knittrige Faltenwurf wie in der Gruppe zu Florenz. (Vollendet von dem damals noch jungen Lorenzetto, welchem die Figur der Caritas angehört.)
Ausserhalb Toscana's ist von Verocchio nur ein namhaftes Werk vorhanden: die eherne Reiterstatue des Feldherrn Coleoni vora S. Giovanni e Paolo zu Venedig. Sie wurde von Verocchio bloss modellirt und von Aless. Leopardo gegossen, der auch das schöne Piedestal entwarf (S. 252, k). In der Gestalt und Haltung des Reiters ist Verocchio hier so herb individualistisch als irgend ein damaliger florent. Porträtbildner; wir dürfen glauben, dass Coleoni sich zu Pferde vollkommen so stämmig gespreizt ausnahm; aber auch das Bedeutende des Kopfes und der Geberde -- mag sie auch keine glücklichen Linien bilden -- ist mit grosser Sicherheit wiedergegeben. Das Pferd ist merkwürdig gemischt; der Kopf nach antikem Vorbild, die Bewegung wahrscheinlich nach dem Pferde Marc Aurels, das übrige Detail nach emsigstem Naturstudium.
(Von diesem Coleoni und von Donatello's Gattamelata sind dann die hölzernen und vergoldeten Reiterstatuen in S. M. de Frari undb S. Giovanni e Paolo zu Venedig abgeleitet. Es wurde mit der Zeitc Sitte, dass die Republik ihre Generale auf diese Weise ehrte. Im Styl ist keine davon besonders ausgezeichnet. Eine aus dem XVII. Jahrh. -- die späteste -- offenbart schon das damals allverbreitete Streben nach Affect durch heftigen Galopp über Kanonen und verwundete Feinde.)
Viel manierirter, aber in der Technik des Erzgusses eben so be- deutend erscheint Antonio Pollajuolo (1431--1498), dessen Haupt- arbeit das Grab Sixtus IV in der Sacramentscapelle von S. Peterd ist. Die liegende Statue ist als hart realistisches Bildniss von grossem historischem Werthe, die sehr unglücklich an den schiefen Flächen des Paradebettes angebrachten Tugenden und Wissenschaften lassen mit ihrem Schwanken zwischen Relief und Statuette und mit ihren gesuchten Formen schon ahnen, auf welchen Pfaden die Sculptur 100 Jahre später wandeln würde. Das eherne Wanddenkmal Inno-e cenz VIII (an einem Pfeiler des linken Seitenschiffes von S. Peter) ist in Anordnung und Ausführung viel befangener als so manches Bessere aus derselben Zeit (1492). Die ehernen Schrankthüren (zu
Verocchio. Pollajuolo.
knittrige Faltenwurf wie in der Gruppe zu Florenz. (Vollendet von dem damals noch jungen Lorenzetto, welchem die Figur der Caritas angehört.)
Ausserhalb Toscana’s ist von Verocchio nur ein namhaftes Werk vorhanden: die eherne Reiterstatue des Feldherrn Coleoni vora S. Giovanni e Paolo zu Venedig. Sie wurde von Verocchio bloss modellirt und von Aless. Leopardo gegossen, der auch das schöne Piedestal entwarf (S. 252, k). In der Gestalt und Haltung des Reiters ist Verocchio hier so herb individualistisch als irgend ein damaliger florent. Porträtbildner; wir dürfen glauben, dass Coleoni sich zu Pferde vollkommen so stämmig gespreizt ausnahm; aber auch das Bedeutende des Kopfes und der Geberde — mag sie auch keine glücklichen Linien bilden — ist mit grosser Sicherheit wiedergegeben. Das Pferd ist merkwürdig gemischt; der Kopf nach antikem Vorbild, die Bewegung wahrscheinlich nach dem Pferde Marc Aurels, das übrige Detail nach emsigstem Naturstudium.
