lich tüchtige Bildung, deren Naturalismus gemildert erscheint durch die ergreifende Geberde und Miene des Schuldbewusstseins; bei Eva ist derselbe schon störender.
Seit der Mitte des XV. Jahrh. erscheinen dann mehrere Bild- hauerwerkstätten neben einander und in wechselseitiger Einwirkung auf einander. Die wichtigsten derselben sind die der Bregni, der Lombardi und des Leopardo.
Die Gesammtheit ihrer Productionen ist schon der Masse nach sehr bedeutend; an innerm Gehalt bilden dieselben das wichtigste Gegenstück zu den Werken der gleichzeitigen Toscaner. Es ist der Realismus des XV. Jahrh. ohne Donatello, ohne die extremen Härten aber auch ohne die entschiedene Kraft der Motive. Es mangelt nicht an Bestimmtheit der Formen, zumal der Gewandung, wohl aber an der unablässigen Beobachtung des bewegten Körpers; daher sind auch der Attituden wenige, die sich um so häufiger wiederholen; die Be- handlung des Nackten ist beträchtlich conventioneller als gleichzeitig bei den Vivarini und bei Mantegna. Den Ersatz bildet ein sehr ent- wickelter Sinn für schöne und anmuthige Formen und für höhern Gefühlsausdruck; noch verhüllt und befangen bei Pietro Lombardo, der in den Köpfen mannigfach die Härten eines Bart. Vivarini theilt; gesteigert bis zum tiefsten und süssesten Reiz bei Leopardo.
Die Antike wirkt nur stellenweise direkt ein, dann aber so stark wie vielleicht bei den damaligen Florentinern nirgends. Im Ganzen ist allerdings eher die Malerei der paduanischen Schule als Führerin dieser Sculptur zu betrachten. Mit ihr ist der Ausdruck vieler Köpfe, die Behandlung der Falten und Brüche des Gewandes, auch die Stel- lung vieler Figuren am nächsten verwandt. Auch an Cima, Carpaccio und Giovanni Bellini wird man vielfach erinnert.
Angewiesen auf die zum Theil zweifelhaften und unbestimmten Namengebungen, welche bis jetzt im Gange sind, können wir unmög- lich die einzelnen Künstlercharaktere scharf von einander abgrenzen. Unsere Aufzählung macht desshalb keinerlei systematische Ansprüche.
Die ältern Bregni, Antonio und Paolo, erscheinen noch wie Schüler des Mastro Bartolommeo an dem Dogengrab Franc. Foscari
Die Bregni, Lombardi und Leopardo.
lich tüchtige Bildung, deren Naturalismus gemildert erscheint durch die ergreifende Geberde und Miene des Schuldbewusstseins; bei Eva ist derselbe schon störender.
Seit der Mitte des XV. Jahrh. erscheinen dann mehrere Bild- hauerwerkstätten neben einander und in wechselseitiger Einwirkung auf einander. Die wichtigsten derselben sind die der Bregni, der Lombardi und des Leopardo.
Die Gesammtheit ihrer Productionen ist schon der Masse nach sehr bedeutend; an innerm Gehalt bilden dieselben das wichtigste Gegenstück zu den Werken der gleichzeitigen Toscaner. Es ist der Realismus des XV. Jahrh. ohne Donatello, ohne die extremen Härten aber auch ohne die entschiedene Kraft der Motive. Es mangelt nicht an Bestimmtheit der Formen, zumal der Gewandung, wohl aber an der unablässigen Beobachtung des bewegten Körpers; daher sind auch der Attituden wenige, die sich um so häufiger wiederholen; die Be- handlung des Nackten ist beträchtlich conventioneller als gleichzeitig bei den Vivarini und bei Mantegna. Den Ersatz bildet ein sehr ent- wickelter Sinn für schöne und anmuthige Formen und für höhern Gefühlsausdruck; noch verhüllt und befangen bei Pietro Lombardo, der in den Köpfen mannigfach die Härten eines Bart. Vivarini theilt; gesteigert bis zum tiefsten und süssesten Reiz bei Leopardo.
Die Antike wirkt nur stellenweise direkt ein, dann aber so stark wie vielleicht bei den damaligen Florentinern nirgends. Im Ganzen ist allerdings eher die Malerei der paduanischen Schule als Führerin dieser Sculptur zu betrachten. Mit ihr ist der Ausdruck vieler Köpfe, die Behandlung der Falten und Brüche des Gewandes, auch die Stel- lung vieler Figuren am nächsten verwandt. Auch an Cima, Carpaccio und Giovanni Bellini wird man vielfach erinnert.
Angewiesen auf die zum Theil zweifelhaften und unbestimmten Namengebungen, welche bis jetzt im Gange sind, können wir unmög- lich die einzelnen Künstlercharaktere scharf von einander abgrenzen. Unsere Aufzählung macht desshalb keinerlei systematische Ansprüche.
Die ältern Bregni, Antonio und Paolo, erscheinen noch wie Schüler des Mastro Bartolommeo an dem Dogengrab Franc. Foscari
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Die Bregni, Lombardi und Leopardo.
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die ergreifende Geberde und Miene des Schuldbewusstseins; bei Eva
ist derselbe schon störender.
Seit der Mitte des XV. Jahrh. erscheinen dann mehrere Bild-
hauerwerkstätten neben einander und in wechselseitiger Einwirkung
auf einander. Die wichtigsten derselben sind die der Bregni, der
Lombardi und des Leopardo.
Die Gesammtheit ihrer Productionen ist schon der Masse nach
sehr bedeutend; an innerm Gehalt bilden dieselben das wichtigste
Gegenstück zu den Werken der gleichzeitigen Toscaner. Es ist der
Realismus des XV. Jahrh. ohne Donatello, ohne die extremen Härten
aber auch ohne die entschiedene Kraft der Motive. Es mangelt nicht
an Bestimmtheit der Formen, zumal der Gewandung, wohl aber an
der unablässigen Beobachtung des bewegten Körpers; daher sind auch
der Attituden wenige, die sich um so häufiger wiederholen; die Be-
handlung des Nackten ist beträchtlich conventioneller als gleichzeitig
bei den Vivarini und bei Mantegna. Den Ersatz bildet ein sehr ent-
wickelter Sinn für schöne und anmuthige Formen und für höhern
Gefühlsausdruck; noch verhüllt und befangen bei Pietro Lombardo,
der in den Köpfen mannigfach die Härten eines Bart. Vivarini theilt;
gesteigert bis zum tiefsten und süssesten Reiz bei Leopardo.
Die Antike wirkt nur stellenweise direkt ein, dann aber so stark
wie vielleicht bei den damaligen Florentinern nirgends. Im Ganzen
ist allerdings eher die Malerei der paduanischen Schule als Führerin
dieser Sculptur zu betrachten. Mit ihr ist der Ausdruck vieler Köpfe,
die Behandlung der Falten und Brüche des Gewandes, auch die Stel-
lung vieler Figuren am nächsten verwandt. Auch an Cima, Carpaccio
und Giovanni Bellini wird man vielfach erinnert.
Angewiesen auf die zum Theil zweifelhaften und unbestimmten
Namengebungen, welche bis jetzt im Gange sind, können wir unmög-
lich die einzelnen Künstlercharaktere scharf von einander abgrenzen.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/643>, abgerufen am 18.12.2024.
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