Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Togati. Reiterstatuen.
von Neapel, dritter Gang. Aus sehr gesunkener Zeit: Constantin d. Gr.a
in der Vorhalle der Kirche des Laterans, und, sammt seinem gleich-b
namigen Sohn, auf der Balustrade der grossen Capitolstreppe.)c

Mit der Toga liessen sich die Kaiser theils in gewöhnlicher Stel-
lung, theils als Opferer abbilden, wobei das Gewand über den Kopf
gezogen wurde. (Gute Beispiele: der erstern Art: der Claudius undd
vorzüglich der Titus im Braccio nuovo des Vaticans; auch noch der
Nerva ebenda; der Augustus in der innern Vorhalle der Uffizien zue
Florenz, mit aufgesetztem Kopf; weniger gut der Hadrian ebenda; --
der letztern Art: der sog. Genius des Augustus, in der Sala rotondaf
des Vaticans; der Caligula im Hauptsaal der Villa Borghese. Eing
junger Römer, welcher die Toga auf gewöhnliche Weise und auf der
Brust eine Bulla oder Amulet trägt, ist im Museum von Neapel, drit-h
ter Gang, vielleicht mit Unrecht unter die Kaiser und ihre Angehöri-
gen gerathen, da sein Kopf aufgesetzt ist.)

Zu den eigentlich historischen Darstellungen gehört auch noch die
einzige vollständig vorhandene Reiterstatue1) dieser Art: die des
Marc-Aurel auf dem Platze zwischen den capitolinischen Palästen,i
vortrefflich gedacht und von sehr würdiger Gewandung und Geberde,
nur durch das unförmliche Pferd (vielleicht Abbildung des kaiserli-
chen Streitpferdes) in Nachtheil gesetzt. (Der Kopf zu vergleichen mit
dem ebenfalls guten colossalen Bronzekopf im Hauptsaal der Villak
Ludovisi.) -- Von der bei Statius besungenen Reiterstatue Domitians
giebt etwa der riesenhafte Marmorkopf im Hof des Conservatoren-l
palastes eine Idee, der uns jetzt nur noch als Beispiel für die Be-
rechnung des Colossalen auf die Ferne interessiren kann. (Ein anderer
nicht minder riesenhafter Imperatorenkopf im Giardino della Pigna desm
Vaticans.)

Neben diesen Porträtbildungen im engern Sinn versuchte die
Kunst, so lange sie noch lebendig war, auch ein erhöhtes Dasein, ein
übermenschliches Walten in den Kaisern auszudrücken. Vielleicht
schloss sie sich dabei an diejenigen Motive an, welche von den Künst-

1) Nebst dem zweifelhaften Caligula im grossen Saal des Pal. Farnese, und*
dem gering gearbeiteten Fragment eines Nero bei den grossen Bronzen des**
Museums von Neapel.

Togati. Reiterstatuen.
von Neapel, dritter Gang. Aus sehr gesunkener Zeit: Constantin d. Gr.a
in der Vorhalle der Kirche des Laterans, und, sammt seinem gleich-b
namigen Sohn, auf der Balustrade der grossen Capitolstreppe.)c

Mit der Toga liessen sich die Kaiser theils in gewöhnlicher Stel-
lung, theils als Opferer abbilden, wobei das Gewand über den Kopf
gezogen wurde. (Gute Beispiele: der erstern Art: der Claudius undd
vorzüglich der Titus im Braccio nuovo des Vaticans; auch noch der
Nerva ebenda; der Augustus in der innern Vorhalle der Uffizien zue
Florenz, mit aufgesetztem Kopf; weniger gut der Hadrian ebenda; —
der letztern Art: der sog. Genius des Augustus, in der Sala rotondaf
des Vaticans; der Caligula im Hauptsaal der Villa Borghese. Eing
junger Römer, welcher die Toga auf gewöhnliche Weise und auf der
Brust eine Bulla oder Amulet trägt, ist im Museum von Neapel, drit-h
ter Gang, vielleicht mit Unrecht unter die Kaiser und ihre Angehöri-
gen gerathen, da sein Kopf aufgesetzt ist.)

