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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Sculptur des XV. Jahrhunderts. Donatello. Reliefs.
hintern Nebenräumen der Sacristei sind auf farbigem Grunde je zwei
fast lebensgrosse Heilige dargestellt. Diess Alles ist von Stucco und
so auch der ebenfalls D. zugeschriebene Kopf des heil. Laurentius
über der Thür zur Kirche; dazu kommen die beiden genannten Pforten
von Erz, welche in einzelnen Feldern je zwei Apostel oder Heilige
enthalten; flüchtige, aber sehr energische und bedeutend gebildete Fi-
gürchen, die schon weit in das XVI. Jahrh. hineinweisen. Der Mar-
morsarcophag unter dem Tisch der Sacristei mit den Putten ist wieder
nur von mittlerm Werth. -- In nackten Kinderfiguren kommt über-
haupt D.'s ganze Einseitigkeit zum Vorschein; gerade das was ihn
agross macht, fand hier keine Stelle. Seine Kinder in der Sacristei
des Domes (an der Attica) sind in ihrer Hässlichkeit wenigstens naiv;
bdagegen hat der Kindertanz in den Uffizien (Gang der tosc. Sculptur)
etwas gespreizt Übertriebenes, was sich auch in den musicirenden
cund tanzenden Kindern an der Aussenkanzel des Domes von Prato,
obwohl bei weitem weniger, bemerklich macht. Neben Robbia wird
D. hier immer nicht bloss befangen, sondern unförmlich erscheinen,
dtrotz einzelner vortrefflicher Intentionen. (An dem Grabmal des Bi-
schofs Brancacci in S. Angelo a Nilo zu Neapel scheinen, beiläufig
gesagt, wenigstens die oben stehenden Putten von ihm.)

e

Die Reliefmedaillons im Hof des Pal. Riccardi (Fries über dem
Erdgeschoss) erscheinen wie Übersetzungen antiker Cameen und Münz-
reverse in den herben Styl des Meisters. -- Zu den spätern Werken,
fwie die Kanzeln in S. Lorenzo, gehören die ehernen Reliefs am Vorsatz
des Hochaltars und des 3. Altars rechts im Santo zu Padua, beide-
male eine Pieta, mit Wundern des heil. Antonius zu beiden Seiten;
reiche Improvisationen mit einzelnen wunderbaren Zügen des Lebens;
wie z. B. die Gruppe der Reuigen, welche den Heiligen umgeben; die
der Fliehenden bei der Scene, wo er die Brust des verstorbenen Geiz-
halses aufschneidet. Im Chorumgang, und zwar über der hintern Thür
in der Chorwand, ist dann noch das Relief einer Grablegung, eine
späte und sehr ausdrucksvolle Arbeit des Meisters. (Geringer: die
vier Symbole der Evangelisten, in Bronzereliefs, am Eingang des
Chores.)


Sculptur des XV. Jahrhunderts. Donatello. Reliefs.
hintern Nebenräumen der Sacristei sind auf farbigem Grunde je zwei
fast lebensgrosse Heilige dargestellt. Diess Alles ist von Stucco und
so auch der ebenfalls D. zugeschriebene Kopf des heil. Laurentius
über der Thür zur Kirche; dazu kommen die beiden genannten Pforten
von Erz, welche in einzelnen Feldern je zwei Apostel oder Heilige
enthalten; flüchtige, aber sehr energische und bedeutend gebildete Fi-
gürchen, die schon weit in das XVI. Jahrh. hineinweisen. Der Mar-
morsarcophag unter dem Tisch der Sacristei mit den Putten ist wieder
nur von mittlerm Werth. — In nackten Kinderfiguren kommt über-
haupt D.’s ganze Einseitigkeit zum Vorschein; gerade das was ihn
agross macht, fand hier keine Stelle. Seine Kinder in der Sacristei
des Domes (an der Attica) sind in ihrer Hässlichkeit wenigstens naiv;
bdagegen hat der Kindertanz in den Uffizien (Gang der tosc. Sculptur)
etwas gespreizt Übertriebenes, was sich auch in den musicirenden
cund tanzenden Kindern an der Aussenkanzel des Domes von Prato,
obwohl bei weitem weniger, bemerklich macht. Neben Robbia wird
D. hier immer nicht bloss befangen, sondern unförmlich erscheinen,
dtrotz einzelner vortrefflicher Intentionen. (An dem Grabmal des Bi-
schofs Brancacci in S. Angelo a Nilo zu Neapel scheinen, beiläufig
gesagt, wenigstens die oben stehenden Putten von ihm.)

e

Die Reliefmedaillons im Hof des Pal. Riccardi (Fries über dem
Erdgeschoss) erscheinen wie Übersetzungen antiker Cameen und Münz-
reverse in den herben Styl des Meisters. — Zu den spätern Werken,
fwie die Kanzeln in S. Lorenzo, gehören die ehernen Reliefs am Vorsatz
des Hochaltars und des 3. Altars rechts im Santo zu Padua, beide-
male eine Pietà, mit Wundern des heil. Antonius zu beiden Seiten;
reiche Improvisationen mit einzelnen wunderbaren Zügen des Lebens;
wie z. B. die Gruppe der Reuigen, welche den Heiligen umgeben; die
der Fliehenden bei der Scene, wo er die Brust des verstorbenen Geiz-
halses aufschneidet. Im Chorumgang, und zwar über der hintern Thür
in der Chorwand, ist dann noch das Relief einer Grablegung, eine
späte und sehr ausdrucksvolle Arbeit des Meisters. (Geringer: die
vier Symbole der Evangelisten, in Bronzereliefs, am Eingang des
Chores.)


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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/622>, abgerufen am 18.07.2024.