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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Sculptur des XV. Jahrhunderts. Venedig. Die Bregni.
a(+ 1457) im Chor der Frari (rechts). Nicht nur ist die Decoration
noch gothisch wie bei Jenem, sondern sie gleichen ihm auch in der
tüchtigen, an Quercia erinnernden Lebensauffassung. -- Gegenüber
steht das derselben Künstlerfamilie zugeschriebene Dogengrab Tron
(+ 1472), in der Decoration schon vollkommene Renaissance, im Figür-
lichen sehr ungleich und jedenfalls von verschiedenen Händen; die
Dogenstatue insbesondere wird als Werk des Antonio namhaft ge-
macht. An den beiden Tugenden zu seinen Seiten haben wir die
ersten vollständigen Typen derjenigen fleissigen, zierlichen und an-
genehmen Gewandstatuen, welche sich in Venedig bis gegen das Jahr
1500 wiederholen; der Schildhalter links ist eine trefflich lebendig ge-
wendete Figur, wahrscheinlich von

Lorenzo Bregno, welcher die Hauptkraft der Schule wurde.
bVon ihm ist wahrscheinlich das Denkmal des Feldherrn Pesaro (+ 1503)
im rechten Querschiff derselben Kirche (über der Sacristeithür) mit
den Statuen des Verstorbenen, des Neptun und des Mars -- letztere
freilich von Baccio da Montelupo, dessen florentinische Lebens-
derbheit den Venezianern überlegen erscheint. -- An dem Vorbau im
cHof des Dogenpalastes möchte der Schildhalter neben Bandini's Statue
des Herzogs von Urbino ebenfalls eine Arbeit Lorenzo's sein. -- In
dS. Giovanni e Paolo ist die Statue des Feldherrn Naldo (rechtes Quer-
schiff, über der Thür) vom Jahr 1510 ein ziemlich lebloses Werk.


Mit oder bald nach den Bregni traten die Lombardi auf,
vielleicht nicht bloss eine Familie, sondern eine Colonie lombardischer
Bildhauer, deren Styl, wie wir sehen werden, mit den besten gleich-
zeitigen Werken des übrigen Oberitaliens eine nahe Verwandtschaft
zeigt. Als Baumeister und Decoratoren werden ihrer fünf oder sechs
genannt (S. 214, Anm.); in der Sculptur kommt hauptsächlich Pietro
mit seinen Söhnen Antonio und Tullio in Betracht.

Was sie gemeinschaftlich hervorbrachten, wird sich jetzt kaum
mehr scheiden lassen. Pietro's Namen, aber von späterer Hand, habe
eich nur an einer Statuette des heil. Hieronymus in S. Stefano (3. Altar
links) entdecken können; danach eine ganze grosse Anzahl von Wer-
ken näher bestimmen zu wollen, in welchen man die "Schule der

Sculptur des XV. Jahrhunderts. Venedig. Die Bregni.
a(† 1457) im Chor der Frari (rechts). Nicht nur ist die Decoration
noch gothisch wie bei Jenem, sondern sie gleichen ihm auch in der
tüchtigen, an Quercia erinnernden Lebensauffassung. — Gegenüber
steht das derselben Künstlerfamilie zugeschriebene Dogengrab Tron
(† 1472), in der Decoration schon vollkommene Renaissance, im Figür-
lichen sehr ungleich und jedenfalls von verschiedenen Händen; die
Dogenstatue insbesondere wird als Werk des Antonio namhaft ge-
macht. An den beiden Tugenden zu seinen Seiten haben wir die
ersten vollständigen Typen derjenigen fleissigen, zierlichen und an-
genehmen Gewandstatuen, welche sich in Venedig bis gegen das Jahr
1500 wiederholen; der Schildhalter links ist eine trefflich lebendig ge-
wendete Figur, wahrscheinlich von

Lorenzo Bregno, welcher die Hauptkraft der Schule wurde.
bVon ihm ist wahrscheinlich das Denkmal des Feldherrn Pesaro († 1503)
im rechten Querschiff derselben Kirche (über der Sacristeithür) mit
den Statuen des Verstorbenen, des Neptun und des Mars — letztere
freilich von Baccio da Montelupo, dessen florentinische Lebens-
derbheit den Venezianern überlegen erscheint. — An dem Vorbau im
cHof des Dogenpalastes möchte der Schildhalter neben Bandini’s Statue
des Herzogs von Urbino ebenfalls eine Arbeit Lorenzo’s sein. — In
dS. Giovanni e Paolo ist die Statue des Feldherrn Naldo (rechtes Quer-
schiff, über der Thür) vom Jahr 1510 ein ziemlich lebloses Werk.


