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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Aquäducte.

Das Bild des römischen Thorbaues in seiner imposantesten Ge-
stalt vervollständigt sich erst aus einer sehr späten Nachahmung, etwa
des VI. Jahrhunderts, nämlich der Porta Nigra zu Trier. Nura
hier sieht man, welcher Ausbildung der Doppeldurchgang, zum breiten
Bau mit zwei durchsichtigen Obergeschossen vertieft und mit zwei
halbrunden Vorbauten nach aussen bereichert, fähig war. Auch sonst
enthält das alte Gallien stattlichere Thore als das römische Italien.


Die einfachsten Nutzbauten nehmen unter römischen Händen
wenn nicht einen künstlerischen, doch immer einen monumentalen Cha-
rakter an. Das Princip, von allem Anfang an so tüchtig und solid als
möglich zu bauen, deutet auf einen Gedanken ewiger Dauer hin, dessen
sich unsere Zeit bei ihren kolossalsten Nutzbauten nicht rühmen kann,
weil sie in der That nur "bis auf Weiteres", mit Vorbehalt möglicher
neuer Erfindungen und der betreffenden Veränderungen baut. Ihre
Gebäude geben auch nur selten das echte Gefühl des Ueberflusses
der Mittel, schon weil sie Werke der Speculation und der Soumission
sind. Nach diesem Maasstab hört man bisweilen von Fremden in Rom
z. B. die ungeheuern Aquäducte beurtheilen, welche die Campagna
durchziehen. Wozu von vornherein so viel Wasser nach Rom? und
wenn es sein musste, warum nicht denselben Zweck mit einem Dritt-
theil dieses Aufwandes erreichen? Es wäre noch immer ein gutes
Geschäft gewesen. -- Hierauf lässt sich schlechterdings nichts Anderes
erwiedern, als dass die Weltgeschichte einmal ein solches Volk hat
haben wollen, das Allem was es that, den Stempel des Ewigen auf-
zudrücken versuchte, so wie sie jetzt den Völkern wieder andere Auf-
gaben vorlegt. -- Übrigens war im alten Rom mit seinen 19 Wasser-
leitungen in der That viel Wasser "verschwendet", d. h. zur herrlichsten
Zier der ganzen Stadt in unzählige Fontainen vertheilt 1); ein anderes Rie-
senquantum speiste die Thermen -- ebenfalls ein Luxus, da die modernen
Völker das Baden im Ganzen für überflüssig erklärt haben. Nur
in Betreff des Trinkwassers fängt man doch an, die Römer von Her-
zen zu beneiden. Wie soll man es nennen, wenn eine Hauptstadt von

1) Von welchen nur noch die sog. Meta sudans beim Golosseum kenntlich ist.*
Aquäducte.

Das Bild des römischen Thorbaues in seiner imposantesten Ge-
stalt vervollständigt sich erst aus einer sehr späten Nachahmung, etwa
des VI. Jahrhunderts, nämlich der Porta Nigra zu Trier. Nura
hier sieht man, welcher Ausbildung der Doppeldurchgang, zum breiten
Bau mit zwei durchsichtigen Obergeschossen vertieft und mit zwei
halbrunden Vorbauten nach aussen bereichert, fähig war. Auch sonst
enthält das alte Gallien stattlichere Thore als das römische Italien.


