adie des Sandro Botticelli erinnern, sind die sieben Tugenden in Re- lief neben dem Hauptaltar in S. Maria della Spina; möglicherweise gehören die noch bessern drei Tugenden an dem Sarcophag des Erz- bbischofes Ricci (+ 1418, aber das Grab aus späterer Zeit) im Campo santo, bei N. 49, derselben Hand an, ebenso die Reliefstatuetten der Caritas, Misericordia etc. ebenda, N. 90, 94 etc.
Den Ausgang ins XVI. Jahrh. belegen die ziemlich guten und cfreien Sculpturen des Altars in S. Ranieri.
Die Sculptur von Siena seit dem Anfang des XV. Jahrh. ist der gleichzeitigen sienesischen Malerei im Ganzen überlegen, ja sie kann in Betreff der neuen Auffassungsweise sogar gegenüber der flo- rentinischen Sculptur eine zeitliche Priorität in Anspruch nehmen. Ihr wichtigster Meister, Jacopo della Quercia, ist wohl über- haupt der frühste unter Jenen, welche den ausgelebten Styl, der einst von Giovanni Pisano ausgegangen, gegen eine derbere, mehr natura- listische Auffassung vertauschten. Von ihm sind zu Siena: zwei von dden sechs Bronzereliefs am Taufbrunnen in S. Giovanni (Geburt und Predigt des Täufers), noch im Styl des XIV. Jahrh., und die Sculptu- eren der Fonte gaja auf dem grossen Platz (1419), sein vollständigstes und anmuthigstes Werk im neuen Styl. An dem Grabmal der Ilaria fdel Carretto (+ 1405) im linken Querschiff des Domes von Lucca ist die liegende Statue noch mehr germanisch, der Sarcophag dagegen -- nackte Kinder (Putten), welche eine Fruchtschnur tragen -- von einer weichen und schönen Lebendigkeit, die den Vorgängern noch fremd gist. (Die eine Seite von diesem Sarcophag befindet sich in den Uf- fizien zu Florenz, Gang der tosk. Sculptur.) -- Der Altar in der Sacra- hmentscapelle zu S. Frediano in Lucca, datirt 1422, kann kaum von Qu. sein, wenn dieser schon 1419 die Fonte gaja gearbeitet hatte; freilich ist es schwer, neben ihm einen zweiten "Jacopo Sohn Pietro's" aus blosser Vermuthung anzunehmen, da auch sein Vater Pietro hiess; vielleicht könnte das Werk früher von ihm gearbeitet und erst 1422 aus der Werkstatt gegeben worden sein. (Vgl. S. 575, b.) An der zwei- iten Thür der Nordseite des Domes von Florenz ist von ihm (eher als von Nanni di Banco) das Giebelrelief der Madonna della cintola, eine
Sculptur des XV. Jahrhunderts. Siena. Quercia.
adie des Sandro Botticelli erinnern, sind die sieben Tugenden in Re- lief neben dem Hauptaltar in S. Maria della Spina; möglicherweise gehören die noch bessern drei Tugenden an dem Sarcophag des Erz- bbischofes Ricci († 1418, aber das Grab aus späterer Zeit) im Campo santo, bei N. 49, derselben Hand an, ebenso die Reliefstatuetten der Caritas, Misericordia etc. ebenda, N. 90, 94 etc.
Den Ausgang ins XVI. Jahrh. belegen die ziemlich guten und cfreien Sculpturen des Altars in S. Ranieri.
