
die der Lombardi; seine Helden stehen, seine Engel laufen nicht<lb/>
freier und besser; nur in den Tugenden am Sarcophag fällt eine<lb/>
edlere und freier abwechselnde Stellung auf, welche auf einem sehr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[624/0646] Sculptur d. XV. Jahrh. Venedig. Die Lombardi. Leopardo. mit Trophäen und Herculesthaten in Relief; das Christliche beschränkt sich auf ein oberes Flachrelief, die Frauen am Grabe, und auf kleine Giebelstatuen des Erlösers und zweier Engel — von schönem Aus- druck, während das Übrige von mittlerm Werthe, der Doge nur durch seinen Porträtkopf ausgezeichnet ist. — Ebendaselbst im linken Sei- tenschiff das Dogengrab Marcello († 1474); anonym aber ohne Zweifel ebenfalls aus dieser Werkstatt, am ehesten von Pietro selbst, mit vier in seiner Art hübschen Tugenden. a Die vergoldete Madonna an der Torre dell’ Orologio, welche ebenfalls dieser Schule zugeschrieben wird, ist von gutem und mildem Ausdruck, aber in der Anordnung nicht geschickt 1). Pietro und Antonio arbeiteten endlich (1505—1515) die Mo- delle der grossen Bronzearbeiten in der Capella Zeno zu S. Marco gemeinschaftlich mit c Alessandro Leopardo, der ebenfalls das Haupt einer be- trächtlichen eigenen Werkstatt war. Ihm wird vor Allem das schönste der Dogengräber beigelegt, dasjenige des Andrea Vendramin († 1478) links im Chor von S. Giovanni e Paolo. Verglichen mit den Gräbern des P. Lombardo ist schon die Eintheilung besser, ohne jene allzugleichartigen Wiederholungen; die untern Figuren — drei Genien mit Leuchtern am Sarcophag, zwei Helden in Seitennischen und zwei später beigefügte Figuren — haben die nöthige freie Luft über sich; oben folgen nur Reliefs verschiedenen Grades und eine leichte Giebel- verzierung, Sirenen welche einen Medaillon mit dem Christuskinde halten; auch unten an dem herrlich verzierten Sockel sind die Engel mit der Schrifttafel und die beiden Putten auf Meerwundern in Relief gebildet. Dieser Sinn des Masses und der Abstufung bezeichnet hier allein schon den grossen Künstler, ebenso die Behandlung des Ein- zelnen. Zwar sind seine Motive zum Theil kaum entschiedener als die der Lombardi; seine Helden stehen, seine Engel laufen nicht freier und besser; nur in den Tugenden am Sarcophag fällt eine edlere und freier abwechselnde Stellung auf, welche auf einem sehr d 1) In Ravenna werden dem Pietro Lombardo oder den Lombardi überhaupt bei- gelegt: eine Altareinfassung und ein Grabmal in S. Francesco, und ein S. Marcus (Hochrelief, datirt 1491) im Dom, ein ausgezeichnetes Werk.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/646
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/646>, abgerufen am 18.12.2024.