Künstlern in Rom und Italien arbeiten, auch wohl copiren lassen. Es sind Tafeln, runde und viereckige Altäre und Piedestale, runde Tem- pelbrunnen (röm. Name: Puteal), Basen von Dreifüssen, Marmorvasen u. s. w. Von den im sog. Tempelstyl gearbeiteten, welche einen nicht geringen Theil der Gesammtzahl ausmachen, haben wir oben des Beispiels halber einige genannt; ungleich wichtiger sind immer die Werke des entwickelten griechischen Styles.
Um die Entstehung dieser Darstellungsweise zu begreifen, wird man sich einen architektonischen Rahmen hinzudenken müssen. Es ist die Sculptur in ihrer Abhängigkeit von den Bau- werken, die sie schmücken aber nicht beherrschen soll 1). An den griechischen Tempeln nun rief der Aussenbau mit seinen starken, scharfschattigen Formen das Hochrelief hervor, welches die mensch- liche Gestalt bis zu drei Viertheilen heraustreten lässt; an der Innen- seite der Halle dagegen und an der Cella fand das Basrelief in dem gemeinsamen Halblicht seine Entstehung. Eine scharfe Scheidung zwischen beiden darf man natürlich bei spätern Werken, die ohne specielle Rücksicht auf bauliche Aufstellung entstanden sind, nicht verlangen.
Ein weiteres architektonisches Gesetz, welches im Relief lebt, ist die Beschränkung des darzustellenden Momentes auf wenige, möglichst sprechende Figuren, welche durch Entfernung oder deut- liche Contraste auseinander gehalten werden. Die Vertiefung des Raumes wird nur sehr beschränkt angenommen, die Verschiebung der Gestalten hintereinander nur mässig angewandt. Zur römischen Zeit glaubte man das Relief durch masslose Aufschichtung von Figuren, durch Annahme mehrerer Pläne hinter einander zu bereichern, wobei jene Unzahl von Arbeiten entstand, die man nur betrachten mag so lange nichts Griechisches daneben steht.
Die Bezeichnung des Örtlichen ist entweder eine kurz andeu- tende, welche durch einen Pfosten ein Haus, durch einen Vorhang ein Zimmer markirt, oder eine symbolische, welche das Wasser durch eine Quellgottheit, den Berg durch einen Berggott persönlich macht. Ausgeführte Darstellungen von Landschaften und Gebäuden, perspecti-
1) Das Extrem des Missbrauches siehe S. 385.
Innere Gesetze des Reliefs.
Künstlern in Rom und Italien arbeiten, auch wohl copiren lassen. Es sind Tafeln, runde und viereckige Altäre und Piedestale, runde Tem- pelbrunnen (röm. Name: Puteal), Basen von Dreifüssen, Marmorvasen u. s. w. Von den im sog. Tempelstyl gearbeiteten, welche einen nicht geringen Theil der Gesammtzahl ausmachen, haben wir oben des Beispiels halber einige genannt; ungleich wichtiger sind immer die Werke des entwickelten griechischen Styles.
Um die Entstehung dieser Darstellungsweise zu begreifen, wird man sich einen architektonischen Rahmen hinzudenken müssen. Es ist die Sculptur in ihrer Abhängigkeit von den Bau- werken, die sie schmücken aber nicht beherrschen soll 1). An den griechischen Tempeln nun rief der Aussenbau mit seinen starken, scharfschattigen Formen das Hochrelief hervor, welches die mensch- liche Gestalt bis zu drei Viertheilen heraustreten lässt; an der Innen- seite der Halle dagegen und an der Cella fand das Basrelief in dem gemeinsamen Halblicht seine Entstehung. Eine scharfe Scheidung zwischen beiden darf man natürlich bei spätern Werken, die ohne specielle Rücksicht auf bauliche Aufstellung entstanden sind, nicht verlangen.
Ein weiteres architektonisches Gesetz, welches im Relief lebt, ist die Beschränkung des darzustellenden Momentes auf wenige, möglichst sprechende Figuren, welche durch Entfernung oder deut- liche Contraste auseinander gehalten werden. Die Vertiefung des Raumes wird nur sehr beschränkt angenommen, die Verschiebung der Gestalten hintereinander nur mässig angewandt. Zur römischen Zeit glaubte man das Relief durch masslose Aufschichtung von Figuren, durch Annahme mehrerer Pläne hinter einander zu bereichern, wobei jene Unzahl von Arbeiten entstand, die man nur betrachten mag so lange nichts Griechisches daneben steht.
Die Bezeichnung des Örtlichen ist entweder eine kurz andeu- tende, welche durch einen Pfosten ein Haus, durch einen Vorhang ein Zimmer markirt, oder eine symbolische, welche das Wasser durch eine Quellgottheit, den Berg durch einen Berggott persönlich macht. Ausgeführte Darstellungen von Landschaften und Gebäuden, perspecti-
1) Das Extrem des Missbrauches siehe S. 385.
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Innere Gesetze des Reliefs.
Künstlern in Rom und Italien arbeiten, auch wohl copiren lassen. Es
sind Tafeln, runde und viereckige Altäre und Piedestale, runde Tem-
pelbrunnen (röm. Name: Puteal), Basen von Dreifüssen, Marmorvasen
u. s. w. Von den im sog. Tempelstyl gearbeiteten, welche einen
nicht geringen Theil der Gesammtzahl ausmachen, haben wir oben
des Beispiels halber einige genannt; ungleich wichtiger sind immer
die Werke des entwickelten griechischen Styles.
Um die Entstehung dieser Darstellungsweise zu begreifen, wird
man sich einen architektonischen Rahmen hinzudenken müssen. Es
ist die Sculptur in ihrer Abhängigkeit von den Bau-
werken, die sie schmücken aber nicht beherrschen soll 1). An den
griechischen Tempeln nun rief der Aussenbau mit seinen starken,
scharfschattigen Formen das Hochrelief hervor, welches die mensch-
liche Gestalt bis zu drei Viertheilen heraustreten lässt; an der Innen-
seite der Halle dagegen und an der Cella fand das Basrelief in
dem gemeinsamen Halblicht seine Entstehung. Eine scharfe Scheidung
zwischen beiden darf man natürlich bei spätern Werken, die ohne
specielle Rücksicht auf bauliche Aufstellung entstanden sind, nicht
verlangen.
Ein weiteres architektonisches Gesetz, welches im Relief lebt,
ist die Beschränkung des darzustellenden Momentes auf wenige,
möglichst sprechende Figuren, welche durch Entfernung oder deut-
liche Contraste auseinander gehalten werden. Die Vertiefung des
Raumes wird nur sehr beschränkt angenommen, die Verschiebung der
Gestalten hintereinander nur mässig angewandt. Zur römischen Zeit
glaubte man das Relief durch masslose Aufschichtung von Figuren,
durch Annahme mehrerer Pläne hinter einander zu bereichern, wobei
jene Unzahl von Arbeiten entstand, die man nur betrachten mag so
lange nichts Griechisches daneben steht.
Die Bezeichnung des Örtlichen ist entweder eine kurz andeu-
tende, welche durch einen Pfosten ein Haus, durch einen Vorhang
ein Zimmer markirt, oder eine symbolische, welche das Wasser durch
eine Quellgottheit, den Berg durch einen Berggott persönlich macht.
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1) Das Extrem des Missbrauches siehe S. 385.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/559>, abgerufen am 18.12.2024.
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