Die einfachsten Nutzbauten nehmen unter römischen Händen
wenn nicht einen künstlerischen, doch immer einen monumentalen Cha-
rakter an. Das Princip, von allem Anfang an so tüchtig und solid als
möglich zu bauen, deutet auf einen Gedanken ewiger Dauer hin, dessen
sich unsere Zeit bei ihren kolossalsten Nutzbauten nicht rühmen kann,
weil sie in der That nur „bis auf Weiteres“, mit Vorbehalt möglicher
neuer Erfindungen und der betreffenden Veränderungen baut. Ihre
Gebäude geben auch nur selten das echte Gefühl des Ueberflusses
der Mittel, schon weil sie Werke der Speculation und der Soumission
sind. Nach diesem Maasstab hört man bisweilen von Fremden in Rom
z. B. die ungeheuern Aquäducte beurtheilen, welche die Campagna
durchziehen. Wozu von vornherein so viel Wasser nach Rom? und
wenn es sein musste, warum nicht denselben Zweck mit einem Dritt-
theil dieses Aufwandes erreichen? Es wäre noch immer ein gutes
Geschäft gewesen. — Hierauf lässt sich schlechterdings nichts Anderes
erwiedern, als dass die Weltgeschichte einmal ein solches Volk hat
haben wollen, das Allem was es that, den Stempel des Ewigen auf-
zudrücken versuchte, so wie sie jetzt den Völkern wieder andere Auf-
gaben vorlegt. — Übrigens war im alten Rom mit seinen 19 Wasser-
leitungen in der That viel Wasser „verschwendet“, d. h. zur herrlichsten
Zier der ganzen Stadt in unzählige Fontainen vertheilt 1); ein anderes Rie-
senquantum speiste die Thermen — ebenfalls ein Luxus, da die modernen
Völker das Baden im Ganzen für überflüssig erklärt haben. Nur
in Betreff des Trinkwassers fängt man doch an, die Römer von Her-
zen zu beneiden. Wie soll man es nennen, wenn eine Hauptstadt von

1) Von welchen nur noch die sog. Meta sudans beim Golosseum kenntlich ist.*
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[37/0059] Aquäducte. Das Bild des römischen Thorbaues in seiner imposantesten Ge- stalt vervollständigt sich erst aus einer sehr späten Nachahmung, etwa des VI. Jahrhunderts, nämlich der Porta Nigra zu Trier. Nur hier sieht man, welcher Ausbildung der Doppeldurchgang, zum breiten Bau mit zwei durchsichtigen Obergeschossen vertieft und mit zwei halbrunden Vorbauten nach aussen bereichert, fähig war. Auch sonst enthält das alte Gallien stattlichere Thore als das römische Italien. a Die einfachsten Nutzbauten nehmen unter römischen Händen wenn nicht einen künstlerischen, doch immer einen monumentalen Cha- rakter an. Das Princip, von allem Anfang an so tüchtig und solid als möglich zu bauen, deutet auf einen Gedanken ewiger Dauer hin, dessen sich unsere Zeit bei ihren kolossalsten Nutzbauten nicht rühmen kann, weil sie in der That nur „bis auf Weiteres“, mit Vorbehalt möglicher neuer Erfindungen und der betreffenden Veränderungen baut. Ihre Gebäude geben auch nur selten das echte Gefühl des Ueberflusses der Mittel, schon weil sie Werke der Speculation und der Soumission sind. Nach diesem Maasstab hört man bisweilen von Fremden in Rom z. B. die ungeheuern Aquäducte beurtheilen, welche die Campagna durchziehen. Wozu von vornherein so viel Wasser nach Rom? und wenn es sein musste, warum nicht denselben Zweck mit einem Dritt- theil dieses Aufwandes erreichen? Es wäre noch immer ein gutes Geschäft gewesen. — Hierauf lässt sich schlechterdings nichts Anderes erwiedern, als dass die Weltgeschichte einmal ein solches Volk hat haben wollen, das Allem was es that, den Stempel des Ewigen auf- zudrücken versuchte, so wie sie jetzt den Völkern wieder andere Auf- gaben vorlegt. — Übrigens war im alten Rom mit seinen 19 Wasser- leitungen in der That viel Wasser „verschwendet“, d. h. zur herrlichsten Zier der ganzen Stadt in unzählige Fontainen vertheilt 1); ein anderes Rie- senquantum speiste die Thermen — ebenfalls ein Luxus, da die modernen Völker das Baden im Ganzen für überflüssig erklärt haben. Nur in Betreff des Trinkwassers fängt man doch an, die Römer von Her- zen zu beneiden. Wie soll man es nennen, wenn eine Hauptstadt von 1) Von welchen nur noch die sog. Meta sudans beim Golosseum kenntlich ist.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/59>, abgerufen am 05.12.2024.