Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Robbia.
ganze Hierarchie von verschiedenartig beschäftigten Engeln und Put-
ten, über die Massen liebliche Gestalten enthält. (Luca.) -- Und ebenso
trefflich in seiner Art: der Sacristeibrunnen von S. Maria novella, mita
den guirlandentragenden Putten und einer in die Lunette gemalten
Landschaft; ein Prachtwerk, haarscharf innerhalb der Bedingungen
des Stoffes gehalten.

Neben diesen grössern Arbeiten existiren noch eine Menge von
kleinern Reliefs für die Andacht; man benützte den unzerstörbaren
Stoff statt der Malerei besonders gerne, wenn an Häusern, an Stras-
senecken oder sonst im Freien eine Madonna mit Kind, oder das Kind
anbetend, oder eine heilige Familie angebracht werden sollten. Dieses
Ursprunges sind wohl die meisten der jetzt im Hof der Academieb
eingemauerten Reliefs. Man glaubt, das Mögliche an vielartiger und
dabei stets frischer Auffassung dieses so eng begrenzten Gegenstandes
hier erschöpft zu sehen und besinnt sich, wie Andere auf einen solchen
Reichthum hin noch neu sein konnten.

Die ganzen Statuen waren für die späteren Robbia zwar tech-
nisch keine Sache der Unmöglichkeit, allein doch nichts Leichtes und
von Seiten des Styles keine starke Seite, da der Entwicklung der Körper-
formen im Grossen die Entschiedenheit fehlte. Die Robbia beschränk-
ten sich auch gerne auf Halbfiguren, deren man in Florenz noch eine
ziemliche Anzahl vorfindet. (Ganze fast lebensgrosse Statuen u. a. in
der Sacramentscapelle von S. Croce; eine sitzende Madonna in einemc
Nebenraum von S. Domenico, Via della Pergola.) Ihren schönend
ganzen Sinn offenbaren solche Statuen nur, wenn sie noch in ihrer
echten alten Nische mit farbigen, von Putten getragenen Fruchtkrän-
zen stehen; so der S. Petrus martyr im Gang vor der Sacristei vone
S. Croce; der heil. Romulus (1521) über dem Portal im Dom zuf
Fiesole u. s. w. Hier erst hat man das Heilige im Gewande der
Lebensfreude, welches ja der durchgehende Gedanke der ganzen
Schule ist.


Wir knüpfen wieder da an, von wo die Robbia ausgegangen.
Zwischen Ghiberti und Donatello steht der Baumeister Filippo Bru-
nellesco
, der Erwecker der Renaissance (1375--1444). In dem

38*

Die Robbia.
ganze Hierarchie von verschiedenartig beschäftigten Engeln und Put-
ten, über die Massen liebliche Gestalten enthält. (Luca.) — Und ebenso
trefflich in seiner Art: der Sacristeibrunnen von S. Maria novella, mita
den guirlandentragenden Putten und einer in die Lunette gemalten
Landschaft; ein Prachtwerk, haarscharf innerhalb der Bedingungen
des Stoffes gehalten.

Neben diesen grössern Arbeiten existiren noch eine Menge von
kleinern Reliefs für die Andacht; man benützte den unzerstörbaren
Stoff statt der Malerei besonders gerne, wenn an Häusern, an Stras-
senecken oder sonst im Freien eine Madonna mit Kind, oder das Kind
anbetend, oder eine heilige Familie angebracht werden sollten. Dieses
Ursprunges sind wohl die meisten der jetzt im Hof der Academieb
eingemauerten Reliefs. Man glaubt, das Mögliche an vielartiger und
dabei stets frischer Auffassung dieses so eng begrenzten Gegenstandes
hier erschöpft zu sehen und besinnt sich, wie Andere auf einen solchen
Reichthum hin noch neu sein konnten.

Die ganzen Statuen waren für die späteren Robbia zwar tech-
nisch keine Sache der Unmöglichkeit, allein doch nichts Leichtes und
von Seiten des Styles keine starke Seite, da der Entwicklung der Körper-
formen im Grossen die Entschiedenheit fehlte. Die Robbia beschränk-
ten sich auch gerne auf Halbfiguren, deren man in Florenz noch eine
ziemliche Anzahl vorfindet. (Ganze fast lebensgrosse Statuen u. a. in
der Sacramentscapelle von S. Croce; eine sitzende Madonna in einemc
Nebenraum von S. Domenico, Via della Pergola.) Ihren schönend
ganzen Sinn offenbaren solche Statuen nur, wenn sie noch in ihrer
echten alten Nische mit farbigen, von Putten getragenen Fruchtkrän-
zen stehen; so der S. Petrus martyr im Gang vor der Sacristei vone
S. Croce; der heil. Romulus (1521) über dem Portal im Dom zuf
Fiesole u. s. w. Hier erst hat man das Heilige im Gewande der
Lebensfreude, welches ja der durchgehende Gedanke der ganzen
Schule ist.


