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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Architektur. Thore von Verona.
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Die antiken Thore von Spoleto sind einfache Bogen, diejenigen
bvon Spello nicht viel mehr. Ein Doppelthor, mit einer von reichverzier-
cten Fenstern und Nischen durchbrochenen Obermauer, die Porta de'
Borsari in Verona
, aus der Zeit des Gallienus, ist sowohl in der
Anlage als in der Decoration ein Hauptzeugniss für die spielende Aus-
artung, welche sich im III. Jahrhundert der Baukunst bemächtigt hatte.
dDer Arco de' Leoni, die erhaltene Hälfte eines Doppelthores, eben-
falls aus gesunkener Zeit, ist doch nicht ganz in dem kleinlichen Geist
der Porta de' Borsari erfunden; die obere Nische, für deren Einfassung
hier die reichste Form, die spiralförmig cannelirte Säule, aufgespart
ist, konnte mit einer plastischen Gruppe versehen eine ganz gute ab-
schliessende Wirkung machen. -- Ein drittes veronesisches Denkmal,
eder Arco de' Gavi, in der Nähe des Castel vecchio, wurde 1805
zerstört. Nachbildungen desselben erkennt man in verschiedenen Al-
tären der Renaissance-Zeit, welche dieses Gebäude sehr schätzte; dahin
fgehört z. B. der Altar der Alighieri im rechten Querschiff von S. Fermo,
von einem Abkömmling Dante's, welcher selbst Baumeister war; und
gder vierte Altar rechts in S. Anastasia.

und Profile beweisen; -- sie sind ferner nicht geflissentlich theilweise roh
gelassen, sondern unvollendet; wären sie aus dem ersten Jahrhundert, so
hätte man auch Zeit und Kraft gefunden, sie auszumeisseln; wären sie ab-
sichtlich so gelassen, so wäre dies consequenter und nicht so ungleich und
principlos geschehen. Die Architekten des XVI. und XVII. Jahrhunderts,
welche mit Berufung auf dieses Denkmal ihre sog. Rustica-Säulen schufen,
haben sich doch wohl gehütet, die Säulen der Porta maggiore so nachzuah-
men wie sie wirklich sind.
*Ebenso wird man sich beim Amphitheater von Verona leicht überzeugen
können, dass die rohen Theile an dem vorhandenen Bruchstück der äussern
Schale eben nur einstweilen roh gelassen worden waren. Die Steinschichten
sind schon zu ungleich, um mit ihren rohen Flächen absichtlich als echte Rustica
zu wirken; denn diese verlangt die Gleichmässigkeit schon als Vorbedingung
der Festigkeit, welche symbolisch ausgedrückt werden soll. Gleichwohl mussten
hier die unfertigen Pilaster mit fertigen Capitälen als Vorbild der Rusticapilaster
dienen, wie die Säulen an Porta maggiore als Vorbild der Rusticasäulen.
Es soll damit nicht geläugnet werden, dass für ungegliederte Flächen auch
die Römer bisweilen absichtlich die Quader in rohgemeisseltem Zustande lassen
mochten, und dass ihnen die specielle Wirkung, die dabei zum Vorschein
kam, nicht ganz entging.
Architektur. Thore von Verona.
a

Die antiken Thore von Spoleto sind einfache Bogen, diejenigen
bvon Spello nicht viel mehr. Ein Doppelthor, mit einer von reichverzier-
cten Fenstern und Nischen durchbrochenen Obermauer, die Porta de’
Borsari in Verona
, aus der Zeit des Gallienus, ist sowohl in der
Anlage als in der Decoration ein Hauptzeugniss für die spielende Aus-
artung, welche sich im III. Jahrhundert der Baukunst bemächtigt hatte.
dDer Arco de’ Leoni, die erhaltene Hälfte eines Doppelthores, eben-
falls aus gesunkener Zeit, ist doch nicht ganz in dem kleinlichen Geist
der Porta de’ Borsari erfunden; die obere Nische, für deren Einfassung
hier die reichste Form, die spiralförmig cannelirte Säule, aufgespart
ist, konnte mit einer plastischen Gruppe versehen eine ganz gute ab-
schliessende Wirkung machen. — Ein drittes veronesisches Denkmal,
eder Arco de’ Gavi, in der Nähe des Castel vecchio, wurde 1805
zerstört. Nachbildungen desselben erkennt man in verschiedenen Al-
tären der Renaissance-Zeit, welche dieses Gebäude sehr schätzte; dahin
fgehört z. B. der Altar der Alighieri im rechten Querschiff von S. Fermo,
von einem Abkömmling Dante’s, welcher selbst Baumeister war; und
gder vierte Altar rechts in S. Anastasia.

