Donatello übte eine ungeheure und zum Theil gefährliche Wirkung auf die ganze italienische Sculptur aus; er wurde in viel weitern Krei- sen bekannt als Ghiberti, schon durch seinen wechselnden Aufenthalt. Ohne den starken innern Zug nach dem Schönen, welcher die Kunst immer von Neuem über den blossen Realismus und auch über das oberflächliche Antikisiren emporhob, d. h. ohne den starken Geist des XV. Jahrh. wäre Donatello's Princip eine tödtliche Mode geworden.
Aber schon in seiner unmittelbarsten Nähe gab es Künstler, die durch ihn nicht gänzlich unfrei wurden. Von seinem Bruder Simone (dem Verfertiger des Gitters im Dom von Prato, S. 233, f) und von Antonio Filarete wurden 1439--47 die ehernen Hauptpforten vona S. Peter in Rom gegossen; die Hauptfiguren der grossen Vierecke sind flau, wie von einem etwas verkommenen Meister der ältern Schule, und wir dürfen darin speciell das Werk Filarete's erkennen, -- wenngleich die viel bessere eherne Grabplatte Martins V vor der Confession desb Laterans auch von diesem ist. Die Reliefs und Ornamente der Ein- rahmungen dagegen zeigen wohl Simone's Geist, und erstere sind bei aller Flüchtigkeit trefflich naiv und von den Härten seines Bruders ziemlich frei.
Noch auffallender ist diese (immer nur relative) Unabhängigkeit bei Nanni di Banco1), von dem im florent. Dom (1. Chorcap. rechts)c die sitzende Statue des Lucas, sowie an Orsanmicchele die Statuend der HH. Eligius, Jacobus, Philippus und die Gruppe der vier Heiligen herrühren. (Die letztern sind keinesweges zum Behuf ihrer Zusam- menstellung in der Schulterbreite verkürzt 2), stehen auch gar nicht unglücklich bei einander.) Bei ungleicher und meist donatellischer, auch wohl etwas kraftloser Bildung machen sich hier einzelne sehr schöne und freie Motive geltend, welche der Künstler wahrscheinlich der Anregung Ghiberti's verdankt. -- Sonst aber überwiegt der Einfluss Donatello's.
1) So dass Rumohr bezweifelt hat, dass derselbe wirklich Donatello's Schüler gewesen.
2) Laut Vasari hätte sich Donatello um ein Abendessen zu dieser Correctur verstanden.
Filarete. Nanni di Banco.
Donatello übte eine ungeheure und zum Theil gefährliche Wirkung auf die ganze italienische Sculptur aus; er wurde in viel weitern Krei- sen bekannt als Ghiberti, schon durch seinen wechselnden Aufenthalt. Ohne den starken innern Zug nach dem Schönen, welcher die Kunst immer von Neuem über den blossen Realismus und auch über das oberflächliche Antikisiren emporhob, d. h. ohne den starken Geist des XV. Jahrh. wäre Donatello’s Princip eine tödtliche Mode geworden.
Aber schon in seiner unmittelbarsten Nähe gab es Künstler, die durch ihn nicht gänzlich unfrei wurden. Von seinem Bruder Simone (dem Verfertiger des Gitters im Dom von Prato, S. 233, f) und von Antonio Filarete wurden 1439—47 die ehernen Hauptpforten vona S. Peter in Rom gegossen; die Hauptfiguren der grossen Vierecke sind flau, wie von einem etwas verkommenen Meister der ältern Schule, und wir dürfen darin speciell das Werk Filarete’s erkennen, — wenngleich die viel bessere eherne Grabplatte Martins V vor der Confession desb Laterans auch von diesem ist. Die Reliefs und Ornamente der Ein- rahmungen dagegen zeigen wohl Simone’s Geist, und erstere sind bei aller Flüchtigkeit trefflich naiv und von den Härten seines Bruders ziemlich frei.
Noch auffallender ist diese (immer nur relative) Unabhängigkeit bei Nanni di Banco1), von dem im florent. Dom (1. Chorcap. rechts)c die sitzende Statue des Lucas, sowie an Orsanmicchele die Statuend der HH. Eligius, Jacobus, Philippus und die Gruppe der vier Heiligen herrühren. (Die letztern sind keinesweges zum Behuf ihrer Zusam- menstellung in der Schulterbreite verkürzt 2), stehen auch gar nicht unglücklich bei einander.) Bei ungleicher und meist donatellischer, auch wohl etwas kraftloser Bildung machen sich hier einzelne sehr schöne und freie Motive geltend, welche der Künstler wahrscheinlich der Anregung Ghiberti’s verdankt. — Sonst aber überwiegt der Einfluss Donatello’s.
1) So dass Rumohr bezweifelt hat, dass derselbe wirklich Donatello’s Schüler gewesen.
2) Laut Vasari hätte sich Donatello um ein Abendessen zu dieser Correctur verstanden.
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Filarete. Nanni di Banco.
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sen bekannt als Ghiberti, schon durch seinen wechselnden Aufenthalt.
Ohne den starken innern Zug nach dem Schönen, welcher die Kunst
immer von Neuem über den blossen Realismus und auch über das
oberflächliche Antikisiren emporhob, d. h. ohne den starken Geist des
XV. Jahrh. wäre Donatello’s Princip eine tödtliche Mode geworden.
Aber schon in seiner unmittelbarsten Nähe gab es Künstler, die
durch ihn nicht gänzlich unfrei wurden. Von seinem Bruder Simone
(dem Verfertiger des Gitters im Dom von Prato, S. 233, f) und von
Antonio Filarete wurden 1439—47 die ehernen Hauptpforten von
S. Peter in Rom gegossen; die Hauptfiguren der grossen Vierecke sind
flau, wie von einem etwas verkommenen Meister der ältern Schule, und
wir dürfen darin speciell das Werk Filarete’s erkennen, — wenngleich
die viel bessere eherne Grabplatte Martins V vor der Confession des
Laterans auch von diesem ist. Die Reliefs und Ornamente der Ein-
rahmungen dagegen zeigen wohl Simone’s Geist, und erstere sind bei
aller Flüchtigkeit trefflich naiv und von den Härten seines Bruders
ziemlich frei.
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Noch auffallender ist diese (immer nur relative) Unabhängigkeit
bei Nanni di Banco 1), von dem im florent. Dom (1. Chorcap. rechts)
die sitzende Statue des Lucas, sowie an Orsanmicchele die Statuen
der HH. Eligius, Jacobus, Philippus und die Gruppe der vier Heiligen
herrühren. (Die letztern sind keinesweges zum Behuf ihrer Zusam-
menstellung in der Schulterbreite verkürzt 2), stehen auch gar nicht
unglücklich bei einander.) Bei ungleicher und meist donatellischer,
auch wohl etwas kraftloser Bildung machen sich hier einzelne sehr
schöne und freie Motive geltend, welche der Künstler wahrscheinlich
der Anregung Ghiberti’s verdankt. — Sonst aber überwiegt der Einfluss
Donatello’s.
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1) So dass Rumohr bezweifelt hat, dass derselbe wirklich Donatello’s Schüler
gewesen.
2) Laut Vasari hätte sich Donatello um ein Abendessen zu dieser Correctur
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/623>, abgerufen am 18.12.2024.
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