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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Lombardei. Genua. Neapel.
(+ 1382) im Chor rechts, mit tüchtiger Bildnissfigur und befangenern
Statuetten; -- das Dogengrab Corner, im Chor rechts (von dem Ur-
heber der S. 582, b genannten Statuen?); -- die Grabstatue des Do-
gen Michele Steno im linken Seitenschiff, mit dem höhnischen Aus-
druck u. a. m.


Über die Stylnuancen in den germanischen Sculpturen des alten
Herzogthums Mailand fehlte mir die eigene Forschung. Es wäre ein
verdienstliches Werk unter den 4000 Statuen des Domes von Mailanda
die schönen und alten (deren nicht wenige sind) aufzusuchen und zu
bezeichnen. -- Die berühmtesten Heiligengräber sind: das des S. Pe-
trus Martyr in S. Eustorgio zu Mailand, von Giovanni di Bal-b
duccio 1339, -- und die ausserordentlich reiche Arca di S. Agostinoc
im Dom von Pavia, begonnen 1362, vielleicht von demselben Bonino
da Campiglione
, welcher (S. 167, c) bei den Gräbern der Scali-
ger erwähnt wurde.

Genua ist an dieser Stelle unglaublich arm im Verhältniss zu
seiner schon damaligen Bedeutung. Mit Ausnahme von drei Figuren
über dem rechten Seitenportal von Madonna delle Vigne habe ich nurd
ein Werk zu erwähnen: ein Bischofsgrab im Dom, zunächst beim zwei-e
ten Seitenportal rechts, in der Höhe, mit dem Datum 1336. Der auf
vier Löwen ruhende Sarcophag hat ein fast pisanisch schönes Relief:
der Auferstandene, welcher von den Jüngern erkannt und angebetet
wird. Auch die Grabstatue und die vorhangziehenden Engel sind gut.


Die neapolitanische Kunstgeschichte beruft sich hauptsäch-
lich auf zwei Namen, Masuccio den ältern im XIII. und Masuccio den
Jüngern im XIV. Jahrhundert, welche auch als Architekten thätig
waren. Die Handbücher theilen jedem von beiden das Seinige zu;
wir haben es hier nur mit dem Schulstyl im Allgemeinen zu thun.

Wenn der Anschein nicht trügt, so hat auch hier Giovanni Pi-
sano eingewirkt, ist aber nicht ganz durchgedrungen. So weit diese
neapolitanische Sculptur von den gemeinsamen Tugenden des germa-
nischen Styles, der Würde der Stellung, dem reinen Fluss der Dra-
perien, dem Ernst und der Schönheit der Gesichtszüge mit bedingt ist,

Lombardei. Genua. Neapel.
(† 1382) im Chor rechts, mit tüchtiger Bildnissfigur und befangenern
Statuetten; — das Dogengrab Corner, im Chor rechts (von dem Ur-
heber der S. 582, b genannten Statuen?); — die Grabstatue des Do-
gen Michele Steno im linken Seitenschiff, mit dem höhnischen Aus-
druck u. a. m.


Über die Stylnuancen in den germanischen Sculpturen des alten
Herzogthums Mailand fehlte mir die eigene Forschung. Es wäre ein
verdienstliches Werk unter den 4000 Statuen des Domes von Mailanda
die schönen und alten (deren nicht wenige sind) aufzusuchen und zu
bezeichnen. — Die berühmtesten Heiligengräber sind: das des S. Pe-
trus Martyr in S. Eustorgio zu Mailand, von Giovanni di Bal-b
duccio 1339, — und die ausserordentlich reiche Arca di S. Agostinoc
im Dom von Pavia, begonnen 1362, vielleicht von demselben Bonino
da Campiglione
, welcher (S. 167, c) bei den Gräbern der Scali-
ger erwähnt wurde.