Zu den eigentlich historischen Darstellungen gehört auch noch die
einzige vollständig vorhandene Reiterstatue1) dieser Art: die des
Marc-Aurel auf dem Platze zwischen den capitolinischen Palästen,i
vortrefflich gedacht und von sehr würdiger Gewandung und Geberde,
nur durch das unförmliche Pferd (vielleicht Abbildung des kaiserli-
chen Streitpferdes) in Nachtheil gesetzt. (Der Kopf zu vergleichen mit
dem ebenfalls guten colossalen Bronzekopf im Hauptsaal der Villak
Ludovisi.) — Von der bei Statius besungenen Reiterstatue Domitians
giebt etwa der riesenhafte Marmorkopf im Hof des Conservatoren-l
palastes eine Idee, der uns jetzt nur noch als Beispiel für die Be-
rechnung des Colossalen auf die Ferne interessiren kann. (Ein anderer
nicht minder riesenhafter Imperatorenkopf im Giardino della Pigna desm
Vaticans.)

Neben diesen Porträtbildungen im engern Sinn versuchte die
Kunst, so lange sie noch lebendig war, auch ein erhöhtes Dasein, ein
übermenschliches Walten in den Kaisern auszudrücken. Vielleicht
schloss sie sich dabei an diejenigen Motive an, welche von den Künst-

