denselben bedenklichen Contrast zwischen Wirklichem und Idealem, wie die nackten Kaiserstatuen.
Wahrhaft unzählbar sind die Köpfe und Büsten römischer Kaiser und ihrer Angehörigen. Wir können uns hier um so weniger auf Näheres einlassen, als der Beschauer gewöhnlich schon durch ein mitgebrachtes historisches Interesse auf das Bedeutende von selbst hin- geführt wird. Einige Bemerkungen mögen indess am Platze sein.
Eine eigene grosse Sammlung von Kaiserbüsten ist in der Stanza adegli imperatori des capitolinischen Museums aufgestellt. Aus den bessern Jahrhunderten finden sich dort meist geringere Exemplare, dafür ist die Kaiserreihe des III. Jahrhunderts dort repräsentirt wie sonst nirgends, allerdings durch Beihülfe sehr gewagter Taufen. Die besten bColossalköpfe in der Sala rotonda des Vaticans. Auch die grosse flo- crentinische Kaisersammlung (Uffizien, erster und zweiter Gang) enthält viele geringe und unsichere Köpfe (selbst moderne, wie Otho und Nerva). Man wird beständig die bessern Büsten der übrigen Ga- lerien mit zu Rathe ziehen müssen.
Vergebens sucht man zunächst in den öffentlichen Sammlungen von Rom und Neapel ein vollkommen würdiges Bildniss des grossen Cäsar; keines wiegt die Basaltbüste und den Kopf der Togafigur des dBerliner Museums auf. Die Statue in der untern Halle des Conserva- torenpalastes auf dem Capitol, auf welche man gewöhnlich verwiesen wird, ist eine wahrhaft geringe Arbeit. Ein Kopf, der mich trotz seiner sehr flüchtigen Ausführung immer von neuem anzog, steht im eMuseo Chiaramonti des Vaticans; es ist Cäsar als Pontifex maximus, die Toga über das Haupt gezogen, mit den ernsten, leidenden Zügen seiner letzten Jahre. Zu den bessern Köpfen gehört auch die floren- ftinische Marmorbüste (Uffizien, erster Gang, stark abgerieben und re- staurirt); der in der Nähe befindliche Bronzekopf stellt eine andere Person vor.
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Der schönste Kopf des Augustus ist wohl unstreitig der bron- zene in der vaticanischen Bibliothek. Büsten und Statuen von allen hAltersstufen (von August als frühreifem Jüngling im Museo Chiara- monti an) und allen Auffassungsweisen finden sich überall.
Antike Sculptur. Kaiserköpfe.
denselben bedenklichen Contrast zwischen Wirklichem und Idealem, wie die nackten Kaiserstatuen.
Wahrhaft unzählbar sind die Köpfe und Büsten römischer Kaiser und ihrer Angehörigen. Wir können uns hier um so weniger auf Näheres einlassen, als der Beschauer gewöhnlich schon durch ein mitgebrachtes historisches Interesse auf das Bedeutende von selbst hin- geführt wird. Einige Bemerkungen mögen indess am Platze sein.
Eine eigene grosse Sammlung von Kaiserbüsten ist in der Stanza adegli imperatori des capitolinischen Museums aufgestellt. Aus den bessern Jahrhunderten finden sich dort meist geringere Exemplare, dafür ist die Kaiserreihe des III. Jahrhunderts dort repräsentirt wie sonst nirgends, allerdings durch Beihülfe sehr gewagter Taufen. Die besten bColossalköpfe in der Sala rotonda des Vaticans. Auch die grosse flo- crentinische Kaisersammlung (Uffizien, erster und zweiter Gang) enthält viele geringe und unsichere Köpfe (selbst moderne, wie Otho und Nerva). Man wird beständig die bessern Büsten der übrigen Ga- lerien mit zu Rathe ziehen müssen.
Vergebens sucht man zunächst in den öffentlichen Sammlungen von Rom und Neapel ein vollkommen würdiges Bildniss des grossen Cäsar; keines wiegt die Basaltbüste und den Kopf der Togafigur des dBerliner Museums auf. Die Statue in der untern Halle des Conserva- torenpalastes auf dem Capitol, auf welche man gewöhnlich verwiesen wird, ist eine wahrhaft geringe Arbeit. Ein Kopf, der mich trotz seiner sehr flüchtigen Ausführung immer von neuem anzog, steht im eMuseo Chiaramonti des Vaticans; es ist Cäsar als Pontifex maximus, die Toga über das Haupt gezogen, mit den ernsten, leidenden Zügen seiner letzten Jahre. Zu den bessern Köpfen gehört auch die floren- ftinische Marmorbüste (Uffizien, erster Gang, stark abgerieben und re- staurirt); der in der Nähe befindliche Bronzekopf stellt eine andere Person vor.
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Der schönste Kopf des Augustus ist wohl unstreitig der bron- zene in der vaticanischen Bibliothek. Büsten und Statuen von allen hAltersstufen (von August als frühreifem Jüngling im Museo Chiara- monti an) und allen Auffassungsweisen finden sich überall.
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Antike Sculptur. Kaiserköpfe.
denselben bedenklichen Contrast zwischen Wirklichem und Idealem,
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Wahrhaft unzählbar sind die Köpfe und Büsten römischer
Kaiser und ihrer Angehörigen. Wir können uns hier um so weniger
auf Näheres einlassen, als der Beschauer gewöhnlich schon durch ein
mitgebrachtes historisches Interesse auf das Bedeutende von selbst hin-
geführt wird. Einige Bemerkungen mögen indess am Platze sein.
Eine eigene grosse Sammlung von Kaiserbüsten ist in der Stanza
degli imperatori des capitolinischen Museums aufgestellt. Aus
den bessern Jahrhunderten finden sich dort meist geringere Exemplare,
dafür ist die Kaiserreihe des III. Jahrhunderts dort repräsentirt wie sonst
nirgends, allerdings durch Beihülfe sehr gewagter Taufen. Die besten
Colossalköpfe in der Sala rotonda des Vaticans. Auch die grosse flo-
rentinische Kaisersammlung (Uffizien, erster und zweiter Gang)
enthält viele geringe und unsichere Köpfe (selbst moderne, wie Otho
und Nerva). Man wird beständig die bessern Büsten der übrigen Ga-
lerien mit zu Rathe ziehen müssen.
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von Rom und Neapel ein vollkommen würdiges Bildniss des grossen
Cäsar; keines wiegt die Basaltbüste und den Kopf der Togafigur des
Berliner Museums auf. Die Statue in der untern Halle des Conserva-
torenpalastes auf dem Capitol, auf welche man gewöhnlich verwiesen
wird, ist eine wahrhaft geringe Arbeit. Ein Kopf, der mich trotz
seiner sehr flüchtigen Ausführung immer von neuem anzog, steht im
Museo Chiaramonti des Vaticans; es ist Cäsar als Pontifex maximus,
die Toga über das Haupt gezogen, mit den ernsten, leidenden Zügen
seiner letzten Jahre. Zu den bessern Köpfen gehört auch die floren-
tinische Marmorbüste (Uffizien, erster Gang, stark abgerieben und re-
staurirt); der in der Nähe befindliche Bronzekopf stellt eine andere
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zene in der vaticanischen Bibliothek. Büsten und Statuen von allen
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/542>, abgerufen am 18.12.2024.
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