Untertheil eines Pferdes und einem geringelten Fischschwanz zusam- mengesetzt. Es bleibt hier nur zu wiederholen, dass die Übergänge aus dem einen Bestandtheil in den andern so meisterlich unbefangen und die Verhältnisse der Bestandtheile zu einander so wohl abgewo- gen sind, dass der Beschauer, weit entfernt etwas Monstruöses darin zu finden, an das Dasein solcher Wesen zu glauben anfängt.
Der Delphin, sehr häufig als Brunnenthier, auch als Begleiter der Venus dargestellt, ist unter den Händen der Kunst zum "Fisch an sich", zum allgemeinen Sinnbild der feuchten, bewegten Tiefe ge- worden, und hat mit dem wirklichen Delphin nicht einmal eine flüch- tige Ähnlichkeit 1). Dieser gehört zu den formlosesten Fischen; wer ihn im Mittelmeer nicht zu sehen bekommen hat, kann sich hievon az. B. in der Naturaliensammlung der Specola in Florenz überzeugen, deren vortrefflich ausgestopfte Thiere für mehrere Punkte unseres Capitels zur entscheidenden Vergleichung dienen mögen.
Wenn wir hier die wichtigern Reliefs in kurzer Zusammen- stellung auf die Statuen folgen lassen, so geschieht diess nur des beschränkten Raumes wegen. Abgesehen von seinem unschätzbaren mythologischen Werthe hat das antike Relief das Höchste was die Kunst je in diesem Zweige leisten kann, völlig erschöpft, sodass alles Seitherige daneben nur eine bedingte Geltung hat. -- Die höchste Gattung, die Friese und Metopen griechischer Tempel, wie sie das brittische Museum besitzt, darf man in Italien freilich nur in Gestalt von Abgüssen suchen (zu Rom im Museum des Laterans, zu Florenz in verschiedenen Räumen der Academie etc.), aber auch nicht über- sehen; die römischen Friessculpturen sind daneben selbst im besten Falle nur von untergeordnetem Werthe. Dagegen hat die Kunst- liebhaberei der Römer eine beträchtliche Anzahl einzelner, meist klei- nerer Werke aus Griechenland hergeschleppt oder von griechischen
1) Der den Eros umschlingende Delphin im Museum von Neapel (Halle des Ado- nis) ist eines der wenigen Absurda der antiken Kunst.
Antike Sculptur. Delphine. Reliefs.
Untertheil eines Pferdes und einem geringelten Fischschwanz zusam- mengesetzt. Es bleibt hier nur zu wiederholen, dass die Übergänge aus dem einen Bestandtheil in den andern so meisterlich unbefangen und die Verhältnisse der Bestandtheile zu einander so wohl abgewo- gen sind, dass der Beschauer, weit entfernt etwas Monstruöses darin zu finden, an das Dasein solcher Wesen zu glauben anfängt.
Der Delphin, sehr häufig als Brunnenthier, auch als Begleiter der Venus dargestellt, ist unter den Händen der Kunst zum „Fisch an sich“, zum allgemeinen Sinnbild der feuchten, bewegten Tiefe ge- worden, und hat mit dem wirklichen Delphin nicht einmal eine flüch- tige Ähnlichkeit 1). Dieser gehört zu den formlosesten Fischen; wer ihn im Mittelmeer nicht zu sehen bekommen hat, kann sich hievon az. B. in der Naturaliensammlung der Specola in Florenz überzeugen, deren vortrefflich ausgestopfte Thiere für mehrere Punkte unseres Capitels zur entscheidenden Vergleichung dienen mögen.
Wenn wir hier die wichtigern Reliefs in kurzer Zusammen- stellung auf die Statuen folgen lassen, so geschieht diess nur des beschränkten Raumes wegen. Abgesehen von seinem unschätzbaren mythologischen Werthe hat das antike Relief das Höchste was die Kunst je in diesem Zweige leisten kann, völlig erschöpft, sodass alles Seitherige daneben nur eine bedingte Geltung hat. — Die höchste Gattung, die Friese und Metopen griechischer Tempel, wie sie das brittische Museum besitzt, darf man in Italien freilich nur in Gestalt von Abgüssen suchen (zu Rom im Museum des Laterans, zu Florenz in verschiedenen Räumen der Academie etc.), aber auch nicht über- sehen; die römischen Friessculpturen sind daneben selbst im besten Falle nur von untergeordnetem Werthe. Dagegen hat die Kunst- liebhaberei der Römer eine beträchtliche Anzahl einzelner, meist klei- nerer Werke aus Griechenland hergeschleppt oder von griechischen
1) Der den Eros umschlingende Delphin im Museum von Neapel (Halle des Ado- nis) ist eines der wenigen Absurda der antiken Kunst.
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Antike Sculptur. Delphine. Reliefs.
Untertheil eines Pferdes und einem geringelten Fischschwanz zusam-
mengesetzt. Es bleibt hier nur zu wiederholen, dass die Übergänge
aus dem einen Bestandtheil in den andern so meisterlich unbefangen
und die Verhältnisse der Bestandtheile zu einander so wohl abgewo-
gen sind, dass der Beschauer, weit entfernt etwas Monstruöses darin
zu finden, an das Dasein solcher Wesen zu glauben anfängt.
Der Delphin, sehr häufig als Brunnenthier, auch als Begleiter
der Venus dargestellt, ist unter den Händen der Kunst zum „Fisch
an sich“, zum allgemeinen Sinnbild der feuchten, bewegten Tiefe ge-
worden, und hat mit dem wirklichen Delphin nicht einmal eine flüch-
tige Ähnlichkeit 1). Dieser gehört zu den formlosesten Fischen; wer
ihn im Mittelmeer nicht zu sehen bekommen hat, kann sich hievon
z. B. in der Naturaliensammlung der Specola in Florenz überzeugen,
deren vortrefflich ausgestopfte Thiere für mehrere Punkte unseres
Capitels zur entscheidenden Vergleichung dienen mögen.
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Wenn wir hier die wichtigern Reliefs in kurzer Zusammen-
stellung auf die Statuen folgen lassen, so geschieht diess nur des
beschränkten Raumes wegen. Abgesehen von seinem unschätzbaren
mythologischen Werthe hat das antike Relief das Höchste was die
Kunst je in diesem Zweige leisten kann, völlig erschöpft, sodass
alles Seitherige daneben nur eine bedingte Geltung hat. — Die höchste
Gattung, die Friese und Metopen griechischer Tempel, wie sie das
brittische Museum besitzt, darf man in Italien freilich nur in Gestalt
von Abgüssen suchen (zu Rom im Museum des Laterans, zu Florenz
in verschiedenen Räumen der Academie etc.), aber auch nicht über-
sehen; die römischen Friessculpturen sind daneben selbst im besten
Falle nur von untergeordnetem Werthe. Dagegen hat die Kunst-
liebhaberei der Römer eine beträchtliche Anzahl einzelner, meist klei-
nerer Werke aus Griechenland hergeschleppt oder von griechischen
1) Der den Eros umschlingende Delphin im Museum von Neapel (Halle des Ado-
nis) ist eines der wenigen Absurda der antiken Kunst.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/558>, abgerufen am 18.12.2024.
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