1) Nebst dem zweifelhaften Caligula im grossen Saal des Pal. Farnese, und*
dem gering gearbeiteten Fragment eines Nero bei den grossen Bronzen des**
Museums von Neapel.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0539" n="517"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Togati. Reiterstatuen.</hi></fw><lb/>
von Neapel, dritter Gang. Aus sehr gesunkener Zeit: Constantin d. Gr.<note place="right">a</note><lb/>
in der Vorhalle der Kirche des Laterans, und, sammt seinem gleich-<note place="right">b</note><lb/>
namigen Sohn, auf der Balustrade der grossen Capitolstreppe.)<note place="right">c</note></p><lb/>
        <p>Mit der <hi rendition="#g">Toga</hi> liessen sich die Kaiser theils in gewöhnlicher Stel-<lb/>
lung, theils als Opferer abbilden, wobei das Gewand über den Kopf<lb/>
gezogen wurde. (Gute Beispiele: der erstern Art: der Claudius und<note place="right">d</note><lb/>
vorzüglich der Titus im Braccio nuovo des Vaticans; auch noch der<lb/>
Nerva ebenda; der Augustus in der innern Vorhalle der Uffizien zu<note place="right">e</note><lb/>
Florenz, mit aufgesetztem Kopf; weniger gut der Hadrian ebenda; &#x2014;<lb/>
der letztern Art: der sog. Genius des Augustus, in der Sala rotonda<note place="right">f</note><lb/>
des Vaticans; der Caligula im Hauptsaal der Villa Borghese. Ein<note place="right">g</note><lb/>
junger Römer, welcher die Toga auf gewöhnliche Weise und auf der<lb/>
Brust eine Bulla oder Amulet trägt, ist im Museum von Neapel, drit-<note place="right">h</note><lb/>
ter Gang, vielleicht mit Unrecht unter die Kaiser und ihre Angehöri-<lb/>
gen gerathen, da sein Kopf aufgesetzt ist.)</p><lb/>
        <p>Zu den eigentlich historischen Darstellungen gehört auch noch die<lb/>
einzige vollständig vorhandene <hi rendition="#g">Reiterstatue</hi><note place="foot" n="1)">Nebst dem zweifelhaften Caligula im grossen Saal des Pal. Farnese, und<note place="right">*</note><lb/>
dem gering gearbeiteten Fragment eines Nero bei den grossen Bronzen des<note place="right">**</note><lb/>
Museums von Neapel.</note> dieser Art: die des<lb/><hi rendition="#g">Marc-Aurel</hi> auf dem Platze zwischen den capitolinischen Palästen,<note place="right">i</note><lb/>
vortrefflich gedacht und von sehr würdiger Gewandung und Geberde,<lb/>
nur durch das unförmliche Pferd (vielleicht Abbildung des kaiserli-<lb/>
chen Streitpferdes) in Nachtheil gesetzt. (Der Kopf zu vergleichen mit<lb/>
dem ebenfalls guten colossalen Bronzekopf im Hauptsaal der Villa<note place="right">k</note><lb/>
Ludovisi.) &#x2014; Von der bei Statius besungenen Reiterstatue Domitians<lb/>
giebt etwa der riesenhafte Marmorkopf im Hof des Conservatoren-<note place="right">l</note><lb/>
palastes eine Idee, der uns jetzt nur noch als Beispiel für die Be-<lb/>
rechnung des Colossalen auf die Ferne interessiren kann. (Ein anderer<lb/>
nicht minder riesenhafter Imperatorenkopf im Giardino della Pigna des<note place="right">m</note><lb/>
Vaticans.)</p><lb/>
        <p>Neben diesen Porträtbildungen im engern Sinn versuchte die<lb/>
Kunst, so lange sie noch lebendig war, auch ein erhöhtes Dasein, ein<lb/>
übermenschliches Walten in den Kaisern auszudrücken. Vielleicht<lb/>
schloss sie sich dabei an diejenigen Motive an, welche von den Künst-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[517/0539] Togati. Reiterstatuen. von Neapel, dritter Gang. Aus sehr gesunkener Zeit: Constantin d. Gr. in der Vorhalle der Kirche des Laterans, und, sammt seinem gleich- namigen Sohn, auf der Balustrade der grossen Capitolstreppe.) a b c Mit der Toga liessen sich die Kaiser theils in gewöhnlicher Stel- lung, theils als Opferer abbilden, wobei das Gewand über den Kopf gezogen wurde. (Gute Beispiele: der erstern Art: der Claudius und vorzüglich der Titus im Braccio nuovo des Vaticans; auch noch der Nerva ebenda; der Augustus in der innern Vorhalle der Uffizien zu Florenz, mit aufgesetztem Kopf; weniger gut der Hadrian ebenda; — der letztern Art: der sog. Genius des Augustus, in der Sala rotonda des Vaticans; der Caligula im Hauptsaal der Villa Borghese. Ein junger Römer, welcher die Toga auf gewöhnliche Weise und auf der Brust eine Bulla oder Amulet trägt, ist im Museum von Neapel, drit- ter Gang, vielleicht mit Unrecht unter die Kaiser und ihre Angehöri- gen gerathen, da sein Kopf aufgesetzt ist.) d e f g h Zu den eigentlich historischen Darstellungen gehört auch noch die einzige vollständig vorhandene Reiterstatue 1) dieser Art: die des Marc-Aurel auf dem Platze zwischen den capitolinischen Palästen, vortrefflich gedacht und von sehr würdiger Gewandung und Geberde, nur durch das unförmliche Pferd (vielleicht Abbildung des kaiserli- chen Streitpferdes) in Nachtheil gesetzt. (Der Kopf zu vergleichen mit dem ebenfalls guten colossalen Bronzekopf im Hauptsaal der Villa Ludovisi.) — Von der bei Statius besungenen Reiterstatue Domitians giebt etwa der riesenhafte Marmorkopf im Hof des Conservatoren- palastes eine Idee, der uns jetzt nur noch als Beispiel für die Be- rechnung des Colossalen auf die Ferne interessiren kann. (Ein anderer nicht minder riesenhafter Imperatorenkopf im Giardino della Pigna des Vaticans.) i k l m Neben diesen Porträtbildungen im engern Sinn versuchte die Kunst, so lange sie noch lebendig war, auch ein erhöhtes Dasein, ein übermenschliches Walten in den Kaisern auszudrücken. Vielleicht schloss sie sich dabei an diejenigen Motive an, welche von den Künst- 1) Nebst dem zweifelhaften Caligula im grossen Saal des Pal. Farnese, und dem gering gearbeiteten Fragment eines Nero bei den grossen Bronzen des Museums von Neapel.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/539
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/539>, abgerufen am 18.12.2024.