Aliotti im rechten Querschiff von S. Maria novella (die Reste seinesa Altars im rechten Querschiff des Domes von Pisa habe ich nicht fin- den können). -- Ein ganz später Sieneser, der sich Ego Jacobus magistri Petri de senis 1422 unterzeichnet, und den man nach Va- sari's (schwerlich richtiger) Annahme für Jacopo della Quercia (s. unten) hält, schuf den Altar der Sacramentscapelle in S. Frediano zub Lucca, Madonna zwischen vier Heiligen in gothischen Baldachinen, deren Spitzen in Halbfiguren von Propheten auslaufen, anmuthvolle germanische Figuren, deren späte Entstehung sich nur durch das über- mässige Faltenwerk verräth. (Die Reliefs der Predella sind dann wieder für Quercia zu frei und zu entwickelt; sie erinnern eher an die Arbeiten eines Benedetto da Majano.)
Von Niccolo Aretino sind zwei unter den Statuen der Pa-c triarchen am Campanile zu Florenz (Ostseite) und die Lunettengruppe an der Misericordia zu Arezzo, mittelgute Arbeiten. Bei weitemd origineller die sitzende Statue des Marcus im Dom zu Florenz (erstee Chorcapelle links).
Im Innern des Bigallo zu Florenz (jetziger Archivraum) ist einef Madonna zwischen zwei manierirten Engeln, von Alberto di Ar- noldo (um 1360), ein mehr fleissiges als geistvolles Werk. (Die kleine Madonna aussen am Gebäude wird dem Nic. Pisano beigelegt, was auf sich beruhen mag. Die Füllfiguren der Architektur, Prophe- ten und Sibyllen, sind ziemlich roh gegebene Schulmotive.)
Weit der bedeutendste der Schule in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts ist hier wie für die Malerei Andrea (di Cione, ge- nannt) Orcagna (1329--89). Die Sculpturen seines berühmten und überaus prächtigen Tabernakels in Orsanmicchele (1359) sind schong sachlich wichtig als Inbegriff dessen, was sich von kirchlicher Sym- bolik an Einem Kunstwerk zusammenstellen liess. Im plastischen Styl ist Orcagna wie A. Pisano dem Giovanni Pisano durch Ruhe und Gemessenheit überlegen; die Figuren stehen auch in einer höhern Linienharmonie mit der Decoration; allein die Formenschönheit er- scheint als eine etwas allgemeine und nicht ganz lebendige. (Das Bedeutendste einige köstliche Füllfiguren an den Pfeilern und das
Siena. Spätere Florentiner. Orcagna.
Aliotti im rechten Querschiff von S. Maria novella (die Reste seinesa Altars im rechten Querschiff des Domes von Pisa habe ich nicht fin- den können). — Ein ganz später Sieneser, der sich Ego Jacobus magistri Petri de senis 1422 unterzeichnet, und den man nach Va- sari’s (schwerlich richtiger) Annahme für Jacopo della Quercia (s. unten) hält, schuf den Altar der Sacramentscapelle in S. Frediano zub Lucca, Madonna zwischen vier Heiligen in gothischen Baldachinen, deren Spitzen in Halbfiguren von Propheten auslaufen, anmuthvolle germanische Figuren, deren späte Entstehung sich nur durch das über- mässige Faltenwerk verräth. (Die Reliefs der Predella sind dann wieder für Quercia zu frei und zu entwickelt; sie erinnern eher an die Arbeiten eines Benedetto da Majano.)
Von Niccolò Aretino sind zwei unter den Statuen der Pa-c triarchen am Campanile zu Florenz (Ostseite) und die Lunettengruppe an der Misericordia zu Arezzo, mittelgute Arbeiten. Bei weitemd origineller die sitzende Statue des Marcus im Dom zu Florenz (erstee Chorcapelle links).
Im Innern des Bigallo zu Florenz (jetziger Archivraum) ist einef Madonna zwischen zwei manierirten Engeln, von Alberto di Ar- noldo (um 1360), ein mehr fleissiges als geistvolles Werk. (Die kleine Madonna aussen am Gebäude wird dem Nic. Pisano beigelegt, was auf sich beruhen mag. Die Füllfiguren der Architektur, Prophe- ten und Sibyllen, sind ziemlich roh gegebene Schulmotive.)
Weit der bedeutendste der Schule in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts ist hier wie für die Malerei Andrea (di Cione, ge- nannt) Orcagna (1329—89). Die Sculpturen seines berühmten und überaus prächtigen Tabernakels in Orsanmicchele (1359) sind schong sachlich wichtig als Inbegriff dessen, was sich von kirchlicher Sym- bolik an Einem Kunstwerk zusammenstellen liess. Im plastischen Styl ist Orcagna wie A. Pisano dem Giovanni Pisano durch Ruhe und Gemessenheit überlegen; die Figuren stehen auch in einer höhern Linienharmonie mit der Decoration; allein die Formenschönheit er- scheint als eine etwas allgemeine und nicht ganz lebendige. (Das Bedeutendste einige köstliche Füllfiguren an den Pfeilern und das
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Siena. Spätere Florentiner. Orcagna.
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den können). — Ein ganz später Sieneser, der sich Ego Jacobus
magistri Petri de senis 1422 unterzeichnet, und den man nach Va-
sari’s (schwerlich richtiger) Annahme für Jacopo della Quercia (s.
unten) hält, schuf den Altar der Sacramentscapelle in S. Frediano zu
Lucca, Madonna zwischen vier Heiligen in gothischen Baldachinen,
deren Spitzen in Halbfiguren von Propheten auslaufen, anmuthvolle
germanische Figuren, deren späte Entstehung sich nur durch das über-
mässige Faltenwerk verräth. (Die Reliefs der Predella sind dann
wieder für Quercia zu frei und zu entwickelt; sie erinnern eher an
die Arbeiten eines Benedetto da Majano.)
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Von Niccolò Aretino sind zwei unter den Statuen der Pa-
triarchen am Campanile zu Florenz (Ostseite) und die Lunettengruppe
an der Misericordia zu Arezzo, mittelgute Arbeiten. Bei weitem
origineller die sitzende Statue des Marcus im Dom zu Florenz (erste
Chorcapelle links).
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Im Innern des Bigallo zu Florenz (jetziger Archivraum) ist eine
Madonna zwischen zwei manierirten Engeln, von Alberto di Ar-
noldo (um 1360), ein mehr fleissiges als geistvolles Werk. (Die
kleine Madonna aussen am Gebäude wird dem Nic. Pisano beigelegt,
was auf sich beruhen mag. Die Füllfiguren der Architektur, Prophe-
ten und Sibyllen, sind ziemlich roh gegebene Schulmotive.)
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Weit der bedeutendste der Schule in der zweiten Hälfte des XIV.
Jahrhunderts ist hier wie für die Malerei Andrea (di Cione, ge-
nannt) Orcagna (1329—89). Die Sculpturen seines berühmten und
überaus prächtigen Tabernakels in Orsanmicchele (1359) sind schon
sachlich wichtig als Inbegriff dessen, was sich von kirchlicher Sym-
bolik an Einem Kunstwerk zusammenstellen liess. Im plastischen
Styl ist Orcagna wie A. Pisano dem Giovanni Pisano durch Ruhe
und Gemessenheit überlegen; die Figuren stehen auch in einer höhern
Linienharmonie mit der Decoration; allein die Formenschönheit er-
scheint als eine etwas allgemeine und nicht ganz lebendige. (Das
Bedeutendste einige köstliche Füllfiguren an den Pfeilern und das
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/597>, abgerufen am 18.12.2024.
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