Wir knüpfen wieder da an, von wo die Robbia ausgegangen.
Zwischen Ghiberti und Donatello steht der Baumeister Filippo Bru-
nellesco
, der Erwecker der Renaissance (1375—1444). In dem

38*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0617" n="595"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Robbia.</hi></fw><lb/>
ganze Hierarchie von verschiedenartig beschäftigten Engeln und Put-<lb/>
ten, über die Massen liebliche Gestalten enthält. (Luca.) &#x2014; Und ebenso<lb/>
trefflich in seiner Art: der Sacristeibrunnen von S. Maria novella, mit<note place="right">a</note><lb/>
den guirlandentragenden Putten und einer in die Lunette gemalten<lb/>
Landschaft; ein Prachtwerk, haarscharf innerhalb der Bedingungen<lb/>
des Stoffes gehalten.</p><lb/>
        <p>Neben diesen grössern Arbeiten existiren noch eine Menge von<lb/>
kleinern Reliefs für die Andacht; man benützte den unzerstörbaren<lb/>
Stoff statt der Malerei besonders gerne, wenn an Häusern, an Stras-<lb/>
senecken oder sonst im Freien eine Madonna mit Kind, oder das Kind<lb/>
anbetend, oder eine heilige Familie angebracht werden sollten. Dieses<lb/>
Ursprunges sind wohl die meisten der jetzt im Hof der Academie<note place="right">b</note><lb/>
eingemauerten Reliefs. Man glaubt, das Mögliche an vielartiger und<lb/>
dabei stets frischer Auffassung dieses so eng begrenzten Gegenstandes<lb/>
hier erschöpft zu sehen und besinnt sich, wie Andere auf einen solchen<lb/>
Reichthum hin noch neu sein konnten.</p><lb/>
        <p>Die ganzen <hi rendition="#g">Statuen</hi> waren für die späteren Robbia zwar tech-<lb/>
nisch keine Sache der Unmöglichkeit, allein doch nichts Leichtes und<lb/>
von Seiten des Styles keine starke Seite, da der Entwicklung der Körper-<lb/>
formen im Grossen die Entschiedenheit fehlte. Die Robbia beschränk-<lb/>
ten sich auch gerne auf Halbfiguren, deren man in Florenz noch eine<lb/>
ziemliche Anzahl vorfindet. (Ganze fast lebensgrosse Statuen u. a. in<lb/>
der Sacramentscapelle von S. Croce; eine sitzende Madonna in einem<note place="right">c</note><lb/>
Nebenraum von S. Domenico, Via della Pergola.) Ihren schönen<note place="right">d</note><lb/>
ganzen Sinn offenbaren solche Statuen nur, wenn sie noch in ihrer<lb/>
echten alten Nische mit farbigen, von Putten getragenen Fruchtkrän-<lb/>
zen stehen; so der S. Petrus martyr im Gang vor der Sacristei von<note place="right">e</note><lb/>
S. Croce; der heil. Romulus (1521) über dem Portal im Dom zu<note place="right">f</note><lb/>
Fiesole u. s. w. Hier erst hat man das Heilige im Gewande der<lb/>
Lebensfreude, welches ja der durchgehende Gedanke der ganzen<lb/>
Schule ist.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Wir knüpfen wieder da an, von wo die Robbia ausgegangen.<lb/>
Zwischen Ghiberti und Donatello steht der Baumeister <hi rendition="#g">Filippo Bru-<lb/>
nellesco</hi>, der Erwecker der Renaissance (1375&#x2014;1444). In dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">38*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[595/0617] Die Robbia. ganze Hierarchie von verschiedenartig beschäftigten Engeln und Put- ten, über die Massen liebliche Gestalten enthält. (Luca.) — Und ebenso trefflich in seiner Art: der Sacristeibrunnen von S. Maria novella, mit den guirlandentragenden Putten und einer in die Lunette gemalten Landschaft; ein Prachtwerk, haarscharf innerhalb der Bedingungen des Stoffes gehalten. a Neben diesen grössern Arbeiten existiren noch eine Menge von kleinern Reliefs für die Andacht; man benützte den unzerstörbaren Stoff statt der Malerei besonders gerne, wenn an Häusern, an Stras- senecken oder sonst im Freien eine Madonna mit Kind, oder das Kind anbetend, oder eine heilige Familie angebracht werden sollten. Dieses Ursprunges sind wohl die meisten der jetzt im Hof der Academie eingemauerten Reliefs. Man glaubt, das Mögliche an vielartiger und dabei stets frischer Auffassung dieses so eng begrenzten Gegenstandes hier erschöpft zu sehen und besinnt sich, wie Andere auf einen solchen Reichthum hin noch neu sein konnten. b Die ganzen Statuen waren für die späteren Robbia zwar tech- nisch keine Sache der Unmöglichkeit, allein doch nichts Leichtes und von Seiten des Styles keine starke Seite, da der Entwicklung der Körper- formen im Grossen die Entschiedenheit fehlte. Die Robbia beschränk- ten sich auch gerne auf Halbfiguren, deren man in Florenz noch eine ziemliche Anzahl vorfindet. (Ganze fast lebensgrosse Statuen u. a. in der Sacramentscapelle von S. Croce; eine sitzende Madonna in einem Nebenraum von S. Domenico, Via della Pergola.) Ihren schönen ganzen Sinn offenbaren solche Statuen nur, wenn sie noch in ihrer echten alten Nische mit farbigen, von Putten getragenen Fruchtkrän- zen stehen; so der S. Petrus martyr im Gang vor der Sacristei von S. Croce; der heil. Romulus (1521) über dem Portal im Dom zu Fiesole u. s. w. Hier erst hat man das Heilige im Gewande der Lebensfreude, welches ja der durchgehende Gedanke der ganzen Schule ist. c d e f Wir knüpfen wieder da an, von wo die Robbia ausgegangen. Zwischen Ghiberti und Donatello steht der Baumeister Filippo Bru- nellesco, der Erwecker der Renaissance (1375—1444). In dem 38*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/617
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/617>, abgerufen am 18.12.2024.