Die Sculptur von Siena seit dem Anfang des XV. Jahrh. ist der gleichzeitigen sienesischen Malerei im Ganzen überlegen, ja sie kann in Betreff der neuen Auffassungsweise sogar gegenüber der flo- rentinischen Sculptur eine zeitliche Priorität in Anspruch nehmen. Ihr wichtigster Meister, Jacopo della Quercia, ist wohl über- haupt der frühste unter Jenen, welche den ausgelebten Styl, der einst von Giovanni Pisano ausgegangen, gegen eine derbere, mehr natura- listische Auffassung vertauschten. Von ihm sind zu Siena: zwei von dden sechs Bronzereliefs am Taufbrunnen in S. Giovanni (Geburt und Predigt des Täufers), noch im Styl des XIV. Jahrh., und die Sculptu- eren der Fonte gaja auf dem grossen Platz (1419), sein vollständigstes und anmuthigstes Werk im neuen Styl. An dem Grabmal der Ilaria fdel Carretto († 1405) im linken Querschiff des Domes von Lucca ist die liegende Statue noch mehr germanisch, der Sarcophag dagegen — nackte Kinder (Putten), welche eine Fruchtschnur tragen — von einer weichen und schönen Lebendigkeit, die den Vorgängern noch fremd gist. (Die eine Seite von diesem Sarcophag befindet sich in den Uf- fizien zu Florenz, Gang der tosk. Sculptur.) — Der Altar in der Sacra- hmentscapelle zu S. Frediano in Lucca, datirt 1422, kann kaum von Qu. sein, wenn dieser schon 1419 die Fonte gaja gearbeitet hatte; freilich ist es schwer, neben ihm einen zweiten „Jacopo Sohn Pietro’s“ aus blosser Vermuthung anzunehmen, da auch sein Vater Pietro hiess; vielleicht könnte das Werk früher von ihm gearbeitet und erst 1422 aus der Werkstatt gegeben worden sein. (Vgl. S. 575, b.) An der zwei- iten Thür der Nordseite des Domes von Florenz ist von ihm (eher als von Nanni di Banco) das Giebelrelief der Madonna della cintola, eine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0634"n="612"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Sculptur des XV. Jahrhunderts. Siena. Quercia.</hi></fw><lb/><noteplace="left">a</note>die des Sandro Botticelli erinnern, sind die sieben Tugenden in Re-<lb/>
lief neben dem Hauptaltar in S. Maria della Spina; möglicherweise<lb/>
gehören die noch bessern drei Tugenden an dem Sarcophag des Erz-<lb/><noteplace="left">b</note>bischofes Ricci († 1418, aber das Grab aus späterer Zeit) im Campo<lb/>
santo, bei N. 49, derselben Hand an, ebenso die Reliefstatuetten der<lb/>
Caritas, Misericordia etc. ebenda, N. 90, 94 etc.</p><lb/><p>Den Ausgang ins XVI. Jahrh. belegen die ziemlich guten und<lb/><noteplace="left">c</note>freien Sculpturen des Altars in S. Ranieri.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die Sculptur von <hirendition="#g">Siena</hi> seit dem Anfang des XV. Jahrh. ist<lb/>
der gleichzeitigen sienesischen Malerei im Ganzen überlegen, ja sie<lb/>
kann in Betreff der neuen Auffassungsweise sogar gegenüber der flo-<lb/>
rentinischen Sculptur eine zeitliche Priorität in Anspruch nehmen.<lb/>
Ihr wichtigster Meister, <hirendition="#g">Jacopo della Quercia</hi>, ist wohl über-<lb/>
haupt der frühste unter Jenen, welche den ausgelebten Styl, der einst<lb/>
von Giovanni Pisano ausgegangen, gegen eine derbere, mehr natura-<lb/>
listische Auffassung vertauschten. Von ihm sind zu Siena: zwei von<lb/><noteplace="left">d</note>den sechs Bronzereliefs am Taufbrunnen in S. Giovanni (Geburt und<lb/>
Predigt des Täufers), noch im Styl des XIV. Jahrh., und die Sculptu-<lb/><noteplace="left">e</note>ren der Fonte gaja auf dem grossen Platz (1419), sein vollständigstes<lb/>
und anmuthigstes Werk im neuen Styl. An dem Grabmal der Ilaria<lb/><noteplace="left">f</note>del Carretto († 1405) im linken Querschiff des Domes von Lucca ist<lb/>
die liegende Statue noch mehr germanisch, der Sarcophag dagegen —<lb/>
nackte Kinder (Putten), welche eine Fruchtschnur tragen — von einer<lb/>
weichen und schönen Lebendigkeit, die den Vorgängern noch fremd<lb/><noteplace="left">g</note>ist. (Die eine Seite von diesem Sarcophag befindet sich in den Uf-<lb/>
fizien zu Florenz, Gang der tosk. Sculptur.) — Der Altar in der Sacra-<lb/><noteplace="left">h</note>mentscapelle zu S. Frediano in Lucca, datirt 1422, kann kaum von<lb/>
Qu. sein, wenn dieser schon 1419 die Fonte gaja gearbeitet hatte;<lb/>
freilich ist es schwer, neben ihm einen zweiten „Jacopo Sohn Pietro’s“<lb/>
aus blosser Vermuthung anzunehmen, da auch sein Vater Pietro hiess;<lb/>
vielleicht könnte das Werk früher von ihm gearbeitet und erst 1422<lb/>
aus der Werkstatt gegeben worden sein. (Vgl. S. 575, b.) An der zwei-<lb/><noteplace="left">i</note>ten Thür der Nordseite des Domes von Florenz ist von ihm (eher als<lb/>
von Nanni di Banco) das Giebelrelief der Madonna della cintola, eine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[612/0634]
Sculptur des XV. Jahrhunderts. Siena. Quercia.