Mit oder bald nach den Bregni traten die Lombardi auf,
vielleicht nicht bloss eine Familie, sondern eine Colonie lombardischer
Bildhauer, deren Styl, wie wir sehen werden, mit den besten gleich-
zeitigen Werken des übrigen Oberitaliens eine nahe Verwandtschaft
zeigt. Als Baumeister und Decoratoren werden ihrer fünf oder sechs
genannt (S. 214, Anm.); in der Sculptur kommt hauptsächlich Pietro
mit seinen Söhnen Antonio und Tullio in Betracht.

Was sie gemeinschaftlich hervorbrachten, wird sich jetzt kaum
mehr scheiden lassen. Pietro’s Namen, aber von späterer Hand, habe
eich nur an einer Statuette des heil. Hieronymus in S. Stefano (3. Altar
links) entdecken können; danach eine ganze grosse Anzahl von Wer-
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[622/0644] Sculptur des XV. Jahrhunderts. Venedig. Die Bregni. († 1457) im Chor der Frari (rechts). Nicht nur ist die Decoration noch gothisch wie bei Jenem, sondern sie gleichen ihm auch in der tüchtigen, an Quercia erinnernden Lebensauffassung. — Gegenüber steht das derselben Künstlerfamilie zugeschriebene Dogengrab Tron († 1472), in der Decoration schon vollkommene Renaissance, im Figür- lichen sehr ungleich und jedenfalls von verschiedenen Händen; die Dogenstatue insbesondere wird als Werk des Antonio namhaft ge- macht. An den beiden Tugenden zu seinen Seiten haben wir die ersten vollständigen Typen derjenigen fleissigen, zierlichen und an- genehmen Gewandstatuen, welche sich in Venedig bis gegen das Jahr 1500 wiederholen; der Schildhalter links ist eine trefflich lebendig ge- wendete Figur, wahrscheinlich von a Lorenzo Bregno, welcher die Hauptkraft der Schule wurde. Von ihm ist wahrscheinlich das Denkmal des Feldherrn Pesaro († 1503) im rechten Querschiff derselben Kirche (über der Sacristeithür) mit den Statuen des Verstorbenen, des Neptun und des Mars — letztere freilich von Baccio da Montelupo, dessen florentinische Lebens- derbheit den Venezianern überlegen erscheint. — An dem Vorbau im Hof des Dogenpalastes möchte der Schildhalter neben Bandini’s Statue des Herzogs von Urbino ebenfalls eine Arbeit Lorenzo’s sein. — In S. Giovanni e Paolo ist die Statue des Feldherrn Naldo (rechtes Quer- schiff, über der Thür) vom Jahr 1510 ein ziemlich lebloses Werk. b c d Mit oder bald nach den Bregni traten die Lombardi auf, vielleicht nicht bloss eine Familie, sondern eine Colonie lombardischer Bildhauer, deren Styl, wie wir sehen werden, mit den besten gleich- zeitigen Werken des übrigen Oberitaliens eine nahe Verwandtschaft zeigt. Als Baumeister und Decoratoren werden ihrer fünf oder sechs genannt (S. 214, Anm.); in der Sculptur kommt hauptsächlich Pietro mit seinen Söhnen Antonio und Tullio in Betracht. Was sie gemeinschaftlich hervorbrachten, wird sich jetzt kaum mehr scheiden lassen. Pietro’s Namen, aber von späterer Hand, habe ich nur an einer Statuette des heil. Hieronymus in S. Stefano (3. Altar links) entdecken können; danach eine ganze grosse Anzahl von Wer- ken näher bestimmen zu wollen, in welchen man die „Schule der e

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/644>, abgerufen am 17.07.2024.