Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Romanische Sculptur. Parma.
(1135) und dem befangenern romanischen Styl an. (Die alten Origi-
nale der ziemlich täuschend erneuerten Tragfiguren auf Löwen findet
man in einem Hofe hinter dem Chor.) Schon freier regen sich die
aGestalten der sechs Monatsbilder an einem Anbau der Fassade rechts.
Endlich sind die obern Sculpturen über dem Mittelportal ein wahr-
haft bedeutendes Werk des germanischen Styles, etwa um 1300. (Die
buntere Halle der Universität enthält einige Fragmente des altchrist-
lichen und der spätern Style.)

c

Mit den Sculpturen am Baptisterium und im Dom von Parma ist
man in einiger Verlegenheit, weil zweierlei Style einem und demsel-
ben Künstler, Benedetto Antelami, zugeschrieben werden. --
Er nennt sich mit vollem Namen und mit dem Datum 1178 in dem Re-
lief einer Kreuzabnahme, welches sich jetzt in der dritten Capelle rechts
im Dom befindet; eine zierliche, aber noch sehr starre Arbeit, eher
byzantinisch als romanisch. Dann hat ein "Benedictus" im Jahr 1196
ddie Sculpturen am Südportal des Battistero gefertigt, und laut diesen
wohl auch die der beiden übrigen Portale, von welchen dasjenige ge-
gen Süden durch sein fast mithreisches Aussehen die Liebhaber der
damaligen Mystik glücklich machen wird. Diese, nebst den Engeln
in den Nischen des Innern und den innern Thürreliefs können alle
noch wohl von der gleichen Hand sein und würden dann einen all-
mäligen Übergang des Antelami zur romanischen Art beweisen. --
Aber die schon ungleich lebendiger gebildeten Thiere am Sockel des
Gebäudes aussen und die zwölf Hochreliefs mit den Monatsbeschäfti-
gungen in einer obern Galerie des Innern zeigen einen so viel höhern
Grad künstlerischen Vermögens, dass sie einem Andern angehören müs-
sen und dieser wäre dann der bedeutendste Bildhauer Italiens vor oder
neben Nic. Pisano gewesen. Lebendig und selbst schön bewegt er-
innern diese Gestalten in ihrer plastisch trefflichen Behandlung des
Nackten unmittelbar an deutsche Arbeiten des beginnenden XIII. Jahr-
hunderts.

e

Wie wenig aber eine Schwalbe einen Sommer macht, zeigen die
beiden ungeschlachten Löwen vor dem Dom, deren Datum 1281 über
dem Hauptportal nebst dem nicht nennenswerthen Namen des Bild-
hauers zu lesen ist. Sie sind wieder ganz heraldisch und leblos.

Romanische Sculptur. Parma.
(1135) und dem befangenern romanischen Styl an. (Die alten Origi-
nale der ziemlich täuschend erneuerten Tragfiguren auf Löwen findet
man in einem Hofe hinter dem Chor.) Schon freier regen sich die
aGestalten der sechs Monatsbilder an einem Anbau der Fassade rechts.
Endlich sind die obern Sculpturen über dem Mittelportal ein wahr-
haft bedeutendes Werk des germanischen Styles, etwa um 1300. (Die
buntere Halle der Universität enthält einige Fragmente des altchrist-
lichen und der spätern Style.)

c

Mit den Sculpturen am Baptisterium und im Dom von Parma ist
man in einiger Verlegenheit, weil zweierlei Style einem und demsel-
ben Künstler, Benedetto Antelami, zugeschrieben werden. —
Er nennt sich mit vollem Namen und mit dem Datum 1178 in dem Re-
lief einer Kreuzabnahme, welches sich jetzt in der dritten Capelle rechts
im Dom befindet; eine zierliche, aber noch sehr starre Arbeit, eher
byzantinisch als romanisch. Dann hat ein „Benedictus“ im Jahr 1196
ddie Sculpturen am Südportal des Battistero gefertigt, und laut diesen
wohl auch die der beiden übrigen Portale, von welchen dasjenige ge-
gen Süden durch sein fast mithreisches Aussehen die Liebhaber der
damaligen Mystik glücklich machen wird. Diese, nebst den Engeln
in den Nischen des Innern und den innern Thürreliefs können alle
noch wohl von der gleichen Hand sein und würden dann einen all-
mäligen Übergang des Antelami zur romanischen Art beweisen. —
Aber die schon ungleich lebendiger gebildeten Thiere am Sockel des
Gebäudes aussen und die zwölf Hochreliefs mit den Monatsbeschäfti-
gungen in einer obern Galerie des Innern zeigen einen so viel höhern
Grad künstlerischen Vermögens, dass sie einem Andern angehören müs-
sen und dieser wäre dann der bedeutendste Bildhauer Italiens vor oder
neben Nic. Pisano gewesen. Lebendig und selbst schön bewegt er-
innern diese Gestalten in ihrer plastisch trefflichen Behandlung des
Nackten unmittelbar an deutsche Arbeiten des beginnenden XIII. Jahr-
hunderts.