Genua ist an dieser Stelle unglaublich arm im Verhältniss zu
seiner schon damaligen Bedeutung. Mit Ausnahme von drei Figuren
über dem rechten Seitenportal von Madonna delle Vigne habe ich nurd
ein Werk zu erwähnen: ein Bischofsgrab im Dom, zunächst beim zwei-e
ten Seitenportal rechts, in der Höhe, mit dem Datum 1336. Der auf
vier Löwen ruhende Sarcophag hat ein fast pisanisch schönes Relief:
der Auferstandene, welcher von den Jüngern erkannt und angebetet
wird. Auch die Grabstatue und die vorhangziehenden Engel sind gut.


Die neapolitanische Kunstgeschichte beruft sich hauptsäch-
lich auf zwei Namen, Masuccio den ältern im XIII. und Masuccio den
Jüngern im XIV. Jahrhundert, welche auch als Architekten thätig
waren. Die Handbücher theilen jedem von beiden das Seinige zu;
wir haben es hier nur mit dem Schulstyl im Allgemeinen zu thun.

Wenn der Anschein nicht trügt, so hat auch hier Giovanni Pi-
sano eingewirkt, ist aber nicht ganz durchgedrungen. So weit diese
neapolitanische Sculptur von den gemeinsamen Tugenden des germa-
nischen Styles, der Würde der Stellung, dem reinen Fluss der Dra-
perien, dem Ernst und der Schönheit der Gesichtszüge mit bedingt ist,

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[583/0605] Lombardei. Genua. Neapel. († 1382) im Chor rechts, mit tüchtiger Bildnissfigur und befangenern Statuetten; — das Dogengrab Corner, im Chor rechts (von dem Ur- heber der S. 582, b genannten Statuen?); — die Grabstatue des Do- gen Michele Steno im linken Seitenschiff, mit dem höhnischen Aus- druck u. a. m. Über die Stylnuancen in den germanischen Sculpturen des alten Herzogthums Mailand fehlte mir die eigene Forschung. Es wäre ein verdienstliches Werk unter den 4000 Statuen des Domes von Mailand die schönen und alten (deren nicht wenige sind) aufzusuchen und zu bezeichnen. — Die berühmtesten Heiligengräber sind: das des S. Pe- trus Martyr in S. Eustorgio zu Mailand, von Giovanni di Bal- duccio 1339, — und die ausserordentlich reiche Arca di S. Agostino im Dom von Pavia, begonnen 1362, vielleicht von demselben Bonino da Campiglione, welcher (S. 167, c) bei den Gräbern der Scali- ger erwähnt wurde. a b c Genua ist an dieser Stelle unglaublich arm im Verhältniss zu seiner schon damaligen Bedeutung. Mit Ausnahme von drei Figuren über dem rechten Seitenportal von Madonna delle Vigne habe ich nur ein Werk zu erwähnen: ein Bischofsgrab im Dom, zunächst beim zwei- ten Seitenportal rechts, in der Höhe, mit dem Datum 1336. Der auf vier Löwen ruhende Sarcophag hat ein fast pisanisch schönes Relief: der Auferstandene, welcher von den Jüngern erkannt und angebetet wird. Auch die Grabstatue und die vorhangziehenden Engel sind gut. d e Die neapolitanische Kunstgeschichte beruft sich hauptsäch- lich auf zwei Namen, Masuccio den ältern im XIII. und Masuccio den Jüngern im XIV. Jahrhundert, welche auch als Architekten thätig waren. Die Handbücher theilen jedem von beiden das Seinige zu; wir haben es hier nur mit dem Schulstyl im Allgemeinen zu thun. Wenn der Anschein nicht trügt, so hat auch hier Giovanni Pi- sano eingewirkt, ist aber nicht ganz durchgedrungen. So weit diese neapolitanische Sculptur von den gemeinsamen Tugenden des germa- nischen Styles, der Würde der Stellung, dem reinen Fluss der Dra- perien, dem Ernst und der Schönheit der Gesichtszüge mit bedingt ist,

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/605>, abgerufen am 17.07.2024.