die des Sandro Botticelli erinnern, sind die sieben Tugenden in Re-
lief neben dem Hauptaltar in S. Maria della Spina; möglicherweise
gehören die noch bessern drei Tugenden an dem Sarcophag des Erz-
bischofes Ricci († 1418, aber das Grab aus späterer Zeit) im Campo
santo, bei N. 49, derselben Hand an, ebenso die Reliefstatuetten der
Caritas, Misericordia etc. ebenda, N. 90, 94 etc.
a
b
Den Ausgang ins XVI. Jahrh. belegen die ziemlich guten und
freien Sculpturen des Altars in S. Ranieri.
c
Die Sculptur von Siena seit dem Anfang des XV. Jahrh. ist
der gleichzeitigen sienesischen Malerei im Ganzen überlegen, ja sie
kann in Betreff der neuen Auffassungsweise sogar gegenüber der flo-
rentinischen Sculptur eine zeitliche Priorität in Anspruch nehmen.
Ihr wichtigster Meister, Jacopo della Quercia, ist wohl über-
haupt der frühste unter Jenen, welche den ausgelebten Styl, der einst
von Giovanni Pisano ausgegangen, gegen eine derbere, mehr natura-
listische Auffassung vertauschten. Von ihm sind zu Siena: zwei von
den sechs Bronzereliefs am Taufbrunnen in S. Giovanni (Geburt und
Predigt des Täufers), noch im Styl des XIV. Jahrh., und die Sculptu-
ren der Fonte gaja auf dem grossen Platz (1419), sein vollständigstes
und anmuthigstes Werk im neuen Styl. An dem Grabmal der Ilaria
del Carretto († 1405) im linken Querschiff des Domes von Lucca ist
die liegende Statue noch mehr germanisch, der Sarcophag dagegen —
nackte Kinder (Putten), welche eine Fruchtschnur tragen — von einer
weichen und schönen Lebendigkeit, die den Vorgängern noch fremd
ist. (Die eine Seite von diesem Sarcophag befindet sich in den Uf-
fizien zu Florenz, Gang der tosk. Sculptur.) — Der Altar in der Sacra-
mentscapelle zu S. Frediano in Lucca, datirt 1422, kann kaum von
Qu. sein, wenn dieser schon 1419 die Fonte gaja gearbeitet hatte;
freilich ist es schwer, neben ihm einen zweiten „Jacopo Sohn Pietro’s“
aus blosser Vermuthung anzunehmen, da auch sein Vater Pietro hiess;
vielleicht könnte das Werk früher von ihm gearbeitet und erst 1422
aus der Werkstatt gegeben worden sein. (Vgl. S. 575, b.) An der zwei-
ten Thür der Nordseite des Domes von Florenz ist von ihm (eher als
von Nanni di Banco) das Giebelrelief der Madonna della cintola, eine
d
e
f
g
h
i
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/634>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.