(Von diesem Coleoni und von Donatello’s Gattamelata sind dann die hölzernen und vergoldeten Reiterstatuen in S. M. de Frari undb S. Giovanni e Paolo zu Venedig abgeleitet. Es wurde mit der Zeitc Sitte, dass die Republik ihre Generale auf diese Weise ehrte. Im Styl ist keine davon besonders ausgezeichnet. Eine aus dem XVII. Jahrh. — die späteste — offenbart schon das damals allverbreitete Streben nach Affect durch heftigen Galopp über Kanonen und verwundete Feinde.)
Viel manierirter, aber in der Technik des Erzgusses eben so be- deutend erscheint Antonio Pollajuolo (1431—1498), dessen Haupt- arbeit das Grab Sixtus IV in der Sacramentscapelle von S. Peterd ist. Die liegende Statue ist als hart realistisches Bildniss von grossem historischem Werthe, die sehr unglücklich an den schiefen Flächen des Paradebettes angebrachten Tugenden und Wissenschaften lassen mit ihrem Schwanken zwischen Relief und Statuette und mit ihren gesuchten Formen schon ahnen, auf welchen Pfaden die Sculptur 100 Jahre später wandeln würde. Das eherne Wanddenkmal Inno-e cenz VIII (an einem Pfeiler des linken Seitenschiffes von S. Peter) ist in Anordnung und Ausführung viel befangener als so manches Bessere aus derselben Zeit (1492). Die ehernen Schrankthüren (zu
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Verocchio. Pollajuolo.
knittrige Faltenwurf wie in der Gruppe zu Florenz. (Vollendet von
dem damals noch jungen Lorenzetto, welchem die Figur der Caritas
angehört.)
Ausserhalb Toscana’s ist von Verocchio nur ein namhaftes Werk
vorhanden: die eherne Reiterstatue des Feldherrn Coleoni vor
S. Giovanni e Paolo zu Venedig. Sie wurde von Verocchio bloss
modellirt und von Aless. Leopardo gegossen, der auch das schöne
Piedestal entwarf (S. 252, k). In der Gestalt und Haltung des Reiters
ist Verocchio hier so herb individualistisch als irgend ein damaliger
florent. Porträtbildner; wir dürfen glauben, dass Coleoni sich zu Pferde
vollkommen so stämmig gespreizt ausnahm; aber auch das Bedeutende
des Kopfes und der Geberde — mag sie auch keine glücklichen Linien
bilden — ist mit grosser Sicherheit wiedergegeben. Das Pferd ist
merkwürdig gemischt; der Kopf nach antikem Vorbild, die Bewegung
wahrscheinlich nach dem Pferde Marc Aurels, das übrige Detail nach
emsigstem Naturstudium.
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(Von diesem Coleoni und von Donatello’s Gattamelata sind dann
die hölzernen und vergoldeten Reiterstatuen in S. M. de Frari und
S. Giovanni e Paolo zu Venedig abgeleitet. Es wurde mit der Zeit
Sitte, dass die Republik ihre Generale auf diese Weise ehrte. Im Styl
ist keine davon besonders ausgezeichnet. Eine aus dem XVII. Jahrh.
— die späteste — offenbart schon das damals allverbreitete Streben nach
Affect durch heftigen Galopp über Kanonen und verwundete Feinde.)
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Viel manierirter, aber in der Technik des Erzgusses eben so be-
deutend erscheint Antonio Pollajuolo (1431—1498), dessen Haupt-
arbeit das Grab Sixtus IV in der Sacramentscapelle von S. Peter
ist. Die liegende Statue ist als hart realistisches Bildniss von grossem
historischem Werthe, die sehr unglücklich an den schiefen Flächen
des Paradebettes angebrachten Tugenden und Wissenschaften lassen
mit ihrem Schwanken zwischen Relief und Statuette und mit ihren
gesuchten Formen schon ahnen, auf welchen Pfaden die Sculptur
100 Jahre später wandeln würde. Das eherne Wanddenkmal Inno-
cenz VIII (an einem Pfeiler des linken Seitenschiffes von S. Peter)
ist in Anordnung und Ausführung viel befangener als so manches
Bessere aus derselben Zeit (1492). Die ehernen Schrankthüren (zu
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/625>, abgerufen am 18.12.2024.
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