und Profile beweisen; — sie sind ferner nicht geflissentlich theilweise roh
gelassen, sondern unvollendet; wären sie aus dem ersten Jahrhundert, so
hätte man auch Zeit und Kraft gefunden, sie auszumeisseln; wären sie ab-
sichtlich so gelassen, so wäre dies consequenter und nicht so ungleich und
principlos geschehen. Die Architekten des XVI. und XVII. Jahrhunderts,
welche mit Berufung auf dieses Denkmal ihre sog. Rustica-Säulen schufen,
haben sich doch wohl gehütet, die Säulen der Porta maggiore so nachzuah-
men wie sie wirklich sind.
*Ebenso wird man sich beim Amphitheater von Verona leicht überzeugen
können, dass die rohen Theile an dem vorhandenen Bruchstück der äussern
Schale eben nur einstweilen roh gelassen worden waren. Die Steinschichten
sind schon zu ungleich, um mit ihren rohen Flächen absichtlich als echte Rustica
zu wirken; denn diese verlangt die Gleichmässigkeit schon als Vorbedingung
der Festigkeit, welche symbolisch ausgedrückt werden soll. Gleichwohl mussten
hier die unfertigen Pilaster mit fertigen Capitälen als Vorbild der Rusticapilaster
dienen, wie die Säulen an Porta maggiore als Vorbild der Rusticasäulen.
Es soll damit nicht geläugnet werden, dass für ungegliederte Flächen auch
die Römer bisweilen absichtlich die Quader in rohgemeisseltem Zustande lassen
mochten, und dass ihnen die specielle Wirkung, die dabei zum Vorschein
kam, nicht ganz entging.
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[36/0058] Architektur. Thore von Verona. Die antiken Thore von Spoleto sind einfache Bogen, diejenigen von Spello nicht viel mehr. Ein Doppelthor, mit einer von reichverzier- ten Fenstern und Nischen durchbrochenen Obermauer, die Porta de’ Borsari in Verona, aus der Zeit des Gallienus, ist sowohl in der Anlage als in der Decoration ein Hauptzeugniss für die spielende Aus- artung, welche sich im III. Jahrhundert der Baukunst bemächtigt hatte. Der Arco de’ Leoni, die erhaltene Hälfte eines Doppelthores, eben- falls aus gesunkener Zeit, ist doch nicht ganz in dem kleinlichen Geist der Porta de’ Borsari erfunden; die obere Nische, für deren Einfassung hier die reichste Form, die spiralförmig cannelirte Säule, aufgespart ist, konnte mit einer plastischen Gruppe versehen eine ganz gute ab- schliessende Wirkung machen. — Ein drittes veronesisches Denkmal, der Arco de’ Gavi, in der Nähe des Castel vecchio, wurde 1805 zerstört. Nachbildungen desselben erkennt man in verschiedenen Al- tären der Renaissance-Zeit, welche dieses Gebäude sehr schätzte; dahin gehört z. B. der Altar der Alighieri im rechten Querschiff von S. Fermo, von einem Abkömmling Dante’s, welcher selbst Baumeister war; und der vierte Altar rechts in S. Anastasia. b c d e f g 1) 1) und Profile beweisen; — sie sind ferner nicht geflissentlich theilweise roh gelassen, sondern unvollendet; wären sie aus dem ersten Jahrhundert, so hätte man auch Zeit und Kraft gefunden, sie auszumeisseln; wären sie ab- sichtlich so gelassen, so wäre dies consequenter und nicht so ungleich und principlos geschehen. Die Architekten des XVI. und XVII. Jahrhunderts, welche mit Berufung auf dieses Denkmal ihre sog. Rustica-Säulen schufen, haben sich doch wohl gehütet, die Säulen der Porta maggiore so nachzuah- men wie sie wirklich sind. Ebenso wird man sich beim Amphitheater von Verona leicht überzeugen können, dass die rohen Theile an dem vorhandenen Bruchstück der äussern Schale eben nur einstweilen roh gelassen worden waren. Die Steinschichten sind schon zu ungleich, um mit ihren rohen Flächen absichtlich als echte Rustica zu wirken; denn diese verlangt die Gleichmässigkeit schon als Vorbedingung der Festigkeit, welche symbolisch ausgedrückt werden soll. Gleichwohl mussten hier die unfertigen Pilaster mit fertigen Capitälen als Vorbild der Rusticapilaster dienen, wie die Säulen an Porta maggiore als Vorbild der Rusticasäulen. Es soll damit nicht geläugnet werden, dass für ungegliederte Flächen auch die Römer bisweilen absichtlich die Quader in rohgemeisseltem Zustande lassen mochten, und dass ihnen die specielle Wirkung, die dabei zum Vorschein kam, nicht ganz entging.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/58>, abgerufen am 05.12.2024.