e

Wie wenig aber eine Schwalbe einen Sommer macht, zeigen die
beiden ungeschlachten Löwen vor dem Dom, deren Datum 1281 über
dem Hauptportal nebst dem nicht nennenswerthen Namen des Bild-
hauers zu lesen ist. Sie sind wieder ganz heraldisch und leblos.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0584" n="562"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Romanische Sculptur. Parma.</hi></fw><lb/>
(1135) und dem befangenern romanischen Styl an. (Die alten Origi-<lb/>
nale der ziemlich täuschend erneuerten Tragfiguren auf Löwen findet<lb/>
man in einem Hofe hinter dem Chor.) Schon freier regen sich die<lb/><note place="left">a</note>Gestalten der sechs Monatsbilder an einem Anbau der Fassade rechts.<lb/>
Endlich sind die obern Sculpturen über dem Mittelportal ein wahr-<lb/>
haft bedeutendes Werk des germanischen Styles, etwa um 1300. (Die<lb/><note place="left">b</note>untere Halle der Universität enthält einige Fragmente des altchrist-<lb/>
lichen und der spätern Style.)</p><lb/>
        <note place="left">c</note>
        <p>Mit den Sculpturen am Baptisterium und im Dom von <hi rendition="#g">Parma</hi> ist<lb/>
man in einiger Verlegenheit, weil zweierlei Style einem und demsel-<lb/>
ben Künstler, <hi rendition="#g">Benedetto Antelami</hi>, zugeschrieben werden. &#x2014;<lb/>
Er nennt sich mit vollem Namen und mit dem Datum 1178 in dem Re-<lb/>
lief einer Kreuzabnahme, welches sich jetzt in der dritten Capelle rechts<lb/>
im Dom befindet; eine zierliche, aber noch sehr starre Arbeit, eher<lb/>
byzantinisch als romanisch. Dann hat ein &#x201E;Benedictus&#x201C; im Jahr 1196<lb/><note place="left">d</note>die Sculpturen am Südportal des Battistero gefertigt, und laut diesen<lb/>
wohl auch die der beiden übrigen Portale, von welchen dasjenige ge-<lb/>
gen Süden durch sein fast mithreisches Aussehen die Liebhaber der<lb/>
damaligen Mystik glücklich machen wird. Diese, nebst den Engeln<lb/>
in den Nischen des Innern und den innern Thürreliefs können alle<lb/>
noch wohl von der gleichen Hand sein und würden dann einen all-<lb/>
mäligen Übergang des Antelami zur romanischen Art beweisen. &#x2014;<lb/>
Aber die schon ungleich lebendiger gebildeten Thiere am Sockel des<lb/>
Gebäudes aussen und die zwölf Hochreliefs mit den Monatsbeschäfti-<lb/>
gungen in einer obern Galerie des Innern zeigen einen so viel höhern<lb/>
Grad künstlerischen Vermögens, dass sie einem Andern angehören müs-<lb/>
sen und dieser wäre dann der bedeutendste Bildhauer Italiens vor oder<lb/>
neben Nic. Pisano gewesen. Lebendig und selbst schön bewegt er-<lb/>
innern diese Gestalten in ihrer plastisch trefflichen Behandlung des<lb/>
Nackten unmittelbar an deutsche Arbeiten des beginnenden XIII. Jahr-<lb/>
hunderts.</p><lb/>
        <note place="left">e</note>
        <p>Wie wenig aber eine Schwalbe einen Sommer macht, zeigen die<lb/>
beiden ungeschlachten Löwen vor dem Dom, deren Datum 1281 über<lb/>
dem Hauptportal nebst dem nicht nennenswerthen Namen des Bild-<lb/>
hauers zu lesen ist. Sie sind wieder ganz heraldisch und leblos.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0584] Romanische Sculptur. Parma. (1135) und dem befangenern romanischen Styl an. (Die alten Origi- nale der ziemlich täuschend erneuerten Tragfiguren auf Löwen findet man in einem Hofe hinter dem Chor.) Schon freier regen sich die Gestalten der sechs Monatsbilder an einem Anbau der Fassade rechts. Endlich sind die obern Sculpturen über dem Mittelportal ein wahr- haft bedeutendes Werk des germanischen Styles, etwa um 1300. (Die untere Halle der Universität enthält einige Fragmente des altchrist- lichen und der spätern Style.) a b Mit den Sculpturen am Baptisterium und im Dom von Parma ist man in einiger Verlegenheit, weil zweierlei Style einem und demsel- ben Künstler, Benedetto Antelami, zugeschrieben werden. — Er nennt sich mit vollem Namen und mit dem Datum 1178 in dem Re- lief einer Kreuzabnahme, welches sich jetzt in der dritten Capelle rechts im Dom befindet; eine zierliche, aber noch sehr starre Arbeit, eher byzantinisch als romanisch. Dann hat ein „Benedictus“ im Jahr 1196 die Sculpturen am Südportal des Battistero gefertigt, und laut diesen wohl auch die der beiden übrigen Portale, von welchen dasjenige ge- gen Süden durch sein fast mithreisches Aussehen die Liebhaber der damaligen Mystik glücklich machen wird. Diese, nebst den Engeln in den Nischen des Innern und den innern Thürreliefs können alle noch wohl von der gleichen Hand sein und würden dann einen all- mäligen Übergang des Antelami zur romanischen Art beweisen. — Aber die schon ungleich lebendiger gebildeten Thiere am Sockel des Gebäudes aussen und die zwölf Hochreliefs mit den Monatsbeschäfti- gungen in einer obern Galerie des Innern zeigen einen so viel höhern Grad künstlerischen Vermögens, dass sie einem Andern angehören müs- sen und dieser wäre dann der bedeutendste Bildhauer Italiens vor oder neben Nic. Pisano gewesen. Lebendig und selbst schön bewegt er- innern diese Gestalten in ihrer plastisch trefflichen Behandlung des Nackten unmittelbar an deutsche Arbeiten des beginnenden XIII. Jahr- hunderts. d Wie wenig aber eine Schwalbe einen Sommer macht, zeigen die beiden ungeschlachten Löwen vor dem Dom, deren Datum 1281 über dem Hauptportal nebst dem nicht nennenswerthen Namen des Bild- hauers zu lesen ist. Sie sind wieder ganz heraldisch und leblos.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/584
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/584>, abgerufen am